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Intermezzo in
Padstow |
Im Laufe des Tages
löst sich das Grau des Himmels allmählich wieder
auf und lässt auf eine Rückkehr des sonnigen
Wetters hoffen. Wir fahren zuerst zu einem kleinen Ort,
der uns von John (in Brixham) heiß empfohlen wurde.
Zweifelsohne wäre das Fischerdorf Padstow ein Schmuckstück
von einem Dorf, wäre da nicht die größte
Ansammlung von Touristen, die wir auf unserer Reise bisher
erlebt haben. |
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Wir müssen -zig Mal
im Kreise fahren, bevor wir einen Parkplatz finden. Dann
reichen uns (jedenfalls mir) eine Runde durch die überfüllten
Gassen, ein kurzer Spaziergang an der Hafenfront und ein
kleiner Imbiss, und schon ist der Bedarf erfüllt.
Ich bin entsetzt über die Mengen, die jede freie
Fläche zu einem überfüllten Aufzug umfunktionieren,
sich gegenseitig auf die Füße treten und in
Scharen an jeder Ecke aus fettigem Papier das englische
Nationalgericht mampfen. Preisrätsel: Von welchem
Gericht ist hier die Rede? Also zieht es uns bald weiter
in Richtung Westen. |
Newquay |
Es ist für mich eine
Überraschung, zu erfahren, dass England eine ziemlich
aktive Wellenreiter-Nation ist. An der Nordküste
Cornwalls liegt das Städtchen Newquay, das
im Sommer von Touristen überschwemmt wird und, wegen
der Atlantik-Brandung und des beständigen guten
Wetters, ein wichtiges Zentrum des Surfsports ist. Wunderschöne
Landschaft, relativ warmes Meer und gute Swells machen
einen Abstecher in diesem Ort zum Muss für die Anhänger
dieses Sports.
Der Himmel hat
wieder "nordische" Klarheit angenommen, und
das verstärkt, neben der herrlichen Atmosphäre,
die vom großen weißen Strand ausgeht, und
der traditionellen Architektur aus der Zeit
König Edwards, die Anziehung, die Newquay auf mich
ausübt. Und weil wir überdies beide des Fahrens
satt sind, machen wir uns auf Hotelsuche. |
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Erstaunlich: Die eher schäbige
Bed-and-Breakfast-Herberge ohne Bad im Zimmer an der lauten
Straßenecke kostet nur 7 Pfund weniger als das aparte
Hotel, in das wir uns schließlich einquartieren.
Dort gibt es sogar ein kleines Schwimmbad. |
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Im "blauen" Abendlicht
genieße ich den Ort in vollen Zügen. Julian
sucht ab und zu die Straßen nach Spielsalons ab
(es gibt noch mehr davon als in Brixham), fühlt sich
aber auch, wie ich, angezogen vom quirligen Leben, das
sich in den Straßen, wie in einer Theaterdarstellung,
abspielt. Auch hier scheint das Publikum eher ein einfaches
zu sein, was an den reichlichen Tätowierungen, Piercings,
Ohrringen und protzigen Halskettchen zu erkennen ist.
Viele hübsche Mädchen laufen trotz des kühlen
Abends mit freiem Bauch umher, jedes drittes freilich
mit nicht gerade anziehendem Übergewicht. |
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Mit dem Essen
haben wir das gleiche Problem wie immer: Es gibt fast
nur Schnellimbissbuden und Massenrestaurants,
die identische Gerichte auf der Speisekarte anbieten.
Diese werden dann häufig aus den üblichen fettigen
Einwickelpapieren oder Styroporboxen auf
der Straße verzehrt. Selbstverständlich gibt
es kaum etwas ohne chips and peas als Beilage.
Was also besser, als wieder zum Inder zu gehen? Wo wir
ein ausgezeichnetes Chicken Tikka Tandoori in angenehmer
Atmosphäre genießen. |
Das Meer hat bis
zum Abend den riesigen Strand völlig eingenommen.
Wo bei Ebbe noch die unendliche Sandfläche war, tost
jetzt bedrohlich der Ozean. Er spritzt zur Freude von
Kindern und Erwachsenen seine Gischt bis auf den Spazierweg. |
Dienstag, 23.
August |
Ruhiger Tag in
Newquay |
Reisemüdigkeit hat sich
bei uns eingeschlichen. Unsere Energien reichen gerade
noch aus für einen langen Spaziergang entlang der
Strände und der Steilküste Newquays, was nur
einen winzigen Ausschnitts des South West Coast Path
ausmacht, des Weitwanderwegs im Südwesten
Englands, das mit seinen fast tausend Kilometern der längste
Großbritanniens ist. Der Name allein reicht schon
aus, um meine grauen Zellen anzuregen: Meine Einbildungskraft
zeigt mir dann eindrucksvolle Küstenabschnitte
mit hohen Klippen, ruhigen Buchten und malerischen
Fischerdörfern und ich sehe mich schon, wie
ich nasstriefend, erschöpft und mit schwerer Last
auf dem Rücken abends an der Tür einer Herberge
klopfe. |
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So weit soll es heute nicht
kommen. Wir spazieren nur gemächlich an den riesigen
Stränden vorbei, die in der Flut völlig verschwinden,
aber tagsüber während der Ebbe Ziel zahlreicher
Menschen und vor allem Surfer sind. Uns Mittelmeerverwöhnte
lockt es bei diesen Wassertemperaturen
und dem kühlen Wind ganz und gar nicht in die Fluten.
Während an der Nordsee Strandkörbe dem Windschutz
dienen, so sind es hier die Strandmuscheln (halboffene
Zelte) und auf senkrechte Stangen gespannte Paravents,
die den großen Fistral beach in einen bunten Fleckerlteppich
verwandelt. |
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Nach dem ausgedehnten
Spaziergang machen wir es uns eine Weile im Hotel beim
Lesen gemütlich. Erst gegen Abend mischen wir uns
wieder unters Urlaubervolk. Während ich mich ausschließlich
beim "people watching" amüsiere,
lässt sich Julian ein letztes Hüpfvergnügen
in einer Spielhalle mit Dancing Stage Euromix (einer
Variante von Dance Dance Revolution) nicht nehmen.
Das ganze Ortszentrum ist überzogen von
einem nicht zu entfliehenden Friteusengeruch, der uns
Hungrige allerdings nicht zu fish & chips lockt,
sonder wieder beim Inder landen lässt. |
Nach dem vorzüglichen
Essen zieht es uns wieder ans Meer, das abermals wild
rauschend den Strand eingenommen hat. In der Brandung
tummelt sich heute eine Gruppe Jugendlicher in Neopren-Anzügen.
In Gegenlicht der Uferpromenadebeleuchtung
wirken sie wie geisterhaft tanzende Marionetten. |
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