Harz - Reiseskizzen von Bernd Zillich    
 
                   
   
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Teufelsmauer, Regenstein
Wernigerode
   
   
 
 
Sagenhafte Ausflüge
im Harz: Auf den
Spuren von Hexen,
Riesen, Fabelwesen

 
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Altmärkische und
Harzer Küche.
Regioanle Küche
mit Tradition
 
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Der Medicus
 
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  Geheime Orte im Harz: Ein Ausflugsführer
 
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Harz mit Kindern
 
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Mittwoch, 10. Oktober 2007
Blankenburg
Blankenburg, auf halbem Weg zwischen Thale und Wernigerode gelegen, ist eine unauffällige kleine Stadt. Im Vergleich zu Wernigerode wirkt alles etwas beschei­de­ner, angefangen vom kleineren Schloss bis hin zum mittelalterlichen Rathaus und einer überschaubarer Anzahl von Fachwerkhäusern. Eine Zeit lang schlendere ich, von Unternehmungslust und positiven Gefühlen geleitet, durch die ruhigen Wohn­vier­tel, die mit ihrer vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammenden Architektur eine bürgerliche Ruhe aus anderen Zeiten ausstrahlen, die stark auf meine Sehnsüchte wirkt.
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Wohnarchitektur in Blankenburg
Die wohl auffälligste und bekannteste Sehenswürdigkeit Blankenburgs ist geo­lo­gi­scher Natur. Es ist die von allen Besuchern dieser Landschaft seit jeher bewunderte Teufelsmauer, eine eigentümliche, hauptsächlich aus Sandstein bestehende Fels­for­ma­tion, die zwischen dem östlichen Ortsrand der Stadt bis hin nach Weddersleben-Neinstedt die Landschaft prägt. Um deren Entstehung rankt sich eine eigentümliche Legende.
Die Sage von der Teufelsmauer
Vor grauer Zeit stritten sich Gott und der Teufel um den Besitz der Erde. Um den Streit zu beenden, schlossen sie einen Handel ab. Gott sollte das landwirtschaftlich nutzbare Flachland erhalten, der Teufel hingegen den an Bodenschätzen reichen Harz. Ihm sollte all das Land gehören, welches er in einer Nacht bis zum ersten Hah­nenschrei mit einer Mauer umbauen konnte. Der Teufel machte sich auf der Stelle ans Werk, ar­beitete unermüdlich und verbissen die ganze Nacht, und war schon fast fertig, als ihm eine alte Bäuerin einen Strich durch die Rechnung machte. Diese war noch vor dem Morgengrauen aufgebrochen, um ihren Hahn auf dem Markt zu ver­kau­fen. Als sie einmal in der Dunkelheit stolperte, erschrak dieser Hahn und fing lautstark an zu krähen. Als der Teufel das hörte, dachte er, seine Zeit sei be­reits um. Er geriet darüber derartig in Rage, dass er die Mauer teilweise wieder ein­riss, was deren heutige bizarre Gestalt erklärt.
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Schloss Blankenburg Auf der Teufelsmauer
Die Leser werden es kaum glauben: Die Entstehungsgeschichte der Teufelsmauer ist in Wahrheit eine ganz andere. Die Geologen, diese nüchternen Erklärer der Erd­ge­schich­te, sehen es nämlich so: Der Sandstein der Teufelsmauer ent­stand vor etwa 100 Millionen Jahren als Ablagerung im Meer der Ober­kreide. Das war die Zeit als die letzten Riesen der Dinosaurier-Ära die Erde be­völ­kerten. Am Ende der Kreidezeit und im darauf folgenden Tertiär wurden diese Schichten durch Hebung des Harzes steil aufgerichtet, so dass am nördlichen Harzrand eine Schichtrippenlandschaft von ein­maligem Reiz entstand. Als "Schichtrippe", ein Begriff, der mir – die Leser ahnen es bereits – seit frühester Kindheit geläufig ist, wird eine durch Prozesse der Gebirgs­bil­dung fast senkrecht gestellte, langgestreckte und verwitterungsresistente Schicht aus Sedimentgesteinen bezeichnet.
Keine Frage: Die Anziehungskraft der Teufelsmauer auf einen naturbegeisterten Fotografen wie mich ist außerordentlich groß, zumal sie auch, laut Reiseführer, auf der gesamten Länge begehbar ist und ich den heutigen Tag nicht ausschließlich mit Autofahren verbringen will.
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Auf der Teufelsmauer "Scheiterhaufen" und Hexen im Gasthaus Großvater
Eine besonders schöne Aussicht bietet sich mir gleich am Anfang auf dem Groß­va­ter­felsen, der oberhalb der gleichnamigen Gaststätte liegt. Von hier aus mar­schiere ich gut gelaunt den Kammweg entlang in Richtung Osten. Der herrliche Weg, teilweise schmal und unbequem, an manchen Stellen durch Geländer und in den Fels gehau­ene Stufen sicherer gemacht, führt mich zwischen Birken, Eichen und Eber­eschen durch ein wildromantisches Drunter und Drüber von aufeinander getürmten Fels­blöcken.
Die bizarren Sandsteinfelsen zwischen Blankenburg und Ballenstedt haben Filme­ma­cher immer wieder dazu animiert, sie als Kulisse für ihre Filme einzusetzen: Die Teu­felsmauer im Harzvorland hat dadurch bereits viele Rollen gespielt. So kann man sie in Filmem wie „Der Medicus“, „Die Päpstin“ oder in Til Schweigers „1½ Ritter“ wie­der­erkennen [].
Bei aller Schönheit – eine kleine Enttäuschung bleibt mir nicht erspart. Denn ich kann das, was ich auf meiner Wanderung sehe, nicht im Entferntesten mit jenen Bildern in Einklang bringen, die mich vom Reiseführer und zahlreichen An­sichts­karten angelacht haben. Ich gehe und gehe, bald bin ich eine Stunde unter­wegs, aber nir­gen­dwo sehe ich die hochragenden, bizarr geformten, frei in der Land­schaft ste­hen­den schroffen Felsreihen, die gewaltigen, zerklüfteten Felsbildungen, die fan­tas­ti­schen, hoch­ra­gen­den Klippen jener Fotos.
Als ich nach etwa zwei Stunden wieder am Ausgangspunkt ankomme, ist mein Appe­tit gewaltig. Die urige Ausflugsgaststätte "Großvater" lockt mich mit den def­ti­gsten Harzer Spezialitäten, die sich auf der Speisekarte nur so aneinanderrei­hen, sodass ich mich kaum entscheiden kann. Soll ich nun "Spaghetti Bolognese" neh­men, oder lieber "Frutti de Mare"? Und die Bandnudeln? Mit "Tomaten und Mozzarella über­ba­cken" oder lieber mit einer "Tomaten-Basilikumsauce"? Die "Fran­zö­sische Zwie­bel­suppe" lockt mich natürlich auch. Gar nicht zu sprechen von den altdeutschen Gerich­ten "gebackener Schafskäse", "gebackener Camem­bert" (letzterer immerhin mit Preiselbeeren) und "Currywurst". Als ich beim "Toast Hawaii" ankomme, bin ich einem Schreikrampf nahe. Warum nur ist in Deutschland jede Speisekarte ein Klon aller anderen? Muss ich nach Hawaii fliegen, um dem gleichnamigen Toast zu ent­kom­men? Schließlich einigen wir uns (mein Wunsch­den­ken und ich) auf "Schei­ter­haufen", hinter dem sich Bratwürste auf gestapelten Brotscheiben und Sauer­kraut verbergen.
Burg Regenstein
So anmutig der kleine historische Kern Altenburgs mit seiner beachtenswerten Ku­lis­se, dem großen Schloss auf dem Kalkberg "Blanker Stein", auch ist, so trostlos ist der Siedlungsbrei, der die Stadt umgibt. Zwischen Neubausiedlungen und Gewer­be­ge­bieten fällt es mir schwer, mich in der Wirrung von Sackgassen, Haupt- und Aus­fahrtstraßen zu orientieren. Es ist als ob die Moderne es darauf angelegt hätte, meine Sehnsucht nach unverwechselbaren Stadtlandschaften und gewachsener "Geschichte" böswillig zu zerstören. Da Hilft nur ein Zeitsprung zurück in die Ritterwelt.
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Burg Regenstein, früher Burgruine Regenstein Burgfrieden

Außer einem Turmstumpf und einer Anzahl in den Felsen eingehauener Gänge und Räume ist von der ehemals stolzen Burg Regenstein leider nicht viel übrig geblieben. Von der Ferne erkennt man die Burg kaum noch als solche. Man meint lediglich, einen ansehnlichen Sandsteinfelsen vor Augen zu haben.

Auch um den Regenstein ranken sich Geschichten und Sagen. Die Regensteiner Grafen waren als gewissenlose Raubritter berüchtigt. Immer wieder überfielen sie benachbarte Burgen und friedliche Kaufleute, um sie zu berauben.
Von einem der Grafen des Geschlechts wird erzählt, dass er eine der schönsten Jungfrauen des Landes aufgriff, auf die Burg verschleppte und ins Verlies warf, weil sie seine Liebe verschmähte. Bei Wasser und Brot sollte sie lernen, sich seinem Wil­len zu beugen. Sie aber blieb standhaft und wehrte alle Zudringlichkeiten ab. In Blan­kenburg aber wusste niemand, wo sich das Mädchen befand, und als alles Suchen und Nachforschen erfolglos blieb, hielt man sie für tot. Nur der Graf selbst und der alte Wärter, der ihr das Essen brachte, wussten, dass sie noch am Leben war.
In einer kalten und stürmischen Nacht meinte das Mädchen, den Sturm tosen zu hören, und kam dadurch auf den Gedanken, dass die Mauer ihres Kerkers vielleicht gar nicht so dick sei. Vielleicht könnte man sie sogar durchbrechen? Ihr fiel der Ring an ihrer Hand ein, der mit einem Diamanten besetzt war. "Diamant ist härter als Stein" dachte sie und begann sogleich an der Wand zu kratzen. Und in der Tat, das Felsgestein war nicht sehr fest und es rieselte in feinem Staub zu Boden. Von nun an kratzte und schabte sie unaufhörlich und nach vielen Monaten gelang es ihr tat­säch­lich, ein schmales Loch nach draußen zu bohren, durch das Licht und Luft in ihr Ver­lies eindrang. Als sie durch das Loch erstmals die Sonne sah, weinte sie vor Freude.
Von nun an arbeitete sie noch härter, sodass viele Monate später die Öffnung endlich so groß war, dass sie sich hindurchzwängen konnte. Beim nächsten Sonnenaufgang schlüpfte sie durch den schmalen Spalt in die Freiheit. Doch sie stand erst auf einem schmalen Felsvorsprung, während vor ihr der steile Abgrund gähnte. Dennoch gelang es ihr, mit dem Mut der Verzweiflung, unver­sehrt den festen Boden zu erreichen.
Ihre Angehörigen waren überglücklich darüber, das Mädchen wieder in die Arme schließen zu können. Gleichzeitig waren sie aber erbost über die böse Tat des Grafen und gelobten Rache. Eines Nachts stürmten sie die Burg und wollten den Grafen ge­fangen nehmen. Diesem aber gelang im letzten Augenblick die Flucht. Er hatte sich in eine Bettdecke einschnüren und an der steilen Felswand abseilen lassen.
Die Kraniche
Es ist düster geworden. Ein eisiger Wind lässt mich erschauern. Weit oben im Grau des Himmels zieht eine Schar Kraniche (oder was ich dafür halte) in Formation vor­bei. Es ist erstaunlich, wie manchmal völlig unbedeutende Vorkommnisse in der Lage sind, mich aufzuwühlen und mich in Welten der Fantasie zu bringen. Spontan fällt mir Schillers Gedicht ein [] und eine starke Ergriffenheit erfasst dabei mein ganzes Wesen.
"Sieh da! Sieh da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibykus!" -
Und finster plötzlich wird der Himmel,
Und über dem Theater hin
Sieht man in schwärzlichtem Gewimmel
Ein Kranichheer vorüberziehn.
Zugegeben: Diese finstere Szene spielte sich in Griechenland ab, nicht im roman­ti­schen Harz. Doch sie drückt auf vollendete Art die außergewöhnliche Stimmung aus, in die mich der Anblick dieser Vogelschar versetzt hat.