Balkanreise  - Reisenotizen von Bernd Zillich   
   
 
   
   
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Balaton
 
Der Balaton
von Ivo Andric
 
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Donnerstag, 19. Juni
Balatonalmadi
Inzwischen ist es zur Tradition geworden, dass ich auf der Reise nach oder von Rumänien in Balatonalmádi übernachte, und zwar im sympathischen Hotel Viktoria. Und eben so sicher ist es, dass es mich abends unweigerlich ins Restaurant Liget zieht, wo ich in gepflegtem Ambiente den Blick auf den See genießen und meine Gedanken schweifen lassen kann.
Wie ordentlich ist dieses Ungarn, wie sauber, wie intakt, wenn man es mit der brutalen Zerstörung so vieler rumänischer Städte vergleicht. Kaum bin ich über die Grenze, schon meine ich, in einer anderen Welt angekommen zu sein. Zurück in Europa, in einer zivilisierten, gut funktio­nie­ren­den Welt. Rumänien scheint mir dann der tiefste, rückständigste Balkan zu sein.
Dabei war es gerade Europa, dass ich in jenem Land gesucht habe, das ursprüngliche, ländliche Mitteleuropa, wie es in der Zeit vor den großen Modernisierungen aussah, vor der Umwandlung durch die ame­rikanisierte Konsumgesellschaft. Dass einem in Rumänien auf der Straße noch Pferdefuhrwerke entgegenkommen, ist ein Wunder, das in Kürze verschwinden wird. Einst war das Pferd nicht wegzudenken aus der europäischen Landschaft. In nur wenigen Jahrzehnten ist es in die Rolle des Sportgehilfen für junge Mädchen gedrängt worden. So wie jene des Hundes fast ausschließlich die des Gesellschafters für einsame Städter geworden ist. Im "alten" Europa waren die Hühner noch nicht die gequälten, zu Tausenden dahinvegetierenden Geschöpfe. Die Katzen verfetten nicht faul auf irgend einem Diwan vor sich hin, sondern jagten noch Mäusen. Diese "natürliche", antike Lebensweise von Mensch und Tier, ist ein Gut, um das ich trauere, das ich sympathisch finde an Rumänien, wobei mir bewusst ist, dass es den meisten Rumänen gar nicht schnell genug gehen kann, all das aufzugeben und sich all den mentalen und materiellen Schrott der westlichen Welt anzueignen.
Ein Zauber liegt auf diesem Abend, einem Sommerabend des Südens. Jugendliche tummeln sich im Wasser, die Lichter des Ortes spiegeln sich im dunklen See. Die laue Nacht lässt all den Lebens- und Liebessehnsüchten der Menschen freien Lauf. Ein Kind fährt mit seinem Roller in einem sol­chen Tempo am Kai entlang und der Mutter davon, dass diese kaum mithalten kann. Die Szene wirkt auf mich, als wäre eine zweite Geburt des Kindes im Gange. Gerade noch hat ein Frauen­bauch ein Kind in die Welt gepresst, und schon läuft es davon, ein Symbol des Lebensrads, das sich dreht und dreht. Lieben, sich umarmen, Kinder bekommen. Und die Kinder wachsen schnell, schneller und bereits geht das Spiel von vorne los. Dort im Wasser liebkost sich vielleicht ein junges Paar.
An der Bootsanlegestelle schwirren Hunderte von Insekten um das Licht einer Laterne. Unsichtbare Fische schnappen nach deren Artgenossen an der Wasseroberfläche und erzeugen dabei ein leises Glucksen und Plätschern. Ein Fischer wirft seine Angel aus. Frösche quaken in lautem Chor irgend­wo im Schilfdickicht des Ufers. Wie ist mir dieser Ort ans Herz gewachsen! Das sporadische Ki­chern der Jugendlichen ist wie ein Hauch von heiler Welt. Ein alter Mann, der seine Angelruten auf dem Kai aufgestellt hat, macht mich – auf Deutsch - darauf aufmerksam, dass der Mond vor kur­zem aufgegangen ist, dunkelrot und voll.
 
 
 
 
     
         
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