|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Dracula.
von Bram Stoker
|
Auf das Bild klicken,
um Buch zu bestellen
|
|
|
|
Sighişoara |
Nächste Etappe, nächstes
Wunder - Sighişoara (Schäßburg). Die Stadt
empfängt mich nicht, wie befürchtet, mit einer potthässlichen
Peripherie, mit grauer Proletenarchitektur,
Verfall und Schmutz. Nein, es sind großzügig angelegte
Alleen, die mich ins Zentrum führen. Im Gegensatz zum bisher
Erlebten liegt in Sighişoara die Neustadt mit seinen
Wohnklötzen im Ceauşescu-Stil
fast außer Sichtweite, jenseits des Flusses. Ich bin entzückt
und weiß sofort: Das ist der Beginn einer wunderbaren
Freundschaft. Zu meiner Begeisterung mögen auch das milde,
versöhnliches Licht des späten Nachmittags beitragen
und die mächtige, am Anfang des 20. Jahrhunderts gebaute
orthodoxe Kirche am Rande der unteren Altstadt, die, als ich
ankomme, in einen seidenen Glanz getaucht ist. |
|
Schäßburg ist ein in
bewaldete Hügellandschaft eingebettetes Kleinod, in keiner
anderen Stadt Siebenbürgens hat - so liest man
- die altdeutsche Atmosphäre so überlebt wie hier.
Denn die spätmittelalterliche Festung mit der gotischen
Kirche, der Burganlage, den Wehrtürmen und den
jahrhundertealten Wohnhäusern ist ein einzigartiges, intaktes,
denkmalgeschütztes Ensemble. Fast vollständig restauriert,
überragt die Oberstadt mit der Burg die Unterstadt.
|
Das Wahrzeichen der Stadt ist der
64 Meter hohe Stundturm, der das Stadtbild Sighişoaras
beherrscht. Mein erster Erkundungsgang führt mich schnurstracks
am steilen, mit Kopfstein gepflasterten Weg von der Unterstadt
zur Burg hinauf, der direkt durch ein doppeltes Torwehr zum
Eingang der Burg, und damit zum Stundturm führt. |
Samstag, 30. September |
Kränkeln in Sighişoara |
Ein Tag zum Überspringen. Als
ich frühmorgens aus dem Fenster schaue, hängt dichter
Nebel über den Dächern. Der Stundturm ist nur noch
als Silhouette zu erahnen, alles wirkt derart trist, dass einem
das Schaudern kommen könnte. Aber das allein würde
nicht reichen, um mir den Tag zu vermiesen, es kommt dazu, dass
die typisch rumänische "Pizza ai quattro
formaggi" von gestern Abend und ein paar Bierchen zu viel
meinem Magen arg zugesetzt haben. Ich schaffe es gerade noch,
frühstücken zu gehen, dann verkrieche ich mich fröstelnd
unter die warme Decke und versuche ein wenig zu lesen. Vergeblich!
Als ich später die Augen öffne, ist es bereits sechs
Uhr Nachmittag.
Um die Pizzeria diesmal einen weiten Bogen machend, schleppe
ich mich mit dem bisserl Kraft, das mir geblieben ist, die Treppen
zur Hochstadt hinauf und suche im Restaurant "Dracula"
etwas Magenschonendes auf der Speisekarte. Maisbrei (Mamaliga)
mit Krautwickerln (Kohlrouladen) und Sauerrahm scheint
mir noch das Verträglichste von all den schweren Gerichten
auf der Karte. |
Sonntag, 1. Oktober |
Dracula |
Ich fühle mich zwar noch etwas
wackelig auf den Beinen, aber ich kann wieder ohne allzu große
Anstrengung die Turmgasse hinaufgehen. Und die Sonne scheint
wieder, wenn auch durch einen leichten Schleier. Das hebt meine
Laune. |
Der Stundturm, das frühere
Rathaus, das seit 1899 das Stadtmuseum beherbergt, ist
- wie ich es nicht anders erwartet habe - wegen Renovierung
geschlossen. Aufgrund einer gegen mich ausgesprochenen Verwünschung
sind in all den Ortschaften, die ich erkunde, die bedeutendsten
Gebäude zum Zeitpunkt meines Kommens nicht zugänglich
oder sie verbergen sich zumindest dezent hinter einem Baugerüst.
Offensichtlich sollen sie meinen Blicken oder meiner Erinnerung
entzogen werden. Manchmal sind es auch nur Nebel oder dichter
Regen, die sich mir optisch in den Weg stellen. Eine Ausnahme
zu dieser Regel gab es nur einmal, 1987, in Telc (Tschechien),
wenn ich mich recht entsinne. Dafür war damals aber das
Bajonett meines Weitwinkelobjektivs kaputt, so konnte ich nicht
fotografieren! |
|
Glücklicherweise ist mir heute
eher nach stundenlangem Frühstücken, nach Lesen und
dem Genießen des Ambientes, so betrübt mich das nicht
besonders. Vor meinen Augen steht der Riesenbau des Stundturms.
Ich sitze an einem der drei Tischen im Freien des Restaurant
Casa Vlad-Dracul am Burgplatz, das im ehemaligen Altfrauenheim
untergebracht ist. Dieses Haus wird den Touristen
als das Geburtshaus des Fürsten Vlad Ţepeş
(Ausspr. "Tzepesch") ausgegeben, was schon deshalb
nicht stimmen kann, weil es 1431, im Geburtsjahr des Fürsten,
das Gebäude noch gar nicht gab! Es ist immerhin belegt,
dass Vlad Ţepeş' Vater Vlad Dracul
von 1431-1436 in Sighisoara im Exil war. |
Vlad wird nachgesagt, er habe seine
Feinde stets auf Holzpfählen aufgespießt. Was ihm
auch den Beinamen "Ţepeş" einbrachte
(deutsch "der Pfähler"). Dieser Vlad III.
Draculea (deutsch "Sohn des Drachens") war 1448,
1456-1462 und 1476 Herrscher der Walachei, und hob sich im Kämpfen
gegen die Türken besonders hervor. |
|
Vlads Grausamkeit (er soll angeblich
auch das Blut seiner Opfer getrunken haben) und der Name "Dracul",
der im gegenwärtigen Rumänisch mit Teufel übersetzt
werden kann, sollen den Autor Bram Stoker zu seinen "Dracula"-Büchern
inspiriert haben.
Die Blutsaugergeschichten, die den "Vampir" Graf Dracula
mit Vlad Draculea in Zusammenhang bringen, gehören
selbstverständlich ins Reich der Fantasie. Vlad III. war
ein typischer Herrscher seiner Zeit, wenn auch einer der grausamsten.
Vlad Ţepeş selbst wurde im Dezember des Jahres 1476
oder Anfang 1477 enthauptet, der Kopf wurde in Honig eingelegt
und nach Konstantinopel verbracht. Sein Leichnam soll im Kloster
Snagov beigesetzt worden sein, allerdings war das Grab
bei der Öffnung 1931 leer. |
Der Burgplatz, auf dem ich mich
aufhalte, ist der größte und schönste Platz
in der Zitadelle. Wären da nicht ein paar am Rande
des Platzes geparkten Autos, der Kiosk und die Tische im Freien
unter den großen Sonnenschirmen mit ihrer Getränkewerbung,
könnte man sich ins Mittelalter zurückversetzt fühlen.
Was einem an einem Wochenende im Sommer beim alljährlich
in Sighişoara veranstaltetem Mittelalter-Festival, kaum
gelänge. Dann werden Theaterstücke aufgeführt,
Bands und Chöre treten auf, Straßenkünstler
entzücken die Besucher, und abertausende betrunkene und
lärmende Gäste verstopfen die engen Gassen der Burg. |
|
|
|
|
|