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Dracula. Das Leben des Fürsten Vlad
Tepes
von Ralf-Peter Märtin
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Dracula-Park |
Hätte es nicht die Wende und
das Ende der kommunistischen Diktatur gegeben, könnte man
sich heute nicht mehr am wunderbaren Ensemble dieser Stadt erfreuen.
Was den Zahn der Zeit überstanden hatte, sollte an der
Abrisswut des Bukarester Diktators zu Grunde gehen! Der Kahlschlag
in der "Perle Siebenbürgens" konnte durch die
Revolution gerade noch abgewendet werden. |
In den Folgejahren richtete sich
die Weltaufmerksamkeit erstmals auf die Stadt, deren auf einem
Bergrücken liegender Kern, die so genannte Burg, unter
anderem mit westlicher Hilfe aufwendig saniert wurde. 1999
erklärte die UNESCO Schäßburg zum Weltkulturerbe
und im gleichen Jahr erhielt die Stadt die Ehrenfahne des Europarates.
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Dass der Kapitalismus mit altem
Kulturgut auch nicht zimperlich umzugehen vermag, zeigte wenige
Jahre danach eine Horrormeldung in der Presse, die die Gemüter
nicht nur in Siebenbürgen erregte. Globalisierung und Amerikanisierung
hatten die Stadt erreicht. |
Denn der rumänische Tourismusminister
Dan Matei Agathon wollte Schäßburg zur Dracula-Hochburg
hochrüsten, einem Freizeitpark der fragwürdigsten
Art. Der "Dracula-Park", ein 60 Hektar großes
Disneyland mit Vampiren aus Pappmaché, sollte auf einem
sechs Kilometer von der Stadt gelegenen Plateau errichtet werden,
wo es ein unter Naturschutz stehender Eichenbestand gab. Eine
Drahtseilbahn hätte vom Park zum angeblichen "Dracula-Haus"
auf der Burg führen sollen! Einen Vergnügungspark
einer unversehrten mittelalterlichen Stadt überzustülpen,
sie in eine Mickey-Maus-Gegend zu verwandeln, hätte die
Zerstörung dieser Stadt bedeutet. Man stelle sich die Abertausenden
von Touristen in den engen Gassen der Stadt vor! Der Tourismusminister
träumte bereits von einer Million Devisen bringenden, die
Stadt niedertrampelnden Besuchern aus der ganzen Welt. |
Im November 2001 war das Projekt
mit einer Aktienausschreibung gestartet worden. Im
Frühjahr 2002 sollte mit dem Bau begonnen werden! Gegen
den Standort Sighişoara protestierten damals die Umweltorganisation
Greenpeace, die Weltkulturorganisation Unesco, Vertreter der
Eminescu-Stiftung in London und der Siebenbürgisch-Sächsischen
Stiftung in München. Bonnie Burnham (vom World Monuments
Fund) und viele andere Prominente unterzeichneten Protestschreiben
an den rumänischen Präsidenten Ion Iliescu. Auch der
britische Thronfolger Prinz Charles sprach sich anlässlich
eines Rumänienaufenthalts persönlich
gegen die Regierungspläne aus. |
Im Mai 2002 räumte der Tourismusminister
zum ersten Mal ein, dass der "Dracula-Park" möglicherweise
doch nicht bei Schäßburg, sondern an einem anderen
Standort gebaut werde. Als denkbare Alternativen wurden Târgovişte
(Walachei) und Bukarest genannt. Ähnlich äußerte
sich der Generalsekretär der Regierung Mihailescu. Es werde
sich beim neuen Standort um ein dicht bevölkertes Gebiet
handeln. |
Inzwischen scheinen die Pläne
für einen "Dracula-Park" ohne großen Aufsehens
beerdigt worden zu sein. Der Aktienverkauf hat sich als Flop
erwiesen. Auch fünf Jahre nach Beginn des Projekts hat
sich kein Investor gefunden, der die geschätzten 30 Millionen
Euro für den Bau zur Verfügung stellen möchte.
Offensichtlich gab es große Zweifel, dass sich diese Investition
jemals wirtschaftlich rechnen würde.
Das Happyend hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Denn nicht das Eingeständnis, dass es sich beim Projekt
um einen kulturhistorischen Fehlgriff gehandelt hätte,
sondern rein wirtschaftliche Erwägungen scheinen den
Ausschlag gegeben zu haben. Oder irre ich mich? |
Begegnung in Sighisoara |
Gegen Mittag begebe ich mich auf
einen Spaziergang auf den Hügeln gegenüber der Altstadt.
Der Blick ist frei von Plattenbauten, architektonischen Fehlbauten,
Anzeichen der Moderne. Nur dieses Juwel von einer Stadt mit
seinem imposanten Burgberg vor meinen Augen. Eine Stadt nach
menschlichem Maß. Ich komme ins Grübeln über
die Gründe, weshalb es im zwanzigsten Jahrhundert eine
derart brutale Abkehr vom städtebaulichem Ebenmaß
gegeben hat. Wo es früher Gassen und Plätze gab, die
reich an |
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unverwechselbaren Bildern, Milieu
und Atmosphäre waren, herrscht heute nur noch die Monotonie
und Gesichtslosigkeit einer autogerechten, zerhackten Stadt
mit überall den gleichen Kaufhäusern, Bankhäusern
und den scheinbar originellen, sich in kein Ensemble einpassenden
Bauten von narzisstischen, nach Beachtung heischenden Architekten. |
Als ich später ziellos in der
Unterstadt herumschlendere, spricht mich mit Unterstützung
temperamentvoller Gestik eine hagere, nicht mehr ganz junge
Frau von gepflegtem Äußeren auf Deutsch an. Sie sei
Siebenbürger Sächsin, verkündet sie stolz, eine
der wenigen noch im Ort verbliebenen. Neugierig geworden lade
ich sie in ein Café ein, wohin sich bald auch ihr Bruder
mit seiner ungarischen Frau zu uns gesellen. |
Das Gespräch entwickelt sich
rasch zu einem Klagelied über die aktuellen Lebensbedingungen
in der Stadt und in Rumänien im allgemeinen. Gewinner der
Wende seien größtenteils jene gewesen, meint sie,
die während der Ceausescu-Zeit in den Ämtern und in
den staatlichen Unternehmen wichtige Posten inne hatten. Nach
der Beschleunigung der Privatisierung der Staatsbetriebe
unter der Regierung des konservativen Emil Constantinescu konnten
sie nahtlos auf ihre Geschäftsbeziehungen zurückgreifen,
und sie Profit bringend nutzen. Genauso konnten sich in jenen
Jahren, wie in anderen osteuropäischen Ländern
und in Russland geschehen war, Schwarzmarktprofiteure und dubiose
Geschäftemacher aller Art hemmungslos bereichern, während
die Mehrheit der Arbeiterfamilien in immer tiefere Armut versank.
Denn für sie führten die rückständigen und
veralteten Industrieanlagen nach der Wende zwangsläufig
zu Arbeitslosigkeit. |
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Während des Ceausescu-Regimes
seien die Preise niedrig gewesen, meint Helga (so heißt
die Sächsin), die meisten hätten Arbeit und Geld gehabt.
Vor allem Frauen, unter Ceausescu in aller Regel auch Lohnarbeiterinnen,
seien nach der Wende an den Herd zurückgedrängt worden;
ältere und weniger qualifizierte Arbeiter, Roma und andere
soziale Randschichten hätten im großen Stil die Möglichkeit
verloren, einen bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten. |
Mit einer durchschnittlichen Monatsrente
von 30 bis 100 Euro seien die Millionen von rumänischen
Rentnern aber am schlimmsten dran. Sie lebten zumeist am Existenzminimum.
Die Preise für Strom, Gas und Benzin seien in den letzten
Jahr überproportional angestiegen und auch die Grundnahrungsmittel
würden immer teurer. |
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