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Rumänien
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Poiana Braşov |
Oberhalb von Braşov, am
Fuße eines 1802 Meter hohen Berges und umgeben von einer
grünen, sanften Mittelgebirgslandschaft, liegt Poiana
Braşov, einer der bekanntesten Erholungs- und Wintersportorte
der rumänischen Karpaten. Wenn der Ort auch nicht ohne
Reiz ist, seine künstlich-rustikale Architektur durchaus
anregender ist als manches neumodisches Luxushotel in den Alpen,
und die Verlockung, ein paar Tage hier zu bleiben und zu
entspannen, groß ist, setzt bei mir doch die Überlegung
durch, dass ich nicht in Rumänien bin, um zahlungskräftigen
Neureichen beim Spaziergehen zuzusehen. |
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Bran |
Von der Straße aus sieht die
Törzburg, die berühmteste feudale Burg Siebenbürgens,
beeindruckend aus, so erhaben, wie sie hoch oben auf einem Felssporn
ragt. Die Burg Bran, so wird sie heute fast ausschließlich
genannt, ist als "Draculas Burg" zum einträchtigsten
Devisenbringer Rumäniens geworden. Tatsächlich liegt
aber keinerlei Beweis vor, dass sich Fürst Vlad "der
Pfähler" hier jemals aufgehalten habe.
Der Touristenrummel und mein immer stärker werdendes Bedürfnis,
endlich in die höheren Lagen der Karpaten zu gelangen,
lässt mich von einem Besuch absehen, ich begnüge
mich daher nur mit einigen Alibifotos der imposanten Burg und
verschiebe die Besichtigung auf einen möglichen
späteren Zeitpunkt. Die Anziehungskraft der Karpaten ist
größer als das Bedürfnis, dieses touristische
"Muss" zu erfüllen. |
Mein Instinkt sagt mir zudem, dass
diese fortgeschrittene Nachmittagsstunde die allerbeste
ist, um die noch vor mir liegende Gebirgslandschaft zu erleben,
denn das Licht wird von Minute zu Minute wärmer und verleiht
Bergen, Wiesen und Wäldern einen sanften goldenen Glanz.
Bei jeder Straßenkurve kommen mir immer großartigere
Herbstbilder entgegen. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter
werden die Luft klarer und die Farben kräftiger. Meine
Begeisterung nimmt rapide zu. |
Eine Pension in den Karpaten |
Und als ob meine Zeitplanung optimal
gewesen wäre, erreiche ich genau am Höhepunkt dieses
Lichtspiels den kleinen Weiler Fundata. Er gefällt
mir auf Anhieb derart gut, dass ich kurzerhand den Entschluss
fasse, eine Unterkunft zu suchen. Pensiun? Nein, gebe
es nicht, versichert man mir, als ich eine Gruppe Männer
am Straßenrand danach frage. Zu schade! Ich will mich
dennoch nicht geschlagen geben und gehe eine Runde durch den
Ort. Und siehe da, es dauert nicht lange und ich werde fündig.
Zeitgleich mit einem rumänischen Touristenpaar komme ich
bei der Pension an, und es trifft sich außerordentlich
gut, dass wenigstens die Frau ein ausgezeichnetes Englisch spricht
und mir die Worte von Frau Bangala, der Inhaberin, übersetzen
kann. Übernachtung und Essen kosten nur 80 Lei, das
Ambiente ist rustikal und anheimelnd, alles stimmt! Ich sage
unverzüglich zu. |
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Als ich es mir, keine zehn Minuten
später, gerade in meinem schnuckeligen kleinen Zimmer bequem
mache, klopft die junge Frau an die Tür und fragt mich,
ob ich denn auf einen geführten Spaziergang in den Wald
mitgehen möchte. Ausgemacht! In fünf Minuten bin ich
fertig. |
Die Glückseligkeit beginnt
mit dem Anziehen der Wanderschuhe, denn kaum habe ich sie angezogen,
schon spüre ich etwas auffällig Weiches unter den
Sohlen: Ich bin in einen Kuhdreck getreten. Frau Mihăilă schmunzelt.
Es bringe Glück, erklärt sie. Mădălin, der etwa
13jährige Junge der Gastgeber, führt uns drei Gäste.
Zuerst zeigt er uns ganz stolz den Stall: ein paar Kühe,
einen riesiger Eber, eine Sau, etliche Ferkel, etliche weitere
Schweine, allesamt keine Bulimie-Opfer. Im vergangenen Winter
soll ein Bär ein Ferkel direkt im Stall gerissen haben.
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Danach führt er uns die steile,
mit Herbstzeitlosen übersäte Wiese hinter dem Haus
empor. Zwei kleine Hunde trotten hinter uns her. Die Herbstluft
ist stechend klar. Das Licht, ich habe es erwähnt, begeistert
mich! Wie diese Stimmung auf mein Gemüt wirkt, brauche
ich also kaum zu beschreiben. Der Bub führt uns etwa eine
halbe Stunde durch den wunderbar herbstlich verfärbten
Wald, bis wir schließlich, mittlerweile schweißgebadet,
das angepeilte Ziel erreich, einen kleinen Felsvorsprung mit
einer atemberaubenden Fernsicht. Das Panorama,
das man von hier genießen kann, hätte Kaspar David
Friedrich als Modell stehen können. |
Die Eheleute Daniela und Gigi Bangala
sind nicht von Armut geschlagen. Sie besitzen 24 Kühe,
die bereits genannten Schweine und darüber hinaus die stolze
Zahl von 2700 Schafen, die im Sommer von insgesamt zwölf
Schäfern über die Weidegründe der Karpaten
getrieben werden. Zwanzig Schäferhunde stehen den Schäfern
zur Seite, zur Bewachung der Herden. Es sei nicht selten, erzählt
Mădălin, dass ein Wolfsrudel - es soll in den Karpaten noch
3000 Wölfe geben - eine Herde angreife. Meist lenkt bei
solch einer Attacke einer der Wölfe die Hunde ab, während
die anderen von hinten kommen und sich unbemerkt die Schafe
holen, während die Hunde noch dem ersten Wolf hinterher
rennen. Oder sie überfallen einzelne, von der Herde abgekommene
Tiere. Gute Schäferhunde seien in der Lage, sehr rasch
die Wölfe zu lokalisieren und blieben stets in der Nähe
ihrer Herde. |
Die Schäfer sind nicht bewaffnet,
mit Stöcken und Lärm und mit der Hilfe der Hunde müssen
sie versuchen, die Wölfe zu verjagen. Erst wenn sich die
Attacken häufen, darf ein Jäger einige der Tiere abschießen. |
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Während wir im Wald umherstreifen,
hören wir aus der Ferne wildes Hundegebell. Es sei eine
Wildschweintreibjagd im Gange, erklärt der Junge. Wildschweine,
übersetzt mir Frau Mihăilă, könnten, besonders wenn
sie Kleine haben, sehr gefährlich und aggressiv werden.
Selbst wenn man auf einen Baum flüchte, sei man von ihnen
nicht sicher, sie würden dagegen anrennen und immer wieder
so heftig gegen den Stamm stoßen, dass man riskiere, hinuntergeschleudert
zu werden. Wildschweine werden hier in den Karpaten mit Vorlieb
in der Nacht und mit Hilfe von Scheinwerfern gejagt. |
Tischgesellschaft |
8 Uhr: Kaum habe ich mich zum Abendessen
hingesetzt, schon kommt Mădălin mit einer Flasche Palinka
(einem hochprozentigen Schnaps) hereinspaziert, grinst von einem
Ohr zum anderen, und will mir kräftig einschenken. Oh je,
das wird keine magenschonende Angelegenheit, ist mein erster
Gedanke! Kurz darauf gesellen sich meine neuen rumänischen
Freunde zu mir. Der Tisch ist wunderschön gedeckt. Ein
großer Portionsteller mit Kartoffeln, auf denen eine dicke
Scheibe gebackenen Schinken thront, das saftig aussehende
dunkelrosa Fleisch ordentlich mit Fett durchwachsen und die
knusprige, braune Haut vollgespickt mit Knoblauchzehen, lassen
den Schluss zu, dass der Schnaps doch das Richtige sein könnte.
Eine Schüssel eingelegter roter Paprika und ein Korb dicker
Weißbrotscheiben vervollständigen die kulinarische
Szene. Neben den Tellern stehen jeweils zwei Gläser, eines
für die Pepsi Cola - herausfordernd steht eine Zweiliterflasche
als Hommage an den "American Way of Life" auf dem
Tisch - , das andere für die Palinka. |
Nach dem Sohn kommt bald auch die
Bäuerin und füllt unsere soeben leergetrunkene Gläser
wieder reichlich mit dem Schnaps. Von da an kümmert sich
Frau Bangalas Tochter, ein liebes, etwa zehnjähriges
Mädchen, um uns. Um mich vom zuckersüßen Getränk
fernzuhalten, bestelle ich Wasser, bekomme aber kurz darauf
eine Karaffe Milch, noch ganz lauwarm vom Melken. |
Während des Essens verwickeln
die Mihăilă und ich uns in eine angeregte Konversation über
das Leben, den Westen, die EU, Rumänien und die Welt. Erstaunlich
was sie für aufgeklärte Standpunkte vertreten. Ihre
Neugierde für mich und mein Interesse an Ihnen lassen den
Fluss des Gesprächs kontinuierlich, entspannt und empathisch
bis spät am Abend fließen. |
Das junge Paar führt im Kurort
Breaza, in den Karpaten südlich von Sinaia, einen
Gemischtwarenladen, der sie sehr in Anspruch nimmt.
Einen zweitägigen Aufenthalt in den Bergen könnten
sie, so Frau Mihăilă, gerade noch verantworten, dann müssten
sie aber wieder zurück ins Geschäft. Obwohl beide
- in Bukarest, wo sie sich kennen gelernt haben - studiert haben,
also durchaus keine Hinterwäldler sind, waren sie noch
niemals im Ausland. Das konnten sie sich noch nicht leisten.
Nur davon träumen, dass erlaubten sie sich schon. |
Ob denn ein EU-Beitritt Rumäniens
ihre Chancen auf eine Auslandsreise nicht erhöhen würde,
frage ich. Möglich sei es schon, doch sie seien trotzdem
skeptisch. Und mit ihren Bedenken stünden sie in Rumänien
nicht alleine da. |
Sechs von zehn Rumänen sind
davon überzeugt, dass der Beitritt kurzfristig vor allem
Nachteile mit sich bringen werde. Man sorgt sich, besonders
auf dem Land, vor höheren Steuern, explodierenden Preisen
und negativen Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft.
60 Prozent der Rumänen sind schließlich Bauern. Mit
den neuen EU-Normen werde sich für Kleinbauern die Landwirtschaft
und die Tierhaltung nicht mehr lohnen. Sie würden zur Massenproduktion
übergehen und sich an die Normen halten müssen. Das
hieße auch, von so manchen lieb gewonnenen Traditionen
Abschied nehmen. Auch die Mihăilăs befürchten, wie viele
Rumänen, dass sie auf ihr gewohntes Essen verzichten müssten:
natürliche Lebensmittel und Schweinefleisch von nach traditioneller
Art ge-schlachteten Tieren. Die EU-Vorschriften besagen nämlich,
dass ein Tier nur in einem offiziellen Schlachthof und nur nach
der Einschläferung geschlachtet werden darf. Das geht an
die Substanz des Gewohnten. |
So würden viele Kleinbauern
bald vor dem Aus stehen. Im scharfen europäischen Wettbewerb
würden nur große Bauernhöfe überleben,
rund drei Millionen Kleinbauern müssten sich auf Dauer
neue Jobs suchen, die es aber vor allem in den Städten
geben werde - und ausschließlich für Menschen mit
guter Ausbildung.
Zum Abschluss bringt Herr Mihăilă einen dicken (alkoholfreien)
Fichtennadelsirup an den Tisch und schenkt mir davon kräftig
ein. Er schmeckt köstlich und soll dazu auch noch gegen
Hustenreiz wirksam sein. Er duftet und schmeckt sehr stark nach
Wald. |
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