London und Südengland - Reisebericht von Bernd Zillich
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Südengland
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Montag, 15. August
Windsor Castle
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Das Wetter wird zunehmend schöner. Wir fahren zuerst die gleiche Straße ent­lang, die wir nach Kew gefahren sind, dann weiter nach Windsor, um ein weiteres "Muss" einer Südengland-Reise zu würdigen. Der Ort selbst ist ansprechend, aber die McDonald's- und Pizza-Hut-Restaurants, Starbucks-Coffeeshops und ähnliche Tempel des Fast Food müssten mich zu denken geben, dass wir uns in einen Treffpunkt von Menschenmassen begeben.
Schloss Windsor ist die größte bewohnte Burganlage der Welt. Schon seit mehr als 900 Jahren ist es eine der offiziellen Residenzen der britischen Königsfamilie. Die meisten Monarchen nutzten Windsor als ihren Zweit­wohnsitz neben Buckingham Palace. Wenn die Königin nicht anwesend ist, kann das Schloss besichtigt werden.
Die Sicherheitskontrolle für den Zugang auf das Gelände ist so gründlich wie in einem Flughafen. Alle Besucher müssen durch einen Metalldetektor und Taschen und Geräte müssen auf das Förderband, wo sie mit einem Röntgenapparat durch­leuchtet werden. Dennoch, so lese ich, gelang es 2003 einem als Osama bin La­den verkleideten Kabarettisten, alle Sicher­heitskon­trollen zu umgehen und wäh­rend der Geburtstagsfeier von Prinz William vor den versammelten Royals die Bühne zu stürmen.
Leider herrscht im Inneren der Gebäude Fotografierverbot. Ich versuche zwar trotzdem, heimlich zu fotografieren, werde aber dadurch bestraft, dass die Bilder, die ich unauffällig in der Saint-George's-Kapelle (wo Charles und Camilla ihren Hochzeits-Segen empfangen haben) knipse, verwackelt werden. Weshalb das Fotografieverbot besteht, kann ich nur ahnen. Vermutlich will man die kommer­zielle Verwertung vermeiden, damit man nur selbst von den Verkaufserlösen von Büchern und Ansichtskarten profitiere. Schließlich ist das Königshaus ja so arm.
Die Menschenmassen, die sich durch die Räumlichkeiten drängen, beein­drucken mich (im Negativen) mehr als die pompösen Gemächer dieser Herrscher. Im Glanz der kostbar ausgestatteten Zimmer sehe ich in erster Linie die eitle Selbst­inszenierung der Mächtigen. Sie waren Ausdruck von höchstem Luxus und sollten die Bedeutung der Souveräne und deren Land spiegeln. In den übergroßen, prunk­vollen Bildern der Ahnengalerie sehe ich Parallelen zu den Rad schlagenden Pfauen und dem Balztanz der Auerhähne.
Henley
In Henley, einem malerischen Städtchen an der Themse, das für einen der gesell­schaftlichen Höhepunkte des Jahres für die englische Oberschicht bekannt ist, die sommerliche Henley Royal Regatta, machen wir unseren nächsten Halt. In einer Art Biergarten mit Blick auf die Themse essen wir zu Mittag. Julian versucht es mit Bacon Steak and Champignon Pie, ich mit Asparagus-Quiche. Als Beilagen natür­lich frites und dazu ein herrliches "Lager"! Wir sind uns einig: Nie wieder englisch essen.
Oxford
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Irgendwie erinnert mich unsere Ankunft in Oxford an das, was ich vor einigen Jahren in Pamplona erlebte. Ich war damals auf der Suche nach dem Tou­ris­ten­informationszentrum. Ich fuhr erst in die eine Richtung, dann in die andere, kutschierte in der Geraden und im Kreise, bewegte mich zum Zentrum hin und wieder hinaus, kam öfter meinem Ziel näher, aber nur um gleich wieder in der Tangente hinausgeschleudert zu werden. Heute brauchen wir allein eine Drei­vier­telstunde, um einen einigermaßen zentralen Parkplatz zu finden.
Weil wir aber auch eine Unterkunft brauchen, beginnt zu unserem Leidwesen noch eine weitere, stundenlange Suche nach einem angemessenen Hotel. Erst nach langem Umherirren und dank der Hilfe einer freundlichen älteren Dame kommen wir schließlich zum Erfolg ver­spre­chen­den Hinweis. Dank ihren Anweisungen fin­den wir an der südlichen Ausfahrtstraße (keine Viertelstunde Fußweg vom Zen­trum) im gemütlichen Isis Guest House zu einem vernünftigen Preis ein großes, helles Zimmer. Leider nur mit Gemein­schafts­bad auf dem Gang. Aber wir sind des Suchens müde.
Im Zimmer - wie könnte es im Vereinigten Königreich auch anders sein - steht ein Wasserkocher auf dem Tisch und all das, was man zur Teezubereitung braucht: Tassen, Teebeutel, Zucker, Milch. Schade, dass ich noch kurz davor behauptet habe, für die Engländer sei die Zubereitung des Tees zu wichtig, fast einer reli­giösen Zeremonie gleichend, als dass sie etwas so Profanes wie Teebeutel ver­wen­den würden. Das waren, so zu sagen, meine letzten berühmten Worte!
Einen Tee trinken, uns frisch machen, dann zieht es uns in die Stadt. Obwohl ich wegen einer Blase auf der Fußsohle kaum gehen kann. Nach all dem Fahr- und Suchstress ist für heute nicht mehr drinnen als ein gemütliches Abendessen. Natürlich nicht "englisch"! Wir lassen es uns in einem chinesischen Restaurant, dem Café Opium, schmecken.
Dienstag, 16. August
Das berühmte englische Frühstück - eine Kalorienorgie: Scrambled eggs (Rühr­eier), Bacon (Frühstücksspeck), Beans (Bohnen), Sausages (Würstchen - auf die wir allerdings verzichten), Cereals (Cornflakes). Rasch entfernen wir die Toast­brotscheiben unter den Rühreiern, bevor sie noch feuchter und schlabbe­riger werden, als sie bereits sind!
Unsere erste Besichtigungsrunde gilt dem recht überschaubaren Stadtzentrum, der Suche nach Mitbringseln und dem Beschaffen von Ansichtskarten. Danach führt uns die ungestillte Sehnsucht nach der typischen "englischen" Küche in ein Kentucky Fried Chicken Schnellrestaurant.
Damit wir nicht weiter ziellos und ahnungslos an den vielen Bauten und Sehens­würdigkeiten der Stadt vorbeimarschieren, nehmen wir an einer geführten Stadt­rundfahrt teil. Zu diesem Zweck braucht man nur an einer der speziell dafür vor­gesehenen Haltestellen auf einen der offenen roten Doppeldecker-Bussen zu stei­gen. Man kann an jeder Stelle hinzusteigen oder aussteigen, auch mehrmals die ganze Runde mitmachen.
Sehr viele Einblicke in die Geheimnisse Oxfords kann uns der bärtige Mann am Mikrophon, der eher wie ein alter Seebär als wie ein "Guide" aussieht, leider nicht vermitteln. Obwohl er laut und deutlich spricht, kann ich ihm wegen seines starken dialektalen Einschlags, der mich an Australien denken lässt, nicht immer folgen. Jedenfalls bleibt bei mir von seinen Erläuterungen, außer die Namen der verschie­denen Colleges, an denen wir vorbeifahren, nicht viel hängen.
Dass das in Australien gesprochene Englisch eine Ähnlichkeit mit Cockney hat, dem näselnden Dialekt der Londoner Unterschicht, ist nicht verwunderlich. Schließlich waren die ersten Bewohner des fünften Kontinents Sträflinge, die vor über 200 Jahren zur Zwangsarbeit dorthin deportiert worden waren.
Am Busbahnhof gibt es einen Führerwechsel. Jane ist eine freundliche, gebildete alte Dame, die einen ganz anderen Background vorzuweisen hat, und die uns viel mehr geschichtliche Hintergründe näher bringen kann. Aber was nützt es mir? Fünf Minuten später werde ich sowieso nur noch wenige Details in Erinnerung ha­ben. Dass Oxford, beispielsweise, nach Bologna und Paris, die drittälteste Uni­ver­sität der Welt beherbergt, und dass die (laut den Oxforder Lokalpatrioten farblose) Uni­ver­sität Cambridge erst viel später gegründet wurde.
Früher, erzählt sie, durften hier nur Männer immatrikuliert werden. Sie erzählt da­bei die Anekdote von einem Professor, der, als er im Hörsaal eine Frau sah, die Vorlesung abbrach - der Muff von tausend Jahren lässt grüßen.
Immerhin kann ich jetzt den Begriff "College" besser einordnen. Bei der Uni­ver­sität Oxford sind die Colleges etwa für die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Studenten zuständig und übernehmen mit der Bereitstellung von Mensen, Studentenwohnheimen, Gemeinschaftsräumen, Bibliotheken oder Sport viele Aufgaben. Außerdem übernehmen sie beispielsweise durch Tutorien auch Teile der fachlichen Betreuung. Für die Vorlesungen und die Prüfungen in allen Fächern ist allerdings die Universität selbst zuständig.
Nach der Führung entspannen wir uns eine Weile bei Tee und Kuchen im kleinen Café vor der University Church St. Mary the Virgin. Dann wollen wir auf den Turm steigen. Einer der Touristen in der Schlange vor der Kasse behauptet, dass, falls man unter Klaustrophobie, Höhenangst oder Asthma leiden würde, man lieber die enge Wendeltreppe nicht hinaufgehen sollte. Wir bestehen aber die Probe und genie­ßen den Blick auf den Rundbau der Radcliffe Camera und die Stadt.
Zum Abschluss unserer Besichtigungsrunde gehen wir eine Weile den Fluss ent­lang, wo wir beim Beobachten der ungeschickten Versuche von jungen Leuten beim Umgang mit Boot und Stechruder ins Schmunzeln kommen.
Pünktlich zum five o' clock tea - ich könnte jeder Zeit Tee trinken - sind wir dann wieder im Guest House. Auf dem Tischchen warten ja wie gewohnt der Wasser­ko­cher, saubere Tassen, eine feine Auswahl an Teebeuteln, Zucker und Milchpulver auf uns.
Abends würden wir zwar allzu gern italienisch essen gehen, aber die Speisekarte, auf der "Pizza with marmelade" zu lesen ist, treibt uns doch wieder zum Chinesen.
 
  
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