Reise Know-How Kauderwelsch Spanisch für die Kanarischen Inseln
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Auf den Spuren der Ureinwohner: Ein archäologischer Reiseführer für die Kanaren
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La Gomera: Wanderführer mit Tourenkarten, Höhenprofilen und Wandertipps
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Agulo
Agulo gilt als das schönste Dorf Gomeras und
bietet, von welcher Seite man es auch immer betrachtet, einen
äußerst pittoresken Anblick. Eingerahmt von beeindruckenden
steilen Felsen erhebt sich der Ort majestätisch fast 200 Meter über
das Meer, mit Teneriffa und dem in Dunst getauchten Teide als unübertreffbare
Kulisse.
Aus der Nähe betrachtet verliert Agulo jedoch etwas von dem Zauber,
den die weißen, eng beieinander liegenden Häuser
und die darunter gelegenen terrassierten Bananenplantagen ausstrahlen,
wenn man sie von oben betrachtet. Zwar haben bisher noch keine gesichtslosen
neuzeitlichen Betonklötze die Atmosphäre des kleinen, verträumten
Dorfes zerstört, aber neben den schönen weißen Würfeln
sieht man auch abbruchreife Ruinen, in manch einer romantisch anmutenden
Gasse parkt obszön ein Auto, gegen den Himmel ist ein Gewühl
von Drähten zu sehen, am Dorfrand Unrat, Autowracks, Verfall.
Durch das Dorf will ich hinunter zum Meer. Bald scheint es mir, als ob
ich die Stufen der Zeit hinabstiege. Ich steige langsam von Terrasse
zu Terrasse ab, taschentuchgroße Kartoffelfelder oder Bananenanbau
auf jeder Stufe. Der Pfad führt unaufhörlich hinab, und während
ich gedankenversunken hinunterstapfe, verliert sich mit jedem Schritt
das Heute weiter hinter mir.
Straßentunnel bei Agulo
Agulo
Aussicht von Agulo
Der Pfad führt Kehre für Kehre an mageren Rebstöcken vorbei
und an Bananenstauden, deren ausgefransten Blätter wie der Saum einer
Trapperjacke aussehen. Unzählig sind die Terrassen, und somit die Kehren,
die mich langsamen Schrittes von Agulo, von den Touristen und der Moderne
wegführen. Die sind alle oben geblieben.
Ein alter Mann - nein, er ist kein Fremdenführer, kein Barmann oder
Hotelier - setzt gerade den Schössling einer Bananenpflanze behutsam
in ein vorgegrabenes Erdloch ein. Dann füllt er dieses sorgfältig
mit Erde auf. In seinem Gesicht, in seiner Arbeit und in den in Jahrhunderten
aufgebauten
Terrassen erkenne ich fast ehrfürchtig all die Mühen vergangener
Generationen.
Bei allem Anschein von Verschlafenheit ist die Zeit der Mühe um
das tägliche Brot noch sehr gegenwärtig auf dieser Insel. Es gibt
tatsächlich zwei Welten, die sich hier treffen. Aber was heißt
treffen? In Wahrheit gehen sie aneinander vorbei. Die oberflächliche,
schnelle Welt der Touristen, und die langsame, unbewegliche der meisten
Gomeros. Ununterbrochen in Bewegung die einen, die wie wahnsinnig in gemieteten
Autos oder Bussen kreuz und quer durch die Insel fahren oder allgegenwärtig
mit schweren Wanderschuhen und Rucksäcken über die steilsten Pfade
der Insel marschieren; gelassen, auf das
Wichtigste konzentriert aber in ihrem ewig gleichen Alltag gefangen, die
anderen.
Weiter unten auf meinem Spaziergang durch die Zeit komme ich an einem Ziegenstall
vorbei, einem einfachen Bretterverschlag mit Misthaufen, wo mich zwei schwarze
Katzen neugierig beschnuppern und sich an meine Beine schmiegen.
Irgendwann bin ich am Strand angekommen, am Ende der Zeit. Von oben sah das
Meer so nahe aus, und erst jetzt bin ich da, in der absoluten Einsamkeit.
Kein Mensch weit und breit, nur riesige Steine in der Brandung. Unaufhörlich
rollen die Wellen ans Ufer, wie vor Tausenden von Jahren schon, während
das letzte Licht den Teide auf Teneriffa - auch er sieht so nahe aus - rosarot
färbt, ehe die Schatten langsam die Übermacht gewinnen. Ich fühle
mich plötzlich ungewöhnlich traurig.
Während ich auf dem Rückweg - immerhin eine kleine Bergwanderung
von etwa zweihundert Meter Höhenunterschied - versonnen die Terrassenstufen
zähle, fahre ich beim Geräusch einer Hacke zusammen. Es ist wieder
der alte Mann, der, selbst zeitverloren, sich mit dem Graben weiterer Erdlöcher
beschäftigt. Es ist acht Uhr abends. Ich beschleunige meinen Schritt.
Und als ich wenig später wieder im Dorf ankomme, ist es bereits dunkel.
Die warmen, gelben Straßenlaternen sind an, nur wenige Menschen kommen
mir silhouettenhaft entgegen. Ein Moped lärmt in einer Gasse
30.
März
Frühmorgens in der Bar Amaya
Die Sonne scheint und verspricht einen schönen Tag.
Am Spielautomaten hält sich, wie alle Tage, ein älterer Herr
auf, der seine hart verdienten Peseten verspielen will.
Am Nebentisch drei vollbusige, gemütliche, fröhliche, schnellquasselnde,
laute Spanierinnen. Sie rauchen eine Zigarette nach der anderen. Nur kurz wird die Szene von einer deutschen Wandergruppe gestört,
bis auf den Reiseleiter alles Frauen, die von Tatendrang nur so strotzen.
Es ist ein recht merkwürdiges Wettertheater, das uns hier vorgeführt
wird. Erst hängen die Wolken ewig am Himmel, dann tröpfelt es,
oder es kommt ein heftiger Guss, schließlich blickt die Sonne endlich
durch, nur um schnellstens wieder zu verschwinden. Nach vielem Hin und
Her stabilisiert sich endlich die Lage. Oben am Berg setzt sich grauer
Nebel fest, über dem Meer ein herrliches Blau.
"Gub-gub-gub-tagadagada-tagadagada". Genau in dem Augenblick, als ich
mich aufmache, die Bar zu verlassen, meldet sich "Diamond King", der Spielautomat,
zu Wort - als wolle er sich mit seiner elektromechanischen Stimme freundlich
von mir verabschieden. Ich grüße in Gedanken zurück und
mache mich auf den Weg.
Zum Salto de agua (Valle Gran Rey)
Von El Guro aus beginnt ein herrlicher Weg, der entlang
einer für La Gomera typisch steil aufragenden geriffelten
Basaltwand, vorbei an Palmen, Kakteen und Wolfsmilchgewächsen, genau auf den Einschnitt des Barranco de Arure zu steuert.
Euphorbie (Valle Gran Rey)
Aeonium
Bergbach (Valle Gran Rey)
Danach geht es die meiste Zeit durch ein steiniges Bachbett
oder auf einem schmalen Pfad an dessen Ufer entlang. Ich bewege mich
abwechselnd inmitten von Rohrdickicht oder balancierend von Stein
zu Stein. Es ist heiß und mühsam und ich verdanke meine Pfadfinder-Ausdauer
einzig und allein der Hoffnung auf die Aussicht auf den überwältigenden
Wasserfall, wo mich laut Wanderführer ein fast kreisrunder Kessel
mit senkrecht aufsteigenden Wänden erwartet. Zumindest im Winter
sollen hier eindrucksvolle Wassermassen hinunter stürzen.
Als ich, schweißgebadet und zerkratzt, dort ankomme, entpuppt sich
die Stelle als das, was sie wirklich ist, ein "salto de poca agua y
muchos turistas" (Wasserfall mit wenig Wasser und vielen Touristen).
Dennoch! Niedlich sind sie, die jungen Leute: Pärchen zwischen siebzehn
und dreißig und junge Mädchen, denen die Naivität noch
ins Gesicht geschrieben steht. In T-Shirts, kurzen ausgefransten Jeans
oder bunten Schlabberhosen, mit robusten Schuhen und kleinen Rucksäcken
ausgestattet, erwandern sie diese exotische, und doch so nahe, sichere
Welt.