Argentinien 2004
Reisebericht Argentinien - Patagonien    
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ARGENTINIEN 2004
Buenos Aires
Tango in San Telmo
Puerto Madryn
Pinguine in Punta Tombo
Halbinsel Valdes
Ushuaia
Zur Seelöweninsel
Nationalpark Feuerland I
Estancia Harberton
Garibaldi-Pass
Zug am Ende der Welt
Nationalpark Feuerland II
Beagle-Kanal Titanic
El Calafate
Perito-Moreno-Gletscher
Ruta 40
Nach Bariloche
Auf den Cerro Otto
Nahuel-Huapi-See
Nationalpark Lanin
Das verzaubert Tal
Lago Mascardi
Abschied von Bariloche
Buenos Aires
Im Paranà-Delta
 
 ARGENTINIEN 2008
 ARGENTINIEN 2011
 ARGENTINIEN / CHILE 2014
 
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Bruce Catwin
In Patagonien
von Bruce Chatwin
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  Buenos Aires    
 
8. März
Morgens
Heute wird Buenos Aires wieder einmal ihrem Namen gerecht. Der Himmel ist klar, die Temperatur frühlingshaft, es weht eine angenehme Brise. Es sitzt sich gut im Schatten der Baumriesen im Park an der Plaza San Martín: Jacarandas, Palo-borracho-Bäume, Eukalypten, Palmen, Araukarien und vor allem ein gewaltiger Ombu-Baum, in dessen Schatten Kinder spielen und Passanten sich eine Verschnaufpause vom stressigen Leben der Großstadt gönnen können.
Dieser Baum (eigentlich ist es ein Strauch, dessen botanischer Name Phytolacca Dioica ist) hat seine Ursprünge in der argentinischen Pampa und prägt das Bild zahlreicher argentinischen Plätze. Ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Rolle er im Bewusstsein mancher Erwachsenen spielt, die als Kinder auf seine großen Wurzeln, die aus dem Boden herauswachsen, und auf seinen Ästen, die teilweise so schwer sind, dass sie gestützt werden müssen, die schönsten Kletterabenteuer erlebten.
14 Uhr, im Cafe des Aeroparque
Warum nur lässt mich der Reisende mit dem Walter-Ulbricht-Bärtchen so sehr an einen ver­schro­benen Naturforscher denken, der auf seinen Flug in den Dschungel wartet? Habe ich denn zu viele Filme wie "Die verlorene Welt" gesehen? Und warum kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, es könnten plötzlich Bud Spencer und Terence Hill auftauchen, die sich mit ihrer klappernden Propellermaschine zu irgend einem verlassenen Städtchen in der Pampa aufmachen, um dort die übliche Riege von Bösewichten aufzumischen? Vielleicht weil der Aeroparque genannte Flughafen (der nur nationale Flüge und Flüge nach Montevideo bedient) so überschaubar ist? Oder weil ich durch die große Fensterfassade auf eine akaziengesäumte Straße schaue, hinter der die Wellen des Rio de la Plata in der Sonne glitzern? Der Fluss ist hier so breit wie das Meer, aber von einer schlammig-braunen Farbe, wie sie das Meer niemals aufweisen könnte. Der diesige Himmel spiegelt sich in diesem Wasser und lässt dieses zu einem fahlen Schleier werden. Es ist wirklich ungewohnt.
Mein "Abenteuer" besteht indessen nur aus Warten. Wobei ich von Glück sprechen kann, dass ich überhaupt hier bin, denn als ich heute Morgen zufällig bei der nahen Filiale der Aerolineas Argen­tinas vorbeischaute, musste ich erfahren, dass die Abflugszeit meines Fluges nach Trelew um 75 Minuten vorverlegt worden war. Dabei hatte man mir noch vor zwei Tagen den Flug bestätigt. Von der Flugplanänderung wurde ich bei der Gelegenheit nicht informiert.
Flughafen Trelew, 18:30
Wie oft habe ich sie schon gesehen, diese Abholer in den Flughäfen! Steif und mit gestreckten Häl­sen stehen sie in der Ankunftshalle mit ihren hoch gehaltenen Schildern. Manchmal steht darauf der Name des Reiseveranstalters, der seine Schäfchen einsammeln und per Bus ins Vertragshotel verfrachten will, manchmal der Namen eines einzelnen Passagiers. Mir als ewiger Indi­vi­dual­rei­sender wurde diese Ehre bisher verwehrt. Bisher! Denn diesmal habe ich vorgesorgt – schließlich liegt Puerto Madryn, mein Ziel, 65 Kilometer nördlich von Trelew. Telefonisch habe ich mit dem Hotelangestellten für einen Zubringerbus sorgen lassen.
Fahrt nach Puerto Madryn
Eindrücke, Eindrücke, Eindrücke. Die Quintessenz alles Reisens: Zuerst der Blick vom Flugzeug auf die unendliche, wie ein staubbedeckter Gepard aussehende gefleckte Ebene, die uns bei der Lan­dung immer näher kommt, dann das gleißende Licht, dass mich empfängt, als ich aus dem Flug­zeug steige. Ein nordisches, schneidendes Licht - aber bei subtropischer Temperatur. Und dann die Fahrt durch eine flache, kilometerweit immer gleich bleibende Landschaft eine kerzengerade Stra­ße entlang, ein Sinnbild der Unendlichkeit. Rechts und links zieht in immer währender Wie­der­ho­lung eine staubige Sträucher- und Gräserlandschaft an uns vorbei. Die Farben sind ge­dämpft, mit Va­ria­tio­nen von graugrün bis braun und gelb.
Obwohl im Kleinbus alle Vorhänge auf der Sonnenseite zugezogen sind, staut sich die trockene Hitze auf unangenehme Art. Als Erster nickt der grauhaarige Herr ein, der gerade noch in einem Buch über Einstein und die „Principia naturalia mathematica“ geblättert hat, dann die füllige Ar­gen­tinierin hinter ihm, und es dauert nicht mehr lange, bis auch die kleine Japanerin neben mir so weit ist. Ihr Kopf sinkt peu a peu zur Seite, immer ein Stückchen mehr in meine Richtung. Nur eine scharfe Kurve könnte die Begegnung mit meiner Schulter noch verhindern. Als ich den schlafenden Kopf und die kräftigen schwarzen Haare der jungen Asiatin beobachte, komme ich nicht umhin, sie mit jenen einer Indio-Frau zu vergleichen, die weiter vorne im Bus sitzt. Die Ähnlichkeit ist so frappierend, dass mir ein Gedanke ganz spontan durch den Kopf schießt: So leicht lässt sich die Abstammungstheorie der amerikanischer Ureinwohner untermauern!
Nach etwa vierzig Minuten fast schnurgerader Fahrt endlich eine Kurve, es ist die Abzweigung nach Puerto Madryn, dem Zentrum für touristische Aktivitäten an Patagoniens Küste. Die Halbinsel Val­des, nur etwa 100 Kilometer entfernt, zählt seit 1999 als Gebiet mit globaler Bedeutung für die Erhaltung von Meeressäugern zur World Heritage List der UNESCO. Dieses Schutzgebiet ist die touristische Hauptattraktion der Region.
Herr Caballero, bei dem ich das Zimmer im Hotel Fantilli online reserviert habe – wie schade für Marco Polo, dass er seine Reisen noch nicht per Internet reservieren konnte –, ist ein freundlicher junger Mann, der perfekt Englisch spricht. Die Atmosphäre des Hotels ist familiär und mein Zimmer hat tatsächlich die versprochene "vista del mar" (Aussicht aufs Meer). Man schaut über die flachen weißen Bauten hinweg und zwischen den Hochhäusern der vorderen Reihe hindurch.
Die Überraschungen der Nacht
Vollmond, dunkle Silhouetten von Hochhäusern und unwahrscheinlich klare Aussicht auf ein Meer, in dem sich der Mond tausendfach spiegelt und ein Funkeln und Leuchten erzeugt, dass man jeden Moment eine Mythologische Figur aus den Wellen emporsteigen wähnt. Es hat etwas Unwirkliches.
Ohren betäubendes Krachen von beschleunigenden Motorrädern und Autos mit kaputten Aus­puff­röhren bis spät in die Nacht – die Rückseite der Medaille!
Puerto Madryn Puerto-Madryn-Tischset Strand von Puerto Madryn