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Montag, 15. Oktober |
Hexentanzplatz |
Man sollte den Harz in Langsamkeit erleben. Besonders
bei dem heutigen, herrlich klaren Herbstwetter. Aber ich
habe bereits ein Attentat auf ihn geplant, das mir bereits
im Vorhinein ein schlechtes Gewissen einjagt. Ich habe
nämlich nichts anderes vor, als wie ein Irrsinniger
von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu
fahren (nein, nicht etwa wandern!). Nur damit ich alles
einmal gesehen habe, damit ich mich für eine (hypothetische)
zukünftige Reise orientieren kann. Es passt eigentlich
nicht zum Harz. Man sollte sich Zeit nehmen. Aber ich
habe meine Lieblingsausrede parat: Das nächste Mal,
oh ja, das nächste Mal werde ich es ganz anders tun. |
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Mit der Kabinenbahn
fahre ich zu allererst hinauf zum Hexentanzplatz bei Thale,
der genau der Rosstrappe gegenüber steht und fast
300 Meter über dem Ort liegt. Auch hier werde ich
mit einem herrlichen Blick über das Bodetal belohnt.
Die Stelle gilt als ein altsächsischer germanischer
Kultort, an dem vor allem in der Nacht vom 30. April auf
den 1. Mai Rituale abgehalten wurden. Es ist der Ort,
an dem sich in der Walpurgisnacht die Hexen
versammeln, um dann gemeinsam zum Blocksberg zu fliegen,
wo sie sich mit dem Teufel vermählen. |
Mit Goethes "Faust"
und dem Überflug der Hexen vom Hexentanzplatz bei
Thale zum Brocken, wurde nicht nur ein bedeutendes literarisches
Werk geschaffen sondern auch die "Brockenhexe"
als Harzer Symbolfigur. Das wohl typischste Souvenir aus
dem Harz ist die Hexe. Kein Souvenirladen im Harz kommt
heute ohne sie aus. |
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"Da seh' ich junge Hexchen nackt und bloß, und alte, die sich klug verhüllen." |
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Bereits Fontane schrieb:
"Denn allerorten, wo man sich aufhält, hat
man eine Art Pflicht, das Charakteristische der Gegend
kennenzulernen, in Samarkand die Tempeltüren
und ihre Wächter, in der Wüste den Wüstenkönig
und im Harze die Hexen. Die Hexen sind hier nämlich
Landesprodukt und wachsen wie der rote Fingerhut überall
auf den Bergen umher. Auf Schritt und Tritt begegnet man
ihnen, und wenn man fertig zu sein glaubt, fängt
es erst recht eigentlich an. Zuletzt kommt nämlich
der Brocken, der in seinem Namen zwar alle hexlichen Beziehungen
verschweigt, aber doch immer der eigentlichste Hexentanzplatz
bleibt. Da sind sie zu Haus, das ist ihr Ur- und Quellgebiet.
Allen Ernstes, die Landschaft ist hier so gesättigt
mit derlei Stoff, dass die Sache schließlich eine
reelle Gewalt über uns gewinnt." |
Auf dem Gelände,
der viel von seiner Mystik dem Kommerz geopfert hat, gibt
es heute einen Tierpark, eine Sommerrodelbahn, das Harzer
Bergtheater und die 1901 erbaute Walpurgishalle. In 35
Harzorten sind zu Walpurgis die Hexen los. Vom alten heidnischen
Walpurgisnacht-Brauchtums ist nur noch eine Touristenattraktion
übrig geblieben. Von Schwefelduft und Schellenklang
an der Schwelle zum Monat Mai profitieren vorwiegend Gastronomie
und Hotellerie. |
Teufelsmauer, zweiter Versuch |
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Die Teufelsmauer: der Hamburger Wappen |
Wernigerode: Rathaus |
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Diesmal gehe ich
die Teufelsmauer von Timmerode aus an. Unweit davon soll
sich nämlich das berühmte Hamburger Wappen
befinden, eine besonders markante Sandsteinformation
mit drei steil aufragenden Felstürmen, die in ihrem
Aussehen an das Wappen der Hansestadt Hamburg erinnert.
Es ist nur ein kurzer Spaziergang, der mich erwartet.
Dann stehe ich vor dem berühmten Felsgebilde. Es
beeindruckt mich, es ist imposant, es ist einprägsam.
Und doch ... es hat immer noch nichts Gemeinsames
mit den bizarren, frei in der Landschaft stehenden Felsfinger,
die in den meisten Reiseführern abgebildet sind.
Es ist ein Rätsel! |
Wernigerode |
Es zieht mich wieder
nach Wernigerode. So sehr hat mich diese Stadt beeindruckt,
dass ich ihr unbedingt noch einen kurzen Besuch erstatten
will. Eine Weile sitze ich also, genüsslich an meiner
Tasse nippend und mich am herrlichen Ambiente des Rathausplatzes
erfreuend, in einem Café und vertiefe mich in einen
meiner Reiseführer. Und siehe da: Es gibt
noch eine andere Stelle, wo es Reste der vom Teufel erbauten
Mauer gibt: Es sind die östlichste Ausläufer
der Teufelsmauer bei Weddersleben. Schon wieder
ein Ziel für das berühmte "nächste
Mal"! |
Ilsenburg |
Ein völlig
unauffälliges Städtchen! Ein entzückendes
Städtchen! Die Verkörperung einer heilen Welt,
die eine beinahe schmerzliche Wirkung auf mein Gedächtnis
ausübt, wie es bei einem Ort ist, den man meint,
vor langer Zeit gesehen zu haben, der aber in Wahrheit
nur eine Schöpfung der eigenen Sehnsucht ist. Man
kann sich Ilsenburg sehr gut als Kulisse einer jener
TV-Schnulzen a la "Bergdoktor" vorstellen. Eine
Aura von der "guten alten Zeit" strahlt von
ihr aus, mit intakter Architektur, niedlichen
kleinen Gärten, ruhigen Nebenstraßen und überall
diese spürbare Nähe zum Wald, so dass man meinen
könnte, direkt vom Hauptplatz in die Märchenwelt
des dunklen Harzes einsteigen zu können. |
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Kremser in Ilsenburg |
Wohnhaus in Ilsenburg |
Gartenidylle in Ilsenburg |
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Die Stadt ist an drei Seiten von
bewaldeten Bergen umgeben und Ausgangspunkt von Wanderungen
ins romantische Ilsetal. Von Ilsenburg soll der Brocken über einen der schönsten Aufstiege zu erreichen
sein. Der Weg wurde zu Ehren von Heinrich Heine Heinrich-Heine-Weg benannt. |
Dienstag, 16. Oktober |
Ilsenburg |
Was ich gestern nur
in der Dämmerung konnte, will ich heute bei Tageslicht
nachholen: mich ohne jeglichen Zeitdruck auf
die Suche nach dem genius loci zu machen, dem Geist
dieses Ortes, und die besondere Atmosphäre, den einzigartigen,
innewohnenden Charakter Ilsenburgs in mir aufnehmen,
wie man bei einem tiefen Atemzug belebenden Sauerstoff
aufnimmt. |
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Überall Hexen |
Hinterhodidylle |
Luxushotel |
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Das fast zwangsläufige
Ergebnis meines Ortsrundgangs ist, dass ich das über
1000 Jahre alte Ilsenburg, welches schon Goethe und Heine für Ihre Werke inspirierte, zur perfekten Kleinstadt
für Ruhe und Entspannung deklariere, und zu einem
weiteren Kandidaten für "das nächste Mal". |
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