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Harzer
Schmalspurbahnen |
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Die Harzer
Schmalspurbahnen |
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Cecile
von Theodor Fontane |
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Freitag, 12. Oktober |
Obwohl die Wetterdienste
ein regnerisches Wochenende angekündigt haben, heitert
mich der erste morgendliche Blick durchs Fenster geradezu
auf. Der Himmel ist außerordentlich klar und
von einem tiefen, erquickenden Blau. Freilich, lange kann
ich nicht frohlocken, denn kaum habe ich zu Ende gefrühstückt,
schon kommt ein frischer Wind auf, und mit ihm eine
nichts Gutes versprechende dunkelgraue Front von den Bergen.
Ich muss an Herrn Vogels Bemerkung denken, laut der Schönwetter
am Vormittag in dieser Jahreszeit meist Regen
am Nachmittag zur Folge hat. Mit dieser nicht gerade
erfreulichen Wochenendeperspektive mache ich mich auf
die Fahrt. |
Schierke |
Wenn mich das Ambiente
eines Ortes bezaubert und die Situation, in der ich "Wetter"
erlebe, nicht alltäglich ist, dann kann es noch so
düster sein, noch so regnerisch, grau und vordergründig
trüb, ich kann trotzdem von einer belebenden, die
Sinne erweckenden Empfindung berührt
werden. Als ich mit geöffneter Daunenjacke
aus dem Auto steige, geht ein Kälteschauer durch
mein Hemd. Der in Böen auftretende Wind weht mir
den Schal um den Hals, und winzige Tröpfchen streicheln
mir das Gesicht. Kein wirklich nasser, unangenehmer
Regen, nur ein kitzelndes Etwas, das der Haut einen Existenznachweis
verschafft. Es ist ein sinnliches Erlebnis, wie auch das
leichte Frösteln, das mir eine Ahnung von Winter
vermittelt und, zusammen mit der Sehnsucht nach einer
warmen, gemütlichen Stube, eine ganz unerklärliche
Heimatanmutung in die Gedanken treibt. |
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Die Harzer Schmalspurbahn |
Heimelige Ecke in Schierke |
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Die vermeintliche
Leere des Ortes ist trügerisch. Denn zum einen ist
es Wochenende, zum anderen haben in Sachsen-Anhalt gerade
erst die Herbstferien begonnen. So bleibt, trotz der hohen
Dichte an Gästequartieren, meine Zimmersuche zunächst
erfolglos. Allein, weiterfahren kommt nicht
in Frage, so sehr gefällt es mir hier, so sehr faszinieren
mich die Waldlandschaft, der Wind und sogar
das Düstere und Graue des Himmels, das ab und zu
einen Sonnenstrahl durchlässt, welcher Fachwerkhäuser,
Jugendstil-Villen und Hexenhäuschen in satten
Farben aufleuchten lässt. Ich bin – wie so oft –
in die Falle getappt, die Weit-weit-weg-Stimmung hat mich
fest im Griff.
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Schließlich
finde ich doch noch eine Unterkunft. Der großen
Ferienwohnung im Tiefparterre fehlt es zwar an Aussicht
und Charme, aber an diesem "beklopptesten Wochenende"
des Jahres muss ich mich wohl damit zufrieden geben. |
Ausgepackt, fünfzig
Schritte gegangen, und schon sitze ich im "Brockenstübchen",
das zum Glück keines jener Lokale modernen Zuschnitts
ist, in denen man sich fragen könnte, ob man
gerade in Berlin, Buxtehude oder Mailand sei. Die ländlich-rustikale
Einrichtung ist zwar nicht ganz stilecht, aber gemütlich
[].
Gelegentlich setzen ein paar Sonnenstrahlen
Akzente in den eher schummrigen Raum. Das Schwarzbier,
die mollige Wärme der Gaststube, das leise Geschirrgeklapper
aus der Küche und die sanfte Musik, die aus dem Radio
kommt, wiegen mich bald in eine leichte Müdigkeit
und Gleichgültigkeit. Fast fallen mir die Augen zu.
Das anrüchige Leben von Fontanes Cecile hat
keine Chance mehr, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. |
Auf,
auf Kamerad! Draußen spielt das Wetter Theater,
bläst der Wind. Man hört ihn, wie er rauscht,
man sieht ihn in den Ästen und im Gewirbel der toten
Blätter, die wenige Zentimeter über dem Boden
Ringelreihen tanzen. Schnell noch einen Schierker
Feuerstein [
Der Schierker
Feuerstein ist ein sehr bekannter Kräuter-Halbbitter-Likör,
den einst ein Schierker Apotheker erfunden
hat. |
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] und ich bin draußen. |
Die Dampflokomotive |
Der Weg zum Bahnhof,
der etwas höher als der eigentliche Ort liegt, ist
ein wenig steil und führt durch einen dichten Wald.
Als ich oben ankomme, düstert es bereits wieder.
Das Grau wirkt bedrohlich. Und als ob sich dieses Bedrohliche
noch steigern möchte, zerreißt plötzlich
der hohle und langgezogene Pfiff einer Dampflok die Stille.
Es geht mir durch Mark und Bein. Alfred Hitchcock hätte
es nicht gruseliger inszenieren können.
Bald ist auch das Schnaufen und Stöhnen der Lokomotive
zu vernehmen. Auf einen Schlag bin ich wieder Kind
und warte mit neugierigen Augen auf das Eintreffen des
fauchenden und zischenden Feuerdrachens. |
Die Harzer Schmalspurbahnen,
die auf Europas größtem Schmalspurnetz (131
km) täglich Tausende Besucher durch die Harzlandschaft
befördern, verfügen über einen Fahrzeugpark
von 25 Dampflokomotiven, 6 Triebwagen, 16 Diesellokomotiven
und eine Vielzahl historischer Personenwagen. Die beiden
ältesten Dampflokomotiven wurden im Jahre 1897 gebaut.
Das führte 1972 dazu, dass das Gesamtensemble der
Harzer Schmalspurbahnen als ein lebendiges Zeichen
für Eisenbahntechnik und Ingenieurkunst unter
Denkmalschutz gestellt wurde! |
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Alter Glockenturm (Schierke) |
Im Bahnhof Schierke |
Kleines Café in Schierke |
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Ich gehöre keinesfalls
zu jenen Männern, die sich bis ins Erwachsenenalter
leidenschaftlich mit Modelleisenbahnen beschäftigen,
ganz im Gegenteil: Märklin ist (fast) ein
Fremdwort für mich. Weder hat jemals eine Modellbahnanlage
den Fußboden meines Kinderzimmers eingenommen, noch
hat es mich in ein Eisenbahnmuseum gezogen; und das Fachsimpeln
über Tenderlokomotiven, Baureihe 80, und deren Überhitzungsheizfläche,
Zylinder Durchmesser, Kolbenhub und maximale
Achslast ist mir ein Gräuel. [] |
Das soll aber keinesfalls
heißen, dass ich der Faszination einer Technik nicht
erliegen kann. Sie muss aber meine Neugierde ansprechen,
mein Gespür für Geschichte, und intensiv
mit all den Sinnen erlebbar sein. Wie viel flammen- und
dampfumtobte Romantik verbinde ich
mit einer Dampflokomotive mit ihren hin-
und herzuckenden Kolben und Stangen, mit der
imposanten Rauchsäule, die aus ihrem Schornstein
steigt. Wie nüchtern und automatenhaft mutet – trotz
seiner ungeheuren Vorteilen – ein elektrischer Bahnbetrieb
gegenüber den mit der weißen Dampffahne beseelt
durch die Landschaft dahinziehenden "schwarzen"
Lokomotive. |
Als sich der Zug
wieder in Bewegung setzt, der im Kessel erzeugte Dampf
über den Schornstein und die Zylinderventile in die
Umgebung schießt und die Antriebsstangen beginnen,
sich in schneller werdendem Schlag hin und her zu bewegen,
bin ich dem Schauspiel völlig ausgeliefert. Ich höre
und spüre mit allen Sinnen die geballte Energie,
den Duft des Rauches, das Zischens des Dampfes und die
Vibration der Lokomotive. Fast könnte
ich meinen, den Druck und die Temperatur im Kessel zu
spüren. Ein Schauer fährt mir über den
Rücken. |
Das Mädchen aus dem Café |
Der Himmel ist wieder
klar. Licht durchflutet das gemütliche kleine Café
mit seinen herumfliegenden Hexen. Ich bin der einzige
Gast und fest dazu entschlossen, mich bei einer Tasse
Kaffee wieder in Fontanes Roman zu vertiefen. Als mir
Caroline – ich nenne sie nur so, weil sie mich entfernt
an die Schauspielerin Carrol Baker [] erinnert – den hausgemachten Apfelkuchen empfiehlt,
lasse ich mich bereitwillig in ein Gespräch verwickeln.
Die Mimik ihrer sinnlichen Lippen und ihre geringfügig
hervorstehenden Zähne geben ihrem Ausdruck eine
Hauch von Heiterkeit, als würde sie beständig
und sanft lächeln. Sie ist Anfang dreißig,
sieht aber wie Anfang zwanzig aus. Eine dieser Blondinen,
die etwas unbeholfen und unsicher wirken, zugleich aber
offen und herzlich. Sie bringt mich völlig von meiner
Absicht ab, mich mit "Cecile" zu befassen, dieser
anderen Frau, deren Schönheit ich mir hautnah vorstellen
kann, so eindringlich ist Fontanes Schilderung. Von Caroline kommt mir eine Lust zu sprechen entgegen, eine Freude
am Kontakt, die ich nicht erwartet habe. Manchmal bekommt
man ja gerade noch eine gequälte – wenn auch formal
höfliche – Antwort. Nicht, dass ich mich persönlich
gemeint fühle. Es ist einfach nur ihre Art. |
Ihre Haut ist von einem unglaublich zarten Weiß,
mit Nuancen von Rosa, die sie fast durchleuchten lässt.
Eine Haut ohne Makel, wie Seide, ein Traum, sie zu streicheln.
Ein kaum provokantes Dekollete, das aber dieses Zarte,
Weiche weiterführt und unaufdringlich etwas zeigt,
was die Fantasie weiterspinnen könnte, indem sie
ihren Körper "sichtbar" macht. Und dennoch
ist es nicht allein die erotische Ausstrahlung,
die ihr Wesen ausmacht und mir ihre Anwesenheit und
den flüchtigen Kontakt so angenehm macht. Denn
ich sehe sie auch als lebensfreudigen jungen Menschen,
ein tochterähnliches Wesen, das man einfach nur
gerne in seiner Nähe hat, ein Klirren und
Klimpern und Gurgeln und Zwitschern der Sprache, ein
Bild, von dem man die Augen nicht weglassen kann. Was
sie mir von sich erzählt, ist schnell wieder vergessen.
Verbringt sie nicht gerne die Ferien in Husum an der
Nordsee? Mag sein. Aber sie könnte wer weiß
was erzählen, ich höre ihr zu und sehe sie
gern an, das ist es.
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Nach dem Abendessen |
Als ich, gesättigt
und entspannt, vom Restaurant "Zur Klippe" zurück
in den Ort spaziere, nieselt es in kleinen eisigen
Nadeln. Entlang des schmalen, in einem Wäldchen verlaufenden
rutschigen Pfades, der zur Kalten Bode hinunter und über
diese hinweg wieder bergauf zur Hauptstraße führt,
ist es gruselig dunkel, nur das fahle Licht vereinzelter
Laternen führt meine Schritte. Begleitet von den
geisterhaften Schatten der Baumstämme wird mein eigener
Schatten jedes Mal lang und länger, wenn ich mich
von einer Laterne entferne, um beim Erreichen der nächsten
einen Augenblick lang ganz zu verschwinden.
Dann wiederholt sich der Spuk in gleichmäßiger
Folge, was einen geisterhafter Tanz der Schatten zwischen
den Bäumen entstehen lässt, der mich in gespenstischer
Bosheit zu bedrohen scheint, während der stärker
werdende Regen mich immer mehr durchnässt. Ich
liebe das! |
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