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9. März |
Ausflug zur Punta Tombo |
In der optimistischen Erwartung,
etwas größere Bewegungsfreiheit (das Fotografieren betreffend)
zu erlangen, habe ich mich dazu entschlossen, eine „Privattour“
zu buchen, um ein Auto und ein guia (Führer) ausschließlich
für mich zur Verfügung zu haben. |
Schier endlos zieht sich die Schotterstraße vor uns hin. Rechts
und links wieder das grüngraue Gestrüpp der patagonischen
Steppe. Nein, es sei nicht die Pampa, sagt mit Leandro, der Englisch
sprechende Führer. Die Pampa, das sei eine Provinz westlich von
Buenos Aires, dort gebe es endlose, grüne Grasflächen mit
riesigen Rinderfarmen. Hier in Patagonien könne man wegen der
kargen Vegetation hingegen nur Schafe züchten. |
Die Luft hat ihre morgendliche Klarheit nicht eingebüßt,
aber der Wind wirbelt streckenweise feine Staubwolken auf, die uns
wie geisterhafte Nebelschwaden entgegenfliegen. Als wir einmal einen
Laster mit eingeschalteten gelben Scheinwerfern kreuzen, sieht er
mit seiner Staubfahne wie ein Monster aus der Urwelt aus und wir verschwinden
für wenige Sekunden völlig im Staub. Trotzdem müssen
wir uns nicht hustend und fluchend Taschentücher vor die Nase
halten, denn wir sind in einem klimatisierten Pickup (Kleinlastwagen
mit Doppelkabine, dem idealen Fahrzeug für Patagonien) unterwegs.
Wir sind von der Außenwelt wie durch die Mattscheibe eines Fernsehgeräts
getrennt. Lediglich das kontinuierliche Rütteln des Gefährts
bleibt uns als Schnittstelle zur Realität. |
Ein paar Mal halten wir an, um Guanacos zu beobachten, die zwischen
den Sträuchern äsen. Erwar-tungsgemäß ergreifen
sie aber jedes Mal, wenn ich mich ihnen zu nähern versuche, die
Flucht. Einmal erspähen wir auch ein Armadillo (Gürteltier), das über die Straße huscht. Diego, der Fahrer, hält
das Auto kurz an und versucht es zu fangen, aber auch diesmal haben
wir keine Chance – im Nu ist das Tier in Sicherheit, verschwunden
unter einem Busch. |
Das dicke Ende erreicht mich knüppeldick in Punta Tombo:
Die halbe Million Pinguine, die mir das Reisebüro in Aussicht gestellt hat, ist auf wenige hundert Exemplare zusammengeschrumpft
und meine angebliche Bewegungsfreiheit ausschließlich auf klägliche
Touristenpfade beschränkt, während die „freie“
Landschaft durch die allgegenwärtigen Zäune de facto in
einen Zoo verwandelt ist. Die Strände sind allesamt für
die Besucher gesperrt. Mir wäre die Spucke fast im Hals stecken
geblieben, hätte nicht die trockene Luft meinen Mund bereits
völlig ausgetrocknet. |
Mir ist der Sightseeing-Naturschutz schon immer ein Paradox erschienen.
Zuerst raubt man den Tieren ihr Habitat, dann versucht man die wenigen
übrig gebliebenen Flächen zu bewahren, in dem man sie erschließt.
Es werden Straßen bis hinein in die letzten Reservate gebaut,
Holzstege über Sümpfe errichtet, Baumhäuser und Seilbahnen
im Regenwald installiert, sodass Millionen Schaulustige ohne Leid
und Mühe die Flora und Fauna der „ursprünglichen“
Natur wie in einem Zoo oder einem Gewächshaus bequem besichtigen
können. Man macht aus der Wildnis ein Disneyland ohne Gefahren
und merkt dabei nicht, dass man ihr dadurch das Wesentliche nimmt.
Man kann die Größe eines Berges nicht erfassen, indem man
sich mit einer Bergbahn hinauf befördern lässt, ebenso wenig
wie man Dunkelheit erklären kann, indem man sie mit Scheinwerfern
beleuchtet. |
Dies führt zu einem Bild von der Natur, das eher dem Film „Crocodile
Dundee“ als der Realität entspricht. Der Fall der Münchner
Touristin, die vor einiger Zeit in Australien von einem Krokodil angegriffen
und getötet wurde, ist nur eine logische Folge dieser Mentalität. |
Ich erinnere mich noch gut an meinen technikbegeisterten Maschinenbau-Professor
auf der Uni, der uns von der großen Ergriffenheit erzählte,
die ihn gepackt hatte, als er nach einer mühsamen Bergwanderung
einen Körperbehinderten im Rollstuhl vor sich sah, der auch,
dank einer Seilbahn, die herrliche Bergwelt von oben genießen
konnte. Dieser Gedanke hat natürlich etwas Verführerisches,
vor der die meisten Bedenken wie elitäres Gelabere wirken müssen.
Die Rückseite der Medaille bei der Erschließung von Natur
ist aber nicht zu übersehen: Die Menschen werden immer mehr in
eine virtuelle Realität versetzt, in der alles Anstrengende,
Gefährliche, Ungewisse und Geheimnisvolle der Natur durch einen
verwässerten Abklatsch von ihr ersetzt wird. |
10. März |
Zur Halbinsel Valdes |
Falls ich mich je dem naiven
Gedanken hingegeben habe, es könnte auf der Peninsula Valdes (die immerhin mehr als hundert Kilometer lang ist) noch ein paar Stellen
geben, wo man Tiere aus kleinster Entfernung und ohne trennende Zäune
erleben kann, dann habe ich mich getäuscht. Nein! Beim lokalen
Verkehrsverein wird mir die letzte Hoffnung genommen. Der ganze Bereich
wurde (was verständlich ist) zum Schutz der Fauna vor den Besuchermassen
schon seit langem komplett eingezäunt! Vorbei sind die Zeiten,
in denen sich die ersten vereinzelten Touristengruppen frei in diesen
Tierparadiesen bewegen konnten. |
Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mich einer organisierten
Tour anzuschließen. Zumal ich aufgrund der Pleite von gestern
kostenlos daran teilnehmen darf. Eine kleine Auseinandersetzung mit
dem Chef der agencia - schließlich hat man mir völlig
unzutreffende Angaben gemacht - hat das bewirkt. |
Die Tour – wir sind eine Gruppe von elf Personen plus Fahrer und zwei guias – erweist sich als eine fast genaue Kopie der gestrigen.
Erst geht die Fahrt eine Stunde lang auf asphaltierter Straße,
dann wird es holprig und holpriger. Ich erlebe dieses kontinuierliche
Gerüttel zu meiner Überraschung aber wie eine Massage, die
mir etwas Linderung für die Rückenschmerzen bringt, die
mich seit der Tortur des langen Fluges quälen. |
Die Entfernungen sind groß. So weit das Auge reicht, sind nur
kleine Sträucher und Büsche zu sehen – dazwischen wächst
zerzaustes Gras. Bäume gibt es keine. |
Unser erstes Ziel ist die Isla de los Pajaros (Insel der Vögel). Korrekterweise müsste man sie die Insel
(die für Touristen tabu ist) der schwarzen Punkte nennen, denn
selbst mit dem Münzfernrohr sieht man von den Vögeln – es
sollten Flamingos sein – nicht mehr als winzige Punkte. |
Aber Monica, die etwas pummelige guia, spricht so viel und
so ausführlich und auf eine derart sympathische Art über
all das Wissenswerte dieses Naturreservats, dass ich irgendwie den
Eindruck bekomme, ich hätte tatsächlich etwas gesehen. Obwohl
ich, weil sie auf Spanisch spricht, nur die Hälfte ihres Redeschwalls
verstehe. Valeria, die jüngere Kollegin, übersetzt zwar
ins Englische, aber schwerpunktmäßig nur jene Passagen,
die ich sowieso verstanden habe. |
Diese Valeria ist ein hübsches Persönchen mit stark indianischen
Gesichtszügen, einem zierlichen, feinen Gesicht, großen,
schwarzen Augen und einem mädchenhaften, schüchternen Lächeln.
Zusammen mit ihrer zwitschernden Stimme macht sie das sehr sympathisch. |
Unsere zweite Etappe gilt einem Museum, wo alles zu erfahren ist,
was man ebenso gut – aber diese Mühe macht man sich ja kaum – aus Büchern erfahren könnte: dass beispielsweise die Penislänge
der See-Elefanten, der größten Vertreter der Robben, 80
Zentimeter erreichen kann, die Häufigkeit ihrer Begattungen bis
zu 60 Mal pro Tag beträgt – nicht neidisch sein, kichert Monica – und dass Wale nur Krill, also Kleinstkrustentiere fressen, die sie
mit Unmengen Meereswasser zu sich nehmen, das sie anschließend
durch ihre Bärte wie durch einen Sieb wieder ausspeien. |
Was mich überrascht – ich habe allerdings bisher nie darüber
nachgedacht – ist die Tatsache, dass Pinguine, wie andere Vögel
auch, im Winter zu wärmeren Gefilden migrieren. Nur, dass sie
halt nicht fliegen können und deshalb Tausende von Meilen (bei
einer Maximalgeschwindigkeit von acht km/h) nach Norden schwimmen
- bis nach Brasilien. Vielleicht lachen sich gerade Hunderttausende
von ihnen auf ihren Liegestühlen in Copacabana ins Fäustchen,
dass sie gerade noch rechtzeitig meiner Fotografierattacke in Punta
Tombo entkommen konnten. |
Weiter geht's zur Caleta Valdez. Hier endlich sollen wir die
ersten Seelöwen zu Gesicht bekommen. Entlang des kurzen Abschnitts,
das von Touristen betreten werden darf, erwarten uns der übliche
eingezäunte Strand und die gewohnten Münzfernrohre. Ich
stelle fest, dass von oben und von der Ferne gesehen die Tiere eher
wie riesige, dunkle Nacktschnecken aussehen, als wie Säugetiere,
ich finde sie ein klein wenig eklig. Gott sei Dank sind es aber nur
ein halbes Dutzend, denn die anderen sind alle außerhalb der
Reichweite der Besucher, faul in der Sonne liegend auf der Landzunge
der Caleta. |
So spaziere ich träge umher, genieße um so mehr die Aussicht
aufs Meer, nehme in der Cafeteria noch ein paar empanadas (frittierte oder gebackene Teigtaschen aus einer Art Blätterteig
mit vielen unterschiedlichen Füllungen) zu mir und warte auf
die Weiterfahrt. |
Gleich neben unserem Gefährt steht ein großer Überlandbus,
der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Direkt vor ihm ist eine Gruppe
Jugendlicher damit beschäftigt, eifrig Geschirr zu spülen.
Ich komme mit dem Reiseleiter ins Gespräch und erfahre, dass
es sich um das britische Unternehmen Dragoman handelt, das (ähnlich wie beim deutschen Rotel) auf Abenteuerreisen
per Bus spezialisiert ist. Der Bus ist mit allem ausgestattet, was
man auf einer solchen Reise braucht, mit Zelten zum Übernachten,
Kochgeräten, Geschirr und Lebensmitteln, und die Reiseroute beinhaltet
all die bekannten Touristenziele (Valdes, Ushuaia, El Calafate etc.), die konventionelle Reisegruppen auch ansteuern und ich ebenso
auf meinem Plan habe. Obwohl ich nicht mehr viel Begeisterung für
solche eher unbequeme Art zu reisen aufbringen kann, beneide ich die
jungen Leute doch ein wenig – vielleicht gerade aufgrund ihrer noch
vorhandenen Begeisterungsfähigkeit. |
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Aber weiter geht's zur nächsten
Etappe, zur Punta Norte. Dort soll es eine größere
Seelöwenkolonie geben, und man soll in der richtigen Jahreszeit
sogar Orcas (die so genannten Killerwale) beobachten können.
Diese Tiere haben hier eine ganz spezielle Jagdtechnik entwickelt:
Sie schwimmen zum Strand, schnappen einen jungen Seelöwen oder
Seeelefanten und lassen sich anschließend mit der nächsten
Welle wieder ins Meer zurückspülen. |
Nach einer weiteren halben Stunde Rütteln und Schütteln
ist es endlich so weit: Tierparadies, wir kommen! Aber zuerst müssen
wir die Gürteltiere füttern. Aus unmittelbarer Nähe
gesehen sind dies ganz niedliche Kerlchen mit einem frechen Schnauzchen
und munteren Äuglein. Die Tiere sind hier so zahm, dass sie einem
aus der Hand fressen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass wir hier
endlich in der unberührten Wildnis angekommen sind. |
Im Nu bin ich am Aussichtspunkt, von wo ich sofort eine größere
Anzahl Akteure sehen kann, die sich für die Vorstellung fertig
gemacht haben. Das Stück im Programm heißt heute: „Der
Herr im Hause“ . Hauptdarsteller ist ein alter Seelöwe, der
es ab und zu als standesgemäß betrachtet, eines der Weibchen
seines Harems anzubrüllen. Tatsächlich klingt es wie das
Brüllen eines Löwen. Die Weibchen antworten schuldbewusst
mit einem Schrei, das sehr stark an das Muhen einer Kuh erinnert.
Die restlichen Komparsen kümmern sich nur darum, ein einigermaßen
geschlossenes Bild der Gruppe abzugeben. Sonst geben nur die Kleinsten
Lebenszeichen von sich, sie tummeln sich herum, springen ins Wasser
und wenn sie einmal ihr Muttertier aus den Augen verloren haben, blöken
sie wie kleine Unschuldslämmer. |
Wann denn die Orcas kämen, frage ich scherzend unsere guia. Aber
Monica zieht sich elegant aus der Affäre, in dem sie meine Frage
postwendend an den guardiafauna (Parkaufseher) weiter gibt:
„Um wie viel Uhr kommt, bitte, der Zug mit den Orcas?“ |
Bei aller Gelassenheit hat es mir doch einen schmerzhaften Stich gegeben,
als ich weit hinten auf dem Strand, dort wo die Seelöwen und
See-Elefanten wirklich unter sich sind, ein kleines blaues Zelt gesehen
habe. Es soll, laut guardiafauna, von einer Gruppe Naturfilmern
benutzt werden, die seit Wochen vor Ort sind, damit auch jene, denen
es nicht erlaubt ist, sich den Tieren anzunähern, diese irgendwann
doch und mit größtmöglichem Detail auf dem kleinen
Bildschirm zu sehen bekommen. |
Die Letzte Etappe der heutigen Exkursion ist Puerto Pyramides,
ein völlig aus der Retorte entstandener Ort, der nur aus
Ferienbungalows, Restaurationsbetrieben und agencias besteht.
Zu meiner Überraschung strahlt der Ort, jedenfalls an diesem
Ende der Saison, etwas aus, was mich in seinen Bann zieht. Die große
freie Fläche des Strandes, die jetzt, während der Ebbe,
seine maximale Breite erreicht hat, scheint all das Licht weiterzugeben,
die diese sanfte Abendstunde noch aufzuweisen hat. Und das leicht
gewellte Meer tut das Restliche dazu, um in mir einen Augenblick lang
den Wunsch aufkommen zu lassen, die geführte Tour hier abzubrechen,
den Abend hier zu verbringen, vielleicht sogar ein paar Tage des Nichtstun
anzuhängen. Aber mein nächster Flugtermin steht ja bereits. |
11. März |
Ein geruhsamer Tag in Puerto Madryn |
Es ist windig hier. Während
die leere Bierdose immer wieder umfällt, wehen die Servietten
wie weiße Fähnchen in ihrer Halterung. Feinster Sand hat
sich auf den dunklen Holztisch gelegt. Es lohnt sich kaum, ihn abzuwischen.
Hier auf der überdeckten Terrasse eines kleinen Strandrestaurants
bin ich der einzige Gast, alle anderen sitzen drinnen in der stickigen
und verrauchten Luft des pavillonartigen Gebäudes. |
Es ist laut hier. Obwohl sich das Wasser fast zweihundert Meter von
der Flutlinie zurückgezogen hat, überdeckt das immerwährende
Rauschen des Atlantiks die Musik aus den Lautsprechern. Ich kann gerade
noch das Dröhnen der Bässe und die gedämpften Klänge
eines Xylophons erkennen. |
Bis auf vereinzelte Personen, die ihre Hunde spazieren führen,
ist der große Strand völlig verwaist. Es ist temporada
baja, Nachsaison, und eine ruhige, melancholische Stimmung hat
sich des Badeortes bemächtigt. |
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Auf den Wellen schaukelt
gemächlich ein „bar flotante“, eine schwimmende Plattform
mit einem Getränke-Kiosk als Aufbau, auf der man bei ruhigem
Meer, so sagt der Kellner, gemütlich beim Sonnenbaden seinen
Kaffee schlürfen kann. |
Ich liebe die Ruhe, das zurückhaltende Licht und die Atmosphäre
der Nachsaison. Sie birgt etwas Geheimnisvolles in sich, als kämen
durch die Verlangsamung und die Leere Raum und Zeit zurück, sodass
man Dinge wieder sehen kann, die vorher auch für aufmerksame
Beobachter verborgen geblieben waren, zugekleistert, überrollt
und überschrieen vom Rummel der Hochsaison. Orte können
wiederentdeckt werden und Details ans Licht gebracht, von denen man
dachte, die Zeit hätte sie völlig verschwinden lassen. Auch
das mit alten Fotos bedruckte Tischset erinnert daran: Puerto Madryn - gestern, heute und immer mit dem Meer verbunden. Am Strand und
an der Mole, die etwa hundert Meter ins Meer hinaus ragt, und an dessen
Ende sich eine merkwürdige, an eine Bohrinsel erinnernde Konstruktion
befindet, hat sich nicht viel verändert, aber das alte Foto der
Straße mit den flachen, an alte Westernstädte erinnernden
Gebäuden zeigt einmal mehr, wie sehr das letzte halbe Jahrhundert
den Städten das Ebenmaß genommen hat. |
Puerto Madryn hat sich in den vom Meer entfernten Vierteln
einen gewissen Charme bewahrt. Aneinander gereihte flache, weiß
gekalkte oder in blassen Farben getünchte, kleine quadratische
Häuser, ausnahmsweise zweistöckig, die noch etwas eigenständig
Lateinamerikanisches haben. Die Behausungen in den neueren Vierteln
wirken hingegen künstlich, ein Mischmasch von Stilrichtungen,
die sich in ihrer Spießigkeit eher an den nordamerikanischen
Vororten orientieren. |
Das kommerzielle Stadtzentrum ist noch mehr zu einer Blaupause jener
der amerikanischen Kleinstädte degradiert: An der Hauptstraße
entlang drängen sich Schnellimbisse und Eisdielen inmitten einer
ununterbrochenen Reihe von Souvenirläden, Banken und Reiseagenturen.
Und das Ganze ist wie ein Christbaum von einem Meer von Reklameschildern
geschmückt. Kaum ein Rest historischer Gebäude. |
Aber all das für mich Ungewohnte und „Exotische“ und
vor allem das Gemächliche, das ich - wenn man einmal von den
lärmenden Autos und Motorrädern zu jeder Tageszeit absieht
- doch immer wieder finde, machen mir den Aufenthalt in diesem Städtchen
doch recht angenehm. Einmal sind es die Kinder, die von der Schule
kommen, alle adrett in ihren weißen Schulkleidchen gekleidet,
so wie es während meiner Kindheit in Italien noch üblich
war, dann die frechen Straßenkinder, die an den Ampeln ihre
Jonglierkünste zeigen, oder es sind die vielen indianisch anmutenden
Gesichter, oder manch ein Bettler, der es schafft, „Würde“
zu bewahren. Fast geniere ich mich, als sich ein älterer Herr,
dem ich einige Pesos überreicht habe, sich auf Spanisch und auf
Französisch bei mir bedankt. |
Nicht zuletzt ist es auch das beständige Leuchten des Himmels,
das zu mein Wohlbefinden beiträgt, denn Bewölkung ist in
diesen Tagen immer nur etwas Vorübergehendes, und wenn der Himmel
auch nicht mehr so glasklar und beeindruckend wie am Tag meiner Ankunft
ist, so lässt er mir doch das triste Grau des deutschen Winters
vergessen und schafft in meinem Kopf ein Bild vom Himmel des Südens,
dass ich als Metapher für Freiheit und geistiger Klarheit mit
nach Hause nehmen werde. |
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