Argentinien 2004
Reisebericht Argentinien - Patagonien    
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ARGENTINIEN 2004
Buenos Aires
Tango in San Telmo
Puerto Madryn
Pinguine in Punta Tombo
Halbinsel Valdes
Ushuaia
Zur Seelöweninsel
Nationalpark Feuerland I
Estancia Harberton
Garibaldi-Pass
Zug am Ende der Welt
Nationalpark Feuerland II
Beagle-Kanal Titanic
El Calafate
Perito-Moreno-Gletscher
Ruta 40
Nach Bariloche
Auf den Cerro Otto
Nahuel-Huapi-See
Nationalpark Lanin
Das verzaubert Tal
Lago Mascardi
Abschied von Bariloche
Buenos Aires
Im Paranà-Delta
 
 ARGENTINIEN 2008
 ARGENTINIEN 2011
 ARGENTINIEN / CHILE 2014
 
Feuerland Kap Hoorn
Feuerland / Kap Hoorn. Begegnung mit dem Horizont
von Hubert Stadler
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Bruce Catwin
In Patagonien
von Bruce Chatwin
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Argentinische Landschaften Wandkalender 2021

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  Buenos Aires    
16. März
Die kurze lange Fahrt
Das Wetter ist schön, meine Laune entsprechend, meine Unternehmungslust groß. Ich habe mir vorgenommen, zum etwa zweihundert Kilometer entfernten Cabo San Pablo an der Atlantik-Küste zu fahren.
Ich fahre also die selbe Strecke wie gestern noch einmal, ohne jedoch nach Harberton ab­zu­zwei­gen. Über den Garibaldi-Pass soll es, am Lago Escondido vorbei, nach Tolhuin gehen und dann weiter in Richtung Rio Grande. Etwa 50 Kilometer von Tolhuin soll mich eine nach Westen führende Erdstraße schließlich zum Atlantik bringen.
Leider scheint es der Wettergott heute nicht besonders gut mit mir zu meinen, denn bereits lange vor dem Pass hüllen schwere graue Wolken die Berge ein. Bald fängt es an zu regnen und die Fahr­bahn verwandelt sich in kürzerster Zeit in eine rutschige, schlammige Fläche. Ich muss die bereits moderate Geschwindigkeit weiter verringern. Straßenarbeiten, die an manchen Stellen Einbahn­verkehr erzwingen und aus der Fahrbahn eine aufgewühlte, steinige und matschige Piste machen, behindern das Fahren noch zusätzlich. Als ich die Passhöhe erreiche, kann ich die Kon­turen des Sees zwar gerade noch erkennen, die Bergkulisse aber, die vielleicht aus der Aussicht etwas Atem­berau­ben­des gemacht hätte, ist so gut wie verschwunden.
Als mir ein erschöpfter, durchnässter und völlig verschmutzter Radfahrer entgegen kommt – un­glaub­lich welche Strapazen Reisende auf sich nehmen können, um ihrem Ego einen Kick zu geben – und mich fragt, wie lange er sich noch quälen müsse, mache ich ihn mit der Perspektive auf ein sonnen­überflutetes Ushuaia glücklich. Seine Wetternachrichten für mich sind hingegen weniger erbauend. Weiter in Norden soll es weiterhin trostlos sein.
Ich fahre und fahre und hoffe, dass der Regen bald aufhören möge. Schließlich tut er es auch, aber der Himmel bleibt im eintönigen grau. Am See angekommen steht mein Entschluss fest: Bin ich denn verrückt, dass ich vor der Sonne fliehe und mich dazu auch noch unter diesem grauen, un­durch­sich­tigen Himmel stundenlang durchrütteln und -schütteln lasse?
Um mein Ego zu befriedigen, begebe ich mich kurz mit geschultertem Stativ in den Sumpf am Seeufer, um die dürren, gespenstischen Bäume in ihrer düsteren Stimmung zu fotografieren. Knöcheltief trete ich dafür ins feuchte Ufermoor – ein erhabenes Gefühl von fünfminütigem Aben­teuer! Dann mache ich kehrt und fliehe wieder in Richtung Sonne.
Pause zum Nachdenken
Nur von Kerzenlicht beleuchtete Toiletten – so eine Erfahrung musste ich auch einmal machen! Der Inhaber dieser rustikalen Gaststätte in Haruwen, direkt an der Straße vom Paso Garibaldi nach Ushuaia, glaubt mir eine Freude zu machen – und täuscht sich dabei nicht –, indem er Tangomusik auflegt. Mehr als eine Handvoll Schokoladenkekse zum cafe con leche kann er mir jetzt in der Nachsaison allerdings nicht anbieten.
Aber es ist gerade dieses Fehlen von etwas, das mich in eine gelöste und wohltuende Ge­müts­ver­fas-sung versetzt. Ich bin der einzige Gast, ein alter Schäferhund döst auf dem Boden, das In­te­rieur erinnert ein wenig an eine urige Berggaststätte in der Schweiz: ein rustikal eingerichteter Raum, holzgetäfelte Wände, die Decke ein flaches, von Querbalken gestütztes hölzernes Sattel­dach, alles dezent in nussbraun gestrichen. Es ist beglückend für mich, hier sitzen zu können, bedächtig am Kaffee zu nippen und mich von manchen meiner Erwartungen frei zu denken.
Natur!
Ich marschiere los. Auf schlammigen Pfaden dringe ich tief und tiefer in den Wald ein, und je mehr ich mich von der Gaststätte entferne, desto mehr fühle ich mich in meinem Element und meinen Zielen näher. Das erregende Gefühl, endlich eine Kostprobe von ungezähmter Wildnis zu be­kom­men, eine verlorene Welt aufzuspüren und in eine geheimnisvolle Urwelt einzudringen, begleitet jeden meiner Schritte. Wenn die Sonne manchmal hinter einem Schleier verschwindet, entsteht zudem eine düstere, fast unheimliche Atmosphäre, die mich für Augenblicke vergessen lässt, dass ich mich nur wenige Minuten von der „Zivilisation“ (also von der Hauptverkehrsstraße) befinde.
Bald komme ich zu einer Waldlichtung, dessen Boden von unzähligen braunroten Pflanzen übersät ist, die so dicht nebeneinander stehen, dass sie aus der Ferne wie ein rötlicher Teppich aussehen. Aus diesem ragen gespenstische Baumgerippe empor. Grauweiß und kerzengerade stehen die abgestorbenen Bäume im feuchten Moor, ebenso viele liegen vermodernd auf dem Boden. Manchmal sind sie von hohem Gras überwachsen, manchmal ruhen sie am sandigen Ufer eines sich durch diese Wildnis schlängelnden Baches. Im Hintergrund dunkle Wälder und spitze Bergrücken.
Minutenlang stehe ich stillschweigend und wie gebannt vor dieser unberührten menschenleeren Wildnis. Dann tauche ich in die Natur ein. Querfeldein wandere ich inmitten dieser Wildpflanzen, manchmal muss ich über einen im Gras verborgenen Stamm stolpern, manchmal sinke ich knö­cheltief im Moos ein, verstricke mich in den Gräsern oder balanciere auf morschen Stämmen. Die Sonne kommt und geht. Nicht selten schaudere ich bei einem plötzlichen kühlen Windstoß, der meine Haut durch das verschwitze Hemd streift.
Ich stapfe ohne ein Gefühl für die Zeit in dieser Urwelt, die von Menschen völlig unberührt zu sein scheint, und es überkommt mich dabei das beglückende Gefühl, eine innige Berührung mit der Natur zu erleben und mich ganz weit weg zu fühlen.
Meine erste Panne
In die Wirklichkeit werde ich sehr schnell wieder zurückgeführt. Noch ganz berauscht von dem Erlebnis kehre ich gedankenverloren zum Auto zurück, steige ein, drehe den Zündschlüssel. Aber es ist nur ein leises Klick, das ich höre. Beim zweiten Versuch nicht einmal mehr das, nicht die Spur eines Geräusches – die Autobatterie ist leer. Es ist sechs Uhr nachmittags und ich bin noch etwa vierzig Kilometer von der Stadt entfernt.
Ich laufe zur Gaststätte, klopfe an die inzwischen geschlossene Tür – aber es antwortet mir nur Hundegebell. Also laufe ich zur Straße und warte auf vorbeifahrende Autos. Aber in den nächsten zehn Minuten fährt kein einziges Vehikel vorbei. Noch einmal laufe ich zum Haus, klopfe wieder und rufe so laut ich kann. Ein paar Sekunden lang macht sich eine Vorstufe von Panik bei mir breit.
Leider ist das Auto so ungünstig in einer Mulde geparkt, dass ich den Motor nicht mittels Berg­ab­schieben und Rollenlassen des Autos zum anspringen bringen kann.
Als mir bereits dünkt, ich würde in dieser Einsamkeit übernachten müssen, sehe ich endlich einen Mann, der von einem kleinen Holzgebäude abseits der Gaststätte mir zuwinkt. Es ist der freundliche Wirt von vorhin! Und weil solche Verdrießlichkeiten hier anscheinend des öfteren geschehen, ist gleich eine riesige, schwere Batterie und ein Startkabel angeschleppt - und schon brummt es wieder unter der Motorhaube des kleinen Koreaners.
Am Lago Escondido Wochendbungalows am Lago Escondido Am Lago Escondido Gaststätte in Haruwen In der Feuerland-Wildnis Die Panne