Freitag, 28. November
Casa de Té „Nain Maggie“, Trevelin
"Was mache ich hier?“, so lautet der Titel eines Romans von Bruce Chatwin. Ein überaus pas­sen­der Satz – so scheint es mir – für meine Situation. Sanfte Har­fen­musik füllt den Gastraum dieses wali­si­schen Tee­hau­ses. Die Atmos­phä­re ist gediegen, durchaus „britisch“, der traditionelle Té Galés, eine äu­ßerst reich­haltige Teetafel mit einem halben Dutzend verschiedener Ge­bäck­sorten, wartet nur darauf, meinen Appetit zu stillen.
Javiers Großeltern seien noch echte Waliser ge­we­sen, wie auch Margarita Freeman, die Grün­de­rin dieses Casa de Té, nach der das Teehaus genannt wurde. Sie starb 1981 im Alter von 103 Jahren.
Casa de Té Nain Maggie
Tatsächlich schmeckt alles hervorragend! Javier, der junge Chef war sehr zuvorkommend, die ver­schiedenen Kuchen hat er mir, dem ein­zi­gen Gast, einzeln und mit detaillierten Be­schrei­bun­gen vorgestellt, als seien sie alte Freun­de. Die meisten wurden nach alten wa­li­si­schen Rezepten gebacken und heben sich angenehm von ihren argen­ti­ni­schen Pen­dants ab, die nicht selten durch übermäßige Süß charak­te­risiert sind.
Ein kräftiges Frühstück
Die Ahnen der Waliser in der Provinz Chubut landeten 1865  mit dem Zwei­master „Mimosa“ in der Nähe des heutigen Puerto Madryn und be­sie­del­ten in der Folge das untere Tal des Rio Chubut, das ihnen die argentinische Regierung zur Ver­fügung gestellt hatte. Sie kamen aus den Stein­kohle­zen­tren von Wales, wo ihre Sprache und ihr Streben nach Un­ab­hän­gig­keit von England un­ter­drückt wurden und sie von den Fa­brik­eig­nern ausgebeutet wurden. In den Jahren 1874 und 1875 folgte eine weitere Ein­wan­de­rungs­wel­le. Schließlich bewohnten die Waliser das gesamte untere Chubut- Tal und grün­deten die Orte Rawson Trelew, Puerto Madryn, Gaiman und Dolavon. Später besie­del­ten sie einen ganzen Korridor vom Atlantik bis in die Anden mit Orten wie Esquel und Trevelin.

BÜCHEREMPFEHLUNG

In Patagonien:
Ein „Muss“ für Reisende nach Patagonien. Bruce Chatwins behutsame Art, auf die Einheimischen wie auf die Ein­ge­wan­der­ten zuzugehen oder den Schick­sa­len Verschollener nach­zuforschen, sind der Schlüs­sel zu aben­teu­er­lichen Entdeckungen.
Was mache ich hier? Was mache ich hier ist wohl das per­sön­lichste Buch von Bruce Chatwin. Weitgehend noch von ihm selbst zusammengestellt in den letzten Monaten vor seinem Tod im Januar 1989, offenbart diese aufregend vielseitige Auswahl an Geschichten, Porträts, Reiseberichten und »seltsamen Begegnungen« seinen be­son­de­ren Blick auf die Welt, seine ge­schärf­te Sensibilität und seine außerordentliche Empfänglichkeit für das Fremdartige.

Walisische Vereine und Schulen versuchen zwar, die Erinnerung an die alte Heimat am Leben zu erhalten, aber die inzwischen stark vermischte „wa­li­si­sche“ Bevölkerung ist weit davon entfernt, eine eigene, von der des Gastlands getrennte kulturelle Identität zu besitzen,  wie es bei­spiels­wei­se bei den Süd­tirolern in Italien ist. Javier, beispielsweise, beherrscht mit Mühe und Not ein paar Brocken der Sprache seiner Ahnen. Die Tradition der Casas de Té Galés (walisischen Teehäuser), die besonders von Touristen gerne frequentiert werden, ist immerhin erhalten geblieben.
So sehr mir die At­mosphäre des Teehauses auch gefällt, es bleibt die Frage im Raum stehen, was ich denn ei­gen­tlich an diesem nicht besonders in­te­res­san­ten Ort zu suchen habe, zumal ich kein Waliser wie Chatwin bin, der auf der Suche nach der eigenen Familiengeschichte war.

Cholila
Von Trevelin könnte ich weiter in den Na­tio­nal­park „Los Alerces“ fahren. Aber über hundert Kilo­me­ter „camino de ripio“ – so wird hier eine nicht asphaltierte Straße genannt – schrecken mich ab. Von solchen „Ripio"-Straßen gibt es zwar gut ausgebaute, die aus fest­ge­stampf­ter Erde und leich­tem Kies bestehen, und auf denen man problemlos mit achtzig Stun­den­ki­lo­metern fahren kann, aber die meisten sind tückische Schotterstraßen, die streckenweise harmlos sind, dann aber plötz­lich zur Rumpel- und Wasch­brett­pis­te mutieren können, mit scharf­kan­ti­gen, halb aus dem Boden ra­gen­den Steinen, oder losen Steinen, die die Reifen mürbe machen und Ölwanne und weitere emp­findlichen Teile akut gefährden können.
Entlang der Ruta 40
Ganz zu schweigen von aus dem Nichts auf­tauch­en­den, badewannegroßen Löchern, die, wenn sie nicht umfahren werden, Auto und Fahrer durch­schüt­teln können wie bei einem Erdbeben. Stän­dig wird man auf einer solchen Straße von einem gegen den Boden des Fahr­zeugs don­nern­den Geröll und den endlos wehenden Staubfahnen der anderen Ver­kehrs­teil­nehmer begleitet.
Entlang der Ruta 40
Obwohl ich bisher nur wenig auf „Ripio"-Strecken gefahren bin – sie sind mir aufgrund von Stra­ßen­arbeiten sogar auf der Hauptverbindung nicht erspart geblieben – beunruhigen mich einige merkwürdige Geräusche meines Ge­fährts, die ich nicht genau einordnen kann, aber auf irgend ein loses Blech deuten könnten. Nach einem Anruf beim Autovermieter, der die Geräusche auf meine Beschreibung hin auf Steine auf dem Schutzblech zurückführt, bin ich zwar etwas beruhigt, habe aber von Schotter- und Erdstraßen trotzdem die Nase voll. Ich fahre also etwas resigniert nach Norden.
Entlang der Ruta Provincial 15
Die fantastische Bergkulisse baut mich rasch wieder etwas auf. Dann folgt eine Überraschung: Auf der Höhe von Leleque entdecke ich eine Abzweigung von der Ruta 40 (die Ruta Provincial 15) in Richtung Cholila, einem kleinen Ort am Rande des Na­tio­nal­parks Los Alerces. Es sollen nur 39 Kilometer (allerdings „de ripio") sein. Ich brauche nicht lange nachzudenken. Ich kann nicht anders. Schon holpere ich wieder über Stock und Stein.
Lago Pellegrini
Bei höchstens Tempo Vierzig werden meine Nerven zwar auf eine harte Probe gestellt, aber es ist eine Offenbarung! Ein einsame, großartige Berglandschaft nimmt mich auf! Jedes Mal, wenn ich anhalte (um zu fotografieren) werde ich von einer Stille eingeholt, von einer Weite über­flu­tet und von einer Natur, die mich an den Ursprung der Welt denken lässt, beeindruckt, die mich völlig in ihren Bann ziehen.
Landschaft bei Cholila
Was Cholila seine Einzigartigkeit gibt, dass ist seine Lage in einem flachen, sehr breiten Tal, das an allen Seiten von Bergen umgeben ist. In die­ser Jah­reszeit steht alles in Blüte. Aus­ge­dehn­te weiß, rosa und lila blühende Lu­pi­nen­felder und wildwachsende Ginstersträucher am Straßenrand leuchten unter einem blauen Himmel, der dem Landstrich einen fast über­ir­di­schen Cha­rak­ter verleiht.
Hosteria El Trebol
Die Hosteria El Trebol liegt etwa einen Kilometer außerhalb des Ortes Cho­li­la. Ein großer, ein­la­dender Garten umgibt sie, und der Eindruck, den sie auf mich macht, ist außergewöhnlich positiv. Hier muss ich blei­ben, ist daher mein erster Gedanke. Auf den ersten Blick wirkt das Haus verlassen. Als ich läu­te, rührt sich zu­nächst nichts. Erst nach einer Weile öffnet sich die Haustür und eine zierliche ältere Dame kommt mir lächelnd entgegen. Ein freies Zimmer sei in dieser frühen Jahreszeit kein Pro­blem, sagt sie mir.
Hosteria El Trebol
Nachdem ich mein Gepäck abgeladen habe, komme ich mit Frau Pellegrini ins Gespräch. Ich denke zunächst – so sehr bin ich von ihrer Ausstrahlung be­eindruckt –, sie sei die Chefin des Hauses. Aber nein, die Besitzer seien gerade unterwegs, erklärt sie. Sie selbst sei die Köchin. Als ich kurz darauf erfahre, dass sie eine wasch­echte porteña ist, ist meine Neugierde schlagartig geweckt. Vielleicht finde ich bei ihr, so denke ich, eine Antwort auf die Frage, die ich mir auf dieser Reise immer wieder gestellt habe: Wie kommt man dazu, eine solche Abgeschiedenheit als zentralen Be­zugspunkt für das eigene Leben zu erkoren? Müsste einen nicht zwangsläufig und wiederholt das Gefühl befallen, etwas Wichtiges zu entbehren? Aber Frau Pellegrini, die aus dem quirligen, chao­ti­schen Buenos Aires hierher gekommen ist, liefert mir eine ganz nüchterne Erklärung. Es sei aus­schließlich die große argentinische Wirt­schafts­krise (1998 - 2002) ge­wesen, die sie hierher geführt habe. Damals sei man froh gewesen, überhaupt eine Arbeit zu finden.
Als Frau Pellegrini mir erzählt, dass sie gar nicht in der Hosteria wohne, son­dern im nahen Cholila, und dass sie deshalb jeden morgen zu Fuß hierher kom­men müsse, bekomme ich – plötzlich – doch noch eine Antwort auf meine Frage. Es reicht ein Satz, und ich verstehe: „La mañana cuan­do ven­go acá tempranito – que silencio!“ (Am frühen Morgen, wenn ich hierher komme – was für eine Stil­le!). Ihre Augen strahlen!
Cholila
Der kleine Flecken Cholila ist unspektakulär, wenn nicht sogar nichtssagend. Er besteht le­dig­lich aus einer breiten und geraden as­phal­tier­ten Straße, die an­gesichts der be­schei­de­nen kleinen Häu­sern mit ungepflegten Gärten, die sie um­ge­ben, völlig überdimensioniert erscheint.
Samstag, 29. November
Tero Tero
Wenn man in dieser Ecke Patagoniens auch nur ein klein wenig in der freien Natur unterwegs ist, kommt man nicht drum herum, einen Vogel kennen zu lernen, den man sehr bald – daran ist kein Zweifel – als liebenswerte Er­schei­nung betrachten wird, den Tero Tero, zu Deutsch, den Sporn­kiebitz. Cha­rak­teristisches und zugleich namensgebendes Merkmal dieses Vogels ist eine kleine Kralle (Sporn), die sich versteckt in jedem seiner Flügel befindet.
Tero Tero
Der Ruf des Spornkiebitz ist kaum zu überhören. Es ist ein schrilles und schnell aufgereiht klin­gendes tschjück tschjück tschjück. Bei Alarm wird daraus ein lautes und raues  krüt krüt krüt, wo­mit er seine Artgenossen vor der Gefahr warnt. Im Garten der Hosteria versuche ich, ei­nen dieser Tero Teros zu fotografieren, was ohne längerer Brennweite nur schwer zu schaffen ist. Kaum komme ich dem Kerlchen näher, schon fängt er an, seine Laute auszustoßen und geht gleichzeitig wieder auf Sicherheitsentfernung.
The Wild Bunch
In der Nähe dieses Cholila ist noch heute jene Blockhütte zu finden, die am Anfang des 20. Jahr­hunderts von den nordamerikanischen Bankräubern Butch Cassidy, dem Sundance Kid und deren Freun­din Etta Place gebaut und eine gewisse Zeit bewohnt wurde. Unnötig zu sagen, dass ich sie besichtigen muss.
Hier wohnten Butch Cassidy und der Sundance Kid
Was für eine Emotion, als ich, in einer Einsamkeit und in einer Stille, die ih­res­gleichen suchen, vor dieser Blockhütte stehe, mit der großartigen Berg­ku­lis­se im Hintergrund. Zwei bei meinem Nähern auffliegende Chimangos (ei­ne kleine Falkenart), ein halbes Dutzend Vögel mit langen, krum­men Schnä­beln, vereinzelte Tero Teros und ein weißes Pferd im Schatten einer uralten Pappel als ein­zige Gesellschaft.
Wie erklärt sich die Faszination von Spuren aus der Vergangen­heit? Sind es die Träume von Aben­teuern, die sie zu wecken vermögen? Ist es die Heraus­for­de­rung, sich geistig in eine andere Zeit und in andere Leben versetzen zu kön­nen? Oder sind es die noch gegenwärtigen Zeichen ehe­ma­liger Er­eig­nis­se, die den beruhigenden Eindruck herbeiführen, dass nicht alles vergeht?
Die Blockhütte von innen
Der Mann, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Paul Newman hat, bittet mich einzutreten. Die Tür knarrt. Es ist ziemlich düster in diesem kleinen Zimmer, meine Augen brauchen eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ein leichter Rauchgeruch füllt den Raum, in dessen Mitte ein kleiner Holztisch und ein paar Stühle stehen, sonst nichts. Von der Decke hängt eine Pe­tro­leumlampe. Ein weiterer Mann kommt herein, bleibt stehen, schaut in meine Richtung, man sieht das Staunen in seinen Augen. Von draußen dringt das Kreischen eines Tero Teros zu uns. Die Pferde grasen ruhig unten am Fluss.

FILMEMPFEHLUNG
Butch Cassidy und Sundance Kid ist eine Western-Komödie von Drehbuchautor William Goldman und Regisseur George Roy Hill aus dem Jahr 1969. Der Film beschreibt das Leben der beiden sympathischen Zug- und Bankräuber Butch und Sundance und zählt zu den größten Kassenerfolgen seiner Zeit.

Ich wundere mich. Eigentlich sehen die Männer völlig anders aus als auf dem Fahndungsfoto. Robert Leroy Parker, auch bekannt als Butch Cassi­dy, hatte ein breites, quadratisches Gesicht mit schmalen Lippen. Harry Longabaugh (ge­nnant the Sundance Kid) hatte ein durch­schnitt­li­ches, fast biederes Aus­sehen. Nach einer Reihe von Bank­über­fällen mussten die beiden Männer und die Re­vol­verlady Etta Place 1901 fluchtartig die Ver­einigten Staa­ten ver­las­sen. Kein schlech­ter Ort für eine Zuflucht, denke ich mir, ist die­ses Cholila, das etwas nördlich vom Na­tio­nal­park Los Alerces liegt.
Während ich sinniere, verblassen die Ge­sich­ter der beiden Ban­diten langsam in meiner Fantasie und der Raum steht wieder leer, und immer noch dunkel, vor meinen Augen.
In seinem Roman „In Patagonien“ beschreibt Bruce Chatwin, wie ihm eine chilenische In­dia­ne­rin namens Sepúlveda diese Hütte ver­kau­fen wollte. Kurz bevor ich weggehe, steht plötzlich ein ver­schlafen aussehender Mann auf einem Pferd vor mir, und stellt sich als der Aufseher der Hütte vor. Er müsse darauf achten, sagt er, dass nichts von den vielen Besuchern beschädigt oder weg­ge­tragen werde.
Don Sepúlveda und sein Pferd Kid
Er heiße Sepúlveda. Ein Zufall, nach dem mehr als dreißig Jahre nach dem Er­schei­nen von Chatwins Roman vergangen sind? Ein Glück, dass es in der jetzigen Vorsaison noch keine Bus­la­dungen von Touristen gibt, die die Sei­fen­blase meines Träumens abrupt zum Platzen bringen könn­ten!
Zäune
Was mich in Argentinien, und besonders in Patagonien am meisten fasziniert, das sind der über­gro­ße, durch nichts begrenzte Himmel und die unendlichen Weiten seiner meist un­be­wohn­ten Land­schaften. Horizonte, von denen man im engen Europa keine Vorstellung hat. Ich as­so­ziiere diese Weite fast au­to­ma­tisch mit dem Be­griff „Freiheit“, denn, selbst wenn ich in Wirk­lich­keit nur auf das Gaspedal trete, sehe ich mich in Gedanken auf einem Pferd reiten, durch Landschaften, die aus der Fan­ta­siewelt der Wild­west­filme stammen, als „lonesome cowboy“ quasi, der am Fluss­ufer sein Lager aufmacht, sich am La­ger­feu­er Bohnen mit Speck zube­reitet und aus der Blech­kan­ne Kaffee ein­schenkt.
Zwischen mir und dieser Vorstellung stehen ganz hässliche Hindernisse - die Zäune. Sie sind Be­glei­ter jeder Autofahrt und eines jeden Spa­zier­gangs, sofern ein solcher überhaupt mög­lich ist.
Jedes Stück Land gehört jemandem und jede nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche dient der Viehzucht, und seien es nur drei Schafe. Ki­lo­me­ter­weise trennen diese Zäune den Rei­sen­den von der vorgestellten Freiheit. Sie ma­chen von kei­nem Seeufer Halt, vor keiner Wiese und vor kei­nem struppigen Stück Pampa.
Im Schatten der alten Linde
Im Garten der Hosteria El Trebol offenbart sich mir der Traum des eu­ro­päi­schen Einwanderers. Ein englischer Rasen, eine riesige Schatten ge­ben­de Linde, eine etwas verkümmerte Tanne, viele Ro­sen­stöcke, Geranien auf den Fens­ter­bret­tern. Jenseits des Zaunes saftige Wiesen und dichte Rei­hen von Pappeln. Wenn ich die Augen noch weiter wandern lasse, sehe ich einen dicht mit Kiefern bewachsenen Bergrücken. Das Gemeinsame an all diesen Gewächsen ist, dass sie alle­samt nicht in Patagonien hei­misch sind. Sie alle wurden hierher verpflanzt. Na­del­bäu­me gab es in dieser fer­nen Ecke der Welt überhaupt keine.
Hosteria El Trebol
Millionen und Abermillionen von Douglasien, Kiefern und anderen Koniferen wurden über Jahr­zehn­te hinweg hier hochgezogen. Eine kolossale Aufforstung fand statt, die dem Bodenschutz und der Holzgewinnung dienen sollte. Die Reihen schlanker Pappeln, die so schön im goldenen Herbst­licht zittern, sie sollten als Windschutz für die Siedlungen dienen. Wenn man durch die trock­ene, step­pen­artige Landschaft fährt, sind es immer die Pappelreihen, die bereits aus der Ferne die An­we­senheit einer Estancia ankündigen.
Deutscher Abend
Die Gäste der Hosteria sind ohne Ausnahme aus Deutschland und auf „or­ga­nisierter“ eigener Faust unterwegs. Damit meine ich, dass sie zwar mit einem individuell gemieteten Auto unterwegs sind, ihre verschiedenen Etappen je­doch ge­nau­estens im Voraus von einem Reisebüro zusammen­ge­stellt urden. Für jeden Über­nach­tungs­ort sind sie demnach mit einem Voucher ausgestattet, ei­nem Gutschein, der sie zu einer Hotelübernachtung berechtigt. Nur ein asketisch aussehender Mann aus Bayern, der nor­ma­ler­weise in seinem Wohnmobil schläft, macht hier eine Ausnahme. Heute wird er sich auch eine Über­nachtung in der komfortableren Herberge gönnen.
Aber es sind nicht nur die Gäste, die hier Deutsch sprechen, auch der Inhaber der Hosteria be­herrscht diese (am heutigen Abend) gemeinsame Sprache. Herr Jäger ist nämlich in der deutschen Kolonie in San Carlos de Bariloche aufgewachsen. Wie klein die Welt doch ist: Es stellt sich he­raus, dass auch er den Bü­cher­laden meiner Tante kannte.