Bananen: Geschichte - Anbau - Fairer Handel - Rezepte
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Baedeker Reiseführer Gomera
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Vom Rand der Welt:
Gomera Geschichten
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Tenerife and Its Six Satellites; or, The Canary Islands Past and Present
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Hermigua
Auf dem zweiten Blick gefällt mir dieser Ort
ganz gut. Ihm fehlt zwar ein richtiger Ortskern, da er sich über
mehrere Kilometer der stark befahrenen Hauptstraße entlang erstreckt,
aber dafür ist er in ausgedehnten, fast zusammenhängenden, alles
einschließenden sattgrünen Bananenplantagen eingebettet. Fast
jede zweite Banane der Insel stammt aus diesem Tal.
Die Wirtschaftsgeschichte Gomeras, so lese ich in meinem Reiseführer,
ist eine Geschichte von Monokulturen. Und derzeit sieht es ganz so aus,
als würde man die Monokultur Bananenanbau durch die Monokultur Tourismus
ersetzen.
Mitte des 19. Jh. eingeführt, können die kanarischen Bananen,
abgesehen davon, dass der hohe Wasserbedarf der Bananenstauden den Anbau
längst unrentabel gemacht hat, nicht mit den robusteren und
punkto Größe, Geschmack und Preis weit überlegen Früchten
aus Süd- und Mittelamerika konkurrieren.
Aber noch sind Bananenplantagen auf Gomera allgegenwärtig. Dass es
sie überhaupt noch gibt, liegt an den hohen Subventionen und Schutzzöllen
der spanischen Regierung. Auf Druck der EU-Mitglieder Spanien, Portugal und Frankreich gelten noch befristet Einfuhrbeschränkungen
für süd- und mittelamerikanische Bananen.
Hermigua - die Kirche
La Playa de Hermigua (Bananenplantagen)
Ohne diesen Absatzmarkt
hätte die kanarische Banane kaum noch Chancen. Zwar streitet man
sich noch immer heftig um Sonderregelungen und stufenweise Angleichung,
längerfristig ist das Schicksal des Bananenanbaus Gomeras jedoch
besiegelt.
Playa de Hermigua, Bar Piloto
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren,
in eine Geisterstadt gekommen zu sein. Links, neben der Straße, breitet
sich eine große Bananenplantage aus, die bis zum Strand geht;
rechts erheben sich die Fassaden leer aussehender Häuser, die zwar
keinesfalls verfallen sind, aber irgendwie an Verlassenheit und längst
vergangene Zeiten denken lassen. Kein Mensch, kein Lebenszeichen. Es mutet
gespenstisch an. Es ist
inzwischen zwei Uhr Nachmittag. Meine innere Uhr ruft nach tapas und siesta. Aber siehe da: Das Lokal, das bis vor wenigen Minuten noch "cerrado" (geschlossen) war, ist plötzlich offen.
Croquantes de pescado? – das klingt verdächtig
nach Fischstäbchen. Pollo al ajillo? Knoblauch in Ehren, aber
es muss nicht immer sein. Also nehme ich "cerdo al vino tinto"
(Schweinebraten in Rotwein).
Der Schweinebraten, begleitet von gebratenem Gemüse (Zucchini, Auberginen,
Paprika, Kartoffeln) ist vorzüglich, der vino tinto schwer, die südamerikanische
Hintergrundmusik wie geschaffen für die erhoffte Stimmung. Ein junger
Mann an der Theke klatscht rhythmisch die Hände dazu.
Plötzlich kommt Bewegung in die kleine verschlafene Bude. Aufgeregt
und mit roten Köpfen treten zwei deutsche Touristen ein und versuchen
mit Händen und Füßen den Barmann dazu zu bewegen, einen
Krankenwagen herbeizurufen. Drei Männer hätten einen Unfall gehabt
und mussten dringend ärztlich versorgt werden.
Erst allmählich stellt sich heraus, dass die Drei mehrmals von den Wellen
gegen die Felsen geschleudert worden waren und, von Panik erfasst,
fast ertrunken wären. Blutüberströmt hatten sie sich in allerletzter
Minute doch noch retten können und standen immer noch unter Schock.
Das deutsche Ehepaar hatte zwar dem Ganzen mit Entsetzen zusehen können,
sich aber nicht in der Lage gesehen, ihnen zu helfen.
Im näheren Gespräch erweist sich, dass die Männer gar nicht
im offenem Meer geschwommen waren, sondern in einem künstlich
angelegten Meerwasserschwimmbad. Plötzlich auftauchende, über
zwei Meter hohe Wellen hatten die Abgrenzung überwunden und die Drei
immer wieder gegen den Beckenrand geschleudert, und sie dann mit dem Rücksog
wieder unter Wasser ins Becken gezogen.
Hermigua - Landschaft
Das Meerwasserschwimmbecken
Die Aufregung im Bar Piloto ist groß. Jeder gibt mit erregter Stimme
seine Meinung zum Besten. Endlich: Zwei Anwesende erklären sich bereit,
die Verunglückten mit dem Auto zu einem Arzt zu bringen.
Ich lese im Reiseführer: "Der geröllige Strand macht nicht viel
her. Brandung und Unterströmung sind zudem rau und gefährlich.
Nahe den gespenstisch aus dem Meer ragenden Pfeilern der alten Bananenverladestelle
gibt es ein Meeresschwimmbecken" - und jetzt aufgepasst - "wo es sich ganz
ungefährlich plantschen lässt."
Langsam wird mir klar, weshalb
der Strand so leer ist, und weshalb Gomera die Exzesse des Massentourismus
erspart geblieben sind. Unten am langen Steinstrand brechen sich mit aller
Wucht die Wellen des Atlantiks. Sie sind nicht nur wegen ihrer Größe
so gefährlich, sondern auch wegen der Sogwirkung und den unberechenbaren
Strömungen, die schon manchen erfahrenen Schwimmer das Leben gekostet
haben – kein Ort für ungetrübte Badefreuden. Das "ungefährliche"
Meerwasserschwimmbecken wurde 1987 zwischen den Trümmern der alten Mole gebaut, um den Gästen
dennoch eine Möglichkeit zum Baden zu bieten. Wie viel Schutz freilich das nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel
gelegene Betonbecken vor der geballten Kraft des Meeres geben kann, hat sich mir heute eindrucksvoll gezeigt.
Die alte Mole, wo früher die Bananendampfer anlegten, war noch vor
wenigen Jahren die einzige Verbindung Hermiguas zur Außenwelt. In
der Bar Piloto (Lotse) warteten die Lotsen auf die Ankunft der Schiffe.
Heute ist von der Mole nur noch ein gründlich vom Atlantik benagtes
Gerippe übrig. Die Straße zur Verladestelle,
die bei den schweren Stürmen des Winters 1987/88 unterspült und
fortgerissen wurde, ist heute eine alte,
nur behelfsmäßig instand gesetzte und von Steinbrocken übersäte
Betonstraße, die weit oberhalb der
Brandung verläuft.
Pfeiler der alten Hafenanlage
Alte Fotos des Pescante von Hermigua
Die Hafenanlage (El pescante) von Hermigua wurde zwischen 1907 und 1908 erbaut und ist eines der bedeutsamsten Beispiele für Industriearchitektur in La Gomera. Sie wurde zum Export von Landwirtschaftsprodukten, hauptsächlich Tomaten und Bananen, sowie zum Personentransport in zwei Etappen erbaut. Aufgrund des Baus der Landstraße und des Hafens von San Sebastian kam die Anlage außer Gebrauch und wurde schließlich Ende der 1950er Jahre abgebaut.
Am Meerwasserschwimmbecken
Das genannte Schwimmbad ist noch immer von Wellen umspült. Und von
Zeit zu Zeit kommt tatsächlich
eine Reihe mächtiger, brausender Wogen, die das Becken und die vorgelagerten
Felsen vorübergehend
unter weißer Gischt verschwinden lassen.
Die Pfeiler der alten Mole stehen wie antike Tempelsäulen in der Brandung,
die Wellen rauschen und klatschen gegen sie und gegen die Mauern der Plattform,
während der Wind nur leise flüstert.
Einmal gingen hier Schiffe vor Anker, und schweißgebadete Männer
in verschmutzter und zerrissener
Kleidung hievten schwere Bananenstauden auf das Deck der anlegenden Frachter.
Heute lässt dieser Ort nur an längst vergangene Geschehnisse erinnern,
erzählt von Abenteuern, die es vielleicht
gar nicht gab und zwingt mich, über die Unerbittlichkeit der Zeit nachzudenken.
Im Reiseführer ist immer alles mit so nüchternen Worten beschrieben.
Die Bar ist also "mitten im Ortskern von Agulo, mit leckeren tapas und abends einer bescheidenen Auswahl gomerischer Gerichte. Dorftreff der
Einheimischen".
Mit eigenen Worten beschrieben sieht es dann so aus: Es ist das pittoreske
Ambiente, das allen meinen Vorstellungen von Spanien entspricht. Eine halbrunde,
in hellem Holz getäfelte Theke, ein hinter dieser stehender, etwas
grantig aussehender Wirt mit dickem, mexikanisch anmutendem Schnurrbart.
Von der Decke hängt ein ebenfalls halbrundes Gestell für die
Flaschen, die sich in ununterbrochener Reihenfolge aneinander reihen, Whisky
an Whisky, Schnaps an Schnaps. Auf der Theke rechts thront auf einem Gestell
ein prächtiger Schinken, dessen dezenter Geruch
Appetit anregend bis zu mir dringt.
Vom Dorftreff ist allerdings heute kaum etwas zu spüren. Anfangs sitze ich
ganz allein an einem der vier an die Wand gereihten Tische - sie stehen
wie in einem Amphitheater rund um die Theke -, später gesellt sich
am Nebentisch ein junges Touristenpaar dazu. Köstlich hört sich
ihre britische Variante des Spanischen an.
Ich nehme Gemüsesuppe und Tortillas. Und weil ich bereits in die hiesigen
Essgewohnheiten eingeweiht bin, löffle
ich fachmännisch auch etwas gofio in die Suppe.
Bei der Nachspeise angelangt, bestelle ich, obwohl ich keine Ahnung habe,
um was es sich handeln könnte, ein "dulce di pantana".
Was auf den Tisch kommt, sieht etwa wie in Palmenhonig schwimmende, geraspelte
Karotten aus, ist aber wegen der übermäßig starken Süße
nicht näher identifizierbar.
2. April
Hermigua
Im Schatten eines großen Lorbeerbaums auf dem Platz vor
der Casa de la Cultura in Hermigua erlebe ich einen entspannten, verträumten Augenblick. Es weht eine ausgesprochen
kühle Brise, und als mein Blick von den Häusern, die sich weiträumig
auf die Berghänge verteilen, bis zur Talsohle wandert, die wie ein grüner
See aus Bananenplantagen aussieht, erliege ich in dieser
"nordisch" klaren Luft dem Charme dieses kleinen Ortes. Es folgt der Beschluss, einen Ruhetag einzulegen.
Bar Piloto, 20 Uhr
Wieder die gleiche südamerikanische Musik, der
Blick aufs Meer, die Träume, die Illusionen, die eingebildeten Erinnerungen.
Atmosphäre ist alles. Abfahrende Schiffe, Matrosen mit gestreiften
Hemden, fremde Idiome, der Geruch von Abenteuer und Gefahr, Fernsicht
bis Wer-weiß-wohin, nach Mexiko, Brasilien oder Venezuela, la
octava isla! Die achte Kanareninsel, so nennt man jenes südamerikanische
Land, das von den dreißiger bis in die siebziger Jahre bevorzugte
Ziel jener Auswanderer war, die den spanischen Bürgerkrieg und
die darauf folgende Wirtschaftskrise flohen.
Die Bar ist von einem zarten, allmählich verschwindenden Licht überflutet.
Langsam leert sie sich. Schließlich bleibt noch eine
junge Frau mit träumendem Blick, die sich auf ein holpriges Gespräch mit ein paar Einheimischen einlässt.
Man überredet sie zu einem Schnaps. Sie strahlt und freut sich,
im Mittelpunkt zu sein, während sich die Männer als große
Verführer fühlen können.
Abends in Vallehermoso
Heute Abend zeigt sich mir das Dorf von seiner besten
Seite.
Der Abendwind ist lau, der Mond ist ein schmales D, und ein klarer Sternenhimmel
bricht zwischen den Wattewolken durch, denen das Mondlicht einen hell-leuchtenden,
verschwommenen Rand verleiht. Das Schwarz des Himmels hat noch lilagrüne
Nuancen. Alle Lichter sind bereits an, kaum Neon, nur das intim-warme
Orange von Fenstern und Straßenlaternen.
Zum letzten Mal einen Logenplatz für mein Konzert, geräuschvoll
wie immer. Laute, wie von plötzlich wildgewordenen, größenwahnsinnigen
Grillen. Es ist eine jener Szenen, die man nur erleben kann, aber niemals
beschreiben.
Morgen fahre ich zurück nach San Sebastian.
Wie immer kommt etwas Wehmut bei mir auf. Eine Reise ist für mich
stets ein Zusammentreffen von Anstrengung, Widrigkeiten, Überraschungen,
einigen großartigen, unvergesslichen Augenblicken
und unzähligen Details, die sich erst allmählich in der Erinnerung
fest setzen.
Wie der Aufstieg zum Roque Cano, als mir ein Gedanke plötzlich durch
den Kopf schoss: "Hier riecht es nach Feigen." Und tatsächlich: Ohne
ihn optisch wahrgenommen zu haben, war ich an einem Feigenbaum vorbeigegangen.