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Rumänien - Reisebericht von Bernd Zillich
 
 
Feleag, Viscri
 
   
 
Kulturschock Rumänien
 
Kultur-Schock Rumänien
(Reise Know-How)

von Joscha Remus
 
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Montag, 2. Oktober 2006
Geld
Warum eigentlich muss man in vielen Ländern den Pass herzeigen, selbst wenn man nur geringe Beträge wechseln muss? Ein Geheimnis! Die besondere Note hier in Sighişoara war, dass in einer Bank der Computer ausgefallen war und in der nächsten der Drucker (für die Quittung) nicht funktionierte. Es empfiehlt sich jedenfalls, nur in Banken Geld zu wechseln, den dort bekommt man immer den offiziellen Kurs (zurzeit etwa 3,5 neue Lei pro Euro). Bei den Wechselstuben muss man aufpassen. Da lockt zwar auch der of­fi­zielle Wechselkurs, ebenso steht oft in großen Lettern auf einer Tafel "Provision 0%" ge­schrieben, wenn man aber genauer liest, merkt man zuweilen, dass der günstige Wech­selkurs nur ab einer gewissen Summe gilt. So musste ich in Sibiu (mit einem Euro-Wech­selkurs von 3,05) bereits Lehrgeld zahlen.
Apropos Geld. Es braucht eine ganze Weile, bis man damit zurecht kommt. Manchmal bekommt man 50.000- oder 100.000-Lei-Scheine ausgehändigt. Dabei handelt es sich aber um "alte" Lei, aus Zeiten bevor der Leu im Verhältnis von 1:10.000 umgestellt wurde. Und die alten Scheine sind noch im Umlauf. Wenn man dann einmal eine Rechnung bezahlen will und "doi million" zu hören bekommt, gerät man doch einen Augenblick lang aus der Fassung. Wenn man das verstanden hat, hört die Verwirrung aber noch lange nicht auf. So bekomme ich beispielsweise für einen Tee eine Rechnung von 20 Lei (was etwa 6,5 Euro wären) und wundere mich nicht wenig. Bis die Kellnerin präzisiert, es stehe zwar 20 geschrieben, es bedeute aber 2,0.
Feleag
Die Ergriffenheit treibt mir Tränen in die Augen! Ich sitze im Auto mit einer Tüte voller Äpfel und Walnüsse auf dem Nebensitz und fühle mich ein wenig beschämt. Klaus, Helgas Bruder, hätte so gerne sein Haus verkauft, um näher an den Arbeitsplatz ziehen zu kön­nen. Zwanzig­tau­send Euro hoffte er, verlangen zu können. Vielleicht mehr um weitere Bitten ab­zu­wehren, als aus Neugierde, hatte ich ihm versprochen, ich würde mir das Haus ansehen.
Ich war also dort, im winzigen, auf meiner Karte nicht verzeichneten Weiler Feleag, einem unbedeutenden, vergessenen Punkt in der Weite Transsilvaniens. Auf dem Weg dorthin, abseits von der Hauptstraße, begegneten mir mehr Pferde­fuhr­werke als Autos; am Straßenrand sah ich eine Gruppe steinalter, schwarzgekleideter, mit schwe­ren Bün­deln beladener Frauen an mir vorbeiziehen; im Dorf spielten ein paar Kinder mitten auf der Straße, und eine Entenschar lief mir watschelnd über den Weg.
Ich fragte eine junge Frau, fast noch ein Kind, mit lustigen dunkelbraunen Sommer­sprossen im Gesicht, um Auskunft. Ich zeigte ihr die in meinem Notizbuch eingetragene Adresse. Bereitwillig stieg sie, begleitet von ihrer kleinen Tochter, die große Augen machte, zu mir ins Auto. Die Unterhaltung war, den Sprachproblemen entsprechend, nicht einfach. Aber ich verstand sofort, dass sie Witwe war und dass ihr Mann in einem Unfall ums Leben gekommen war. Sie wiederholte es mehrmals, dass ihr soţ (ausge­spro­chen "Sotz") in einem accident gestorben sei, damit ich es auch ganz genau verstehe. Wahr oder nicht, man kommt gar nicht darum herum, die Not dieser Menschen zu sehen. Und als ich dieser hübschen jungen Frau in die Augen sah, tauchen in mir uner­war­tete Beschüt­zerinstinkte auf, so dass ich sie auf der Stelle hätte weg­adoptieren können.
In wenigen Minuten erreichten wir auf einer holprigen, staubigen Erdstraße Klaus' Hof. Seine Frau kam mir lächelnd entgegen. Mir blutete das Herz, als ich sah, wie sich ihre hoffnungsvollen Blicke auf mich richteten. Was ich gezeigt bekam, war einer dieser alten Bau­ern­häuser, wie es sie auch bei uns früher gab, mit einem kleinen Vorgarten, drei bellenden Hunden, einem winziger Stall und einem externen Plumpsklo. Die Zimmer waren äußerst spartanisch und bar jeder modernen Technik eingerichtet und sahen, angefangen bei den Wänden, ziemlich heruntergekommen aus. Hier hörte die Romantik auf, selbst für einen Mann wie mich, der dem Zauber verschwundener Milieus verfallen ist.
Mir wurden ein Kaffee und ein paar Walnüsse angeboten und ich bekam einen Aus­schnitt aus einer alten Illustrierten zur Ansicht, auf dem eine rund um einen Tisch versammelte siebenbürgisch-sächsische Familie wohl Glück aus vergangenen Zeiten darstellen sollte. Tempi passati! Die Deutschen sind weg, die Zurückgebliebenen leben oft in bitterer Not.
Viele Rumänen, besonders in den Städten, konnten auf den Zug des Fortschritts auf­springen. Wenn man Jugendliche in flotten Jeans in einem Café begegnet, ist es, als wäre man daheim, nur deren fremden Gesichtszüge verraten, das man anderorts ist. Für die Älteren aber, diejenigen, die keine Arbeit finden konnten oder keine Verwandten im reichen Ausland haben, sieht es nicht rosig aus.
Laut offiziellen Statistiken leben etwa 10% der Rumänen im Ausland. Der Rückfluss ihres Geldes macht fast die Hälfte des Bruttosozialprodukts des Landes aus. Dieses Geld, aber, sorgt wiederum für ein Aufblähen der Preise, besonders bei Häusern, Grund und Boden, was es den Mittelosen noch schwerer macht.
Die Fahrt geht weiter. In Saschitz spreche ich ein Paar an, das vor der Kirche steht, neben einem Auto mit Eichstätter Kennzeichen. Ja, schmunzelt der Mann, sie kämen aus Siebenbürgen, aus Katzendorf (Caţa, augespr. "Katza"), von wo sie in den 1970er Jahren nach Deutschland ausgewandert seien. Damals hätten sie noch das Haus an den Staat ver­kaufen können, wenn auch für einen Spottpreis! Nach der Wende seien sie wieder ins Land gekommen und hätten sich in ihrem Heimatdorf ein anderes Haus - diesmal aber zu einem wesentlich höheren Preis - gekauft. Jetzt seien sie dabei, es gründlich zu renovieren und verbrächten dort, als Rentner, mehrer Monate im Jahr.
Viscri (Deutsch-Weißkirch)
Mein nächstes Ziel ist das kleine Dorf Viscri (Deutsch-Weißkirch), wo sich eine bemer­kens­wer­te Kirchenburg befinden soll. Der Ort ist, laut Reiseführer, nur über eine un­geteerte Straße zu erreichen. Also zweige ich bei Bunesti ab, nehme bei der Gelegen­heit zwei einheimische Frauen mit einem Kind mit, und schon rumple ich über diese "ungeteerte" Straße. Das ist eine euphemistische Umschreibung eines Reibeisens in Straßenform, das vollgespickt mit spitzen Steinen ist und bei dem tiefe Schlaglöcher, Unebenheiten und Querrillen Dauerzustand sind und das Fahren zu einer Hölle machen. Als wir ankommen, bin ich schweißgebadet. Weil ich mir die weiteren acht "unge­teer­ten" Kilometer bis nach Dacia heute nicht mehr zumuten will, beschließe ich, in Viscri eine Unterkunft zu suchen.
Aber vorher eile ich noch den Hügel am Dorfrand hinauf, um das Wahrzeichen von Viscri anzusehen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende gotische Kirchenburg. Oben an­gekommen umkreise ich ehrfurchtsvoll das im samtenen Licht des Spätnachmittags ge­tauchte mächtige Bauwerk, der von einem niedrigen äußeren Mauerring umgeben ist, und stehe dann eine Weile andächtig und ergriffen auf dem kleinen angeschlossenen Friedhof. Schlichte Grabsteine mit deutschen Inschriften - ausnahmslos!