London und Südengland - Reisebericht von Bernd Zillich
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Stonehenge
Stonehenge. Archäolo­gie, Geschichte, Mythos
 
Südengland
Dumont: Richtig Reisen Südengland
 
Pelham Grenville Wodehouse (1881-1975), gilt in der angelsächsischen Welt als der größte ko­mi­sche Autor des 20. Jh.
Wodehouse
Jetzt oder nie
Mittwoch, 17. August
Bei sonnigem, leicht diesigem Wetter fahren wir in Richtung Südwesten. Auf dem Weg nach Devon möchten wir ein weiteres touristisches Muss Südenglands be­sichtigen, die Steinkreis-Anlage Stonehenge in der Nähe von Salisbury. Sie ist aufgrund ihrer monumentalen Ausmaße und der unvorstellbaren Leistung der Erbauer, in der ganzen Welt bekannt.
In den Worten des für seine brillanten, witzigen Reiseberichte bekannten Schrift­stellers Bill Bryson: "So beeindruckend Stonehenge auch ist, ungefähr elf Minuten nach der Ankunft kommt der Moment, in dem man feststellt, dass man so ziemlich alles gesehen hat, was einen interessiert". Wir bleiben nur deshalb mehr als elf Minuten, weil ich darauf erpicht bin - nichts leichter als das -, äußerst originelle, einmalige Photos der Stätte zu machen, die mir zweifelsohne alle Bücher- und Zeitungsverlage nur so aus der Hand reißen würden. Wichtigste Voraus­setz­ungen wären allerdings: Ich müsste die Aussperrung der Touris­ten­mas­sen, die die Stätte kontinuierlich bevölkern, erwirken, mein Zelt hier auf­schla­gen, mehrere Monate bei jeder Tageszeit und Wetterlage hier verweilen und - enorm viel Glück haben. Dann erst könnte ich vielleicht die Bilder erhaschen, die Millionen Fotografen aus aller Welt vor mir noch nicht geschaffen haben.
Wir fahren weiter in einer flachen, in Dunst getauchten Landschaft, die so wenig "englisch" aussieht, dass man sich eben so gut in Italien wähnen könnte. Im Auto schwitzt man wie im heißesten Sommer. Kaum ist man aber draußen, merkt man, dass die Luft doch ein paar Grad kühler ist. Mittagspause in Mere, einem kleinen Ort irgendwo, den ich vermutlich nur mit Mühe auf der Landkarte wieder finden würde. Im "Tea Garden" eines kleinen Cafés sättigen wir uns mit exzellenten Schinken- und Thunfischsandwichs.
Je mehr wir uns der Südküste nähern, desto idyllischer wird die Landschaft. Da wir die Schnellstraßen vermeiden und, auch weil wir uns oft verfahren, meist auf kleineren Nebenstraßen fahren, offenbart sich uns das traditionelle England in all seiner Beschaulichkeit: Hecken, galerieartige Alleen, Straßen die sich stellen­wei­se derart verengen, dass man bei Gegenverkehr stehen bleiben muss und nur bei den entsprechend breiteren Ausweichstellen voran kommt.
Wie müssen wir lachen, als wir ein Auto vorbeifahren sehen, bei dem ein Hund am Steuer zu sitzen scheint. Denn wir vermuten den Fahrer selbstverständlich auf dem linken Sitz!
Sidmouth
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Unser erster Eindruck von Sidmouth: ein Altersheim! War Oxford von hübschen Jugendlichen bevölkert, so wechseln sich hier fast ausschließlich ältere Paare auf der Esplanade (Strandpromenade) ab. Sie sitzen schweigend in den angereihten Liegestühlen und lesen, ruhen sich aus, lösen Kreuzworträtsel. Die Liegestühle befinden sich - wohlgemerkt - auf der Esplanade, nicht auf dem Strand, wo nur wenige Menschen in Badekleidung verweilen und kaum jemand ins Wasser geht.
Die Bänke der Esplanade sind auch beliebte Pick­nick­stätten. In der Reihe sitzen ganze Familien mit aufgeklappten Styroporschalen beim Vertilgen von fettigem fish and chips. Chips ist übrigens die englische Bezeichnung für Pommes frites.
Die Straße zum Gästehaus, das uns vom Tourist Board vermittelt wurde, führt durch ansprechende Wohngebiete, die den Charme der Architektur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts fast ohne Einbußen beibehalten haben. An einer Stelle quert die Straße einen nicht überbrückten Bach, weshalb wir durch 15 cm tiefes Wasser fahren müssen.
Im Ryton Guest House angekommen, werden wir von den Inhabern Gail und Peter Bradnam aufs Herzlichste empfangen. Was uns überrascht, ist, dass von den ho­hen Preisen, die wir von London gewohnt waren, hier nichts mehr zu mer­ken ist. Für nur 25 Pfund pro Person und Tag - das üppige Früh­stück inbegriffen - be­kom­men wir ein geräumiges, helles Zweibettzimmer mit an­heimelndem Am­bien­te. Das Bad ist zwar nicht "en Suite", steht aber nur uns zur Verfügung und liegt direkt gegenüber unserem Zimmer. Selbstverständlich er­war­ten uns auch hier alle Zu­taten für einen kräftigen five o'clock tea.
Der leicht diesige Himmel ließe einen heißen Sommertag vermuten, aber als wir am späteren Nachmittag ausgehen, empfängt uns draußen ein kühles Herbst­lüft­chen. Der Wettervorhersage des Tourist board nach heißt es ja: "We are going to have a little bit of rain".
Es reicht uns ein kurzer Rundgang, um feststellen zu können, dass die Stadt kaum etwas für die Unterhaltung bietet. Schon gar nicht für die Jugend. Sie ist aus­schließ­lich da für ihre Schönheit und ihren Strand.
Als es Zeit fürs Abendessen ist, trauen wir uns wieder nicht, "englisch" zu essen, auch wenn der frittierte Kabeljau und die chips and peas vom Nachbartisch im Restaurant The Mocha sehr appetitlich aussehen. Einem "pie" gegenüber sind wir unseren Erfahrungen entsprechend besonders verschlossen. Schließlich ent­schei­den wir uns für "mexikanische" Gerichte: Tortillas mit Krabben und Mangos, bzw. Hühnchen.
Ein Spaziergang durch die Connaught Gardens und auf dem inzwischen men­schen­leeren Strand in der Abenddämmerung beschließt unseren er­leb­nisreichen Tag.
Donnerstag, 18. August
Das erste, was ich nach dem Aufwachen höre, ist das Jaulen der Möwen. Es hört sich fast wie ein Miauen an und ist nicht sonderlich melodiös. Es geht einem durch Mark und Knochen.
Wir mussten uns gestern den Wecker stellen, um rechtzeitig (um 8:30 Uhr) beim Frühstück erscheinen zu können. Diesmal sind die Spiegeleier auf einem in Fett ausgebackenen Toast gelegen, dazu gibt es Frühstücksspeck, ein paar Cham­pi­gnons und eine ziemlich abschreckend aussehende dunkle Bratwurst. Kalorien für den ganzen Tag! Als ich für den morgigen Tag eine reduzierte Portion (also ohne Bratwurst) bestelle, ist mir, als würde ich einen leicht ent­täusch­ten Aus­druck im Gesicht unserer Gastgeberin erkennen.
Unsere erste Begegnung mit dem englischen Humor: Beim Geldwechseln muss ich meinen Ausweis herzeigen. Als ich etwas verwundert nach dem Grund frage, kon­tert die junge Kassiererin mit einem Schmunzeln: "Ich verlange nur danach, weil ich so gerne über die Passfotos lache!"
Diesig bis grau wird der Tag. Denn das Wetter will sich partout nicht für einen reini­gen­den Regen entschließen. Wir schlendern durch den Ort zwischen Massen von alt­modisch, aber elegant angezogenen alten Menschen (auffallend viele von ihnen mit einer Gehhilfe) und schlecht angezogenen Kleinfamilien. Am Strand surfen ein paar Kinder, andere bauen Sandburgen.
Vor lauter Langeweile nehmen wir uns in den Connaught Gardens zwei Liegestühle und fragen uns, ob sie denn gebührenpflichtig seien. Dabei erleben wir wieder das Phänomen der "berühmten letzten Worte". Denn kaum hat Julian den Satz aus­ge­sprochen, dass wir wohl um das Bezahlen kommen würden, da kommt auch schon ein "Wärter" und kassiert 0,90 Pfund. Die aber dann für den ganzen Ort gelten.
Gegen Abend wird der Wind stärker und es beginnt zu tröpfeln. Das Wetter schlägt um, die Luft wird deutlich klarer. Wieder gehen wir am Strand spazieren, wieder essen wir im The Mocha Restaurant und zum erneuten Mal traue ich mich nicht den homemede cottage pie zu probieren. Aber immerhin ringen wir uns zu fish and chips durch. Deep fried battered plaice (Scholle) ich, filetted cod (Ka­bel­jau) Julian, natürlich mit chips and peas als Beilage. Und es schmeckt, wie es ausgesehen hat, - ausgezeichnet!
Ein letzter Strandspaziergang beendet unseren Aufenthalt in diesem entzückenden (aber ein bisserl langweiligen) Sidmouth.
 
  
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