Die Kanarischen Inseln: Natur- und Kulturlandschaften
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Paradies der Sinne: Eine zauberhafte Reise in die Natur La Gomeras
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Hikeline Wanderführer La Gomera, 50 Wanderungen zwischen Regenwald und Steilküste, 1 : 35.000
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26.
März
Dulceria Mendoza
"Hoy tenemos dulces nuevos" (heute haben wir
neues Süßgebäck), lächelt mir die freundliche Frau
aus der dulceria zu. Und tatsächlich, die Theke ist so überfüllt,
dass "uno no sabe por cual decidirse" (man nicht weiß,
wofür man sich entscheiden soll). Als sich die junge Frau und ihre mollige Kollegin kurz darauf mit dem
Aufstellen der Tische und Stühle auf der plaza beschäftigen,
trödelt bereits der Mundharmonika-Alte herein und grüßt
mit kratziger Stimme.
Der Himmel ist grau, und über dem Meer sammelt sich eine hellere
Schicht bauschiger Gewitterwolken. Obwohl ich von meinem Sessel aus
nur die leicht schaukelnden Maste der Boote im Hafen, die zwischen den
Palmen der Uferpromenade hervorlugen, erkennen kann, genieße ich
den Anblick und vor allem die tropische Atmosphäre dieses düsteren
warmen Morgens. Der Geruch von nassem Staub und Dieselabgasen, begleitet
vom Lärm der Straßenkehrmaschine – heute geht es modern zu
–, stören nur kurz. Dann, als sich der lärmende Drache rußspuckend
vom Platz entfernt, komme ich wieder zu meinen Gedanken. Ich muss mich
von der süßen Trägheit dieser Tage lösen und weiter
fahren, nur - die graue Front jenseits der Berge lässt mich nichts
Positives ahnen.
Herrlich diese Aussicht vom Mirador (Aussichtspunkt) Degollada de Peraza!
Während zwei verliebt aussehende Herren in Wanderkluft aus dem Bus
des Servicio Regular Gomera aussteigen und drei Jeeps eine Ladung
Abenteurer ausspucken, die frierend in einer Bar Unterschlupf suchen,
mustere ich die Aussicht auf den zähen grauen Nebelschleier. Mit einem Schlurf hatte der jäh aufgetauchte Nebel mein Auto eingesogen,
nachdem ich die letzte Serpentine vor dem Hochplateau passiert hatte.
Nur stellenweise hatte er die Sicht auf lila, rötliche oder braune,
mit Kakteen, Palmen und Euphorbien bewachsene wildzerklüftete Felsenlandschaften
freigegeben.
Kurz darauf, beim Mirador Roque de Ojila kann ich sogar einige Augenblicke
lang, ehe der Nebel ihn wieder verschluckt, den berühmten Roque de
Agando bewundern: Von 1000 m Höhe steigt der bizarre Basaltfels auf
1250 m Gesamthöhe fast senkrecht an – ein Meisterwerk göttlicher
Architektur. Von hier aus "könnte" man bei klarer Sicht sogar den Teide auf teneriffa sehen!
Roque Agando (von Westen)
Blick auf den Teide
Roques de Ojila
Auf den nächsten Mirador verzichte ich und zweige in Richtung
Playa di Santiago ab. Bei der ersten Weggabelung fahre ich dann in Richtung
Chipude. Hier endlich, am sonnigen Südhang der Insel, wird die Sicht
klarer. Fast auf einem Schlag. Und als aus der Ferne, quasi würde
sich ein Bühnenvorhang heben, die unverwechselbare Gestalt
des Tafelbergs von Fortaleza im Sonnenlicht erscheint, bin ich einen Augenblick
so angenehm betroffen, das mir Tränen in die Augen steigen.
In Chipude, einem kleinen unscheinbaren
Ort in einer eher öden Landschaft, wartet auf mich bereits die stolze
Zahl von acht Touristenbussen, die ihre kurzbehoste Fracht direkt ins Café
Sonja ausspeien. Also nichts wie weiter. El Cercado ist nur unwesentlich
interessanter, also nochmals weiter.
La Fortaleza de Chipude
La Fortaleza (Südansicht)
Landschaft bei Chipude
Valle Gran Rey in drei Sätzen: Wunderschön die von Palmenhainen
eingerahmten Terrassen, die steilen, fast südostasiatisch anmutenden
steilen Hänge. Schwer zu wissen, ob die weit verstreuten kleinen weißen
Würfel bereits Touristen beherbergen oder noch eine Domäne der
Einheimischen sind. Die Landschaft bis zur Ortschaft La Calera ist schön
- am Schwärmen hindert mich nur das eher düstere graue Wetter.
Unten am Meer, Vueltas, La Puntilla, La Playa: Touristensiedlungen aus der
Retorte. Hier würde auch das zauberhafteste, sanfteste Sonnenlicht
nichts beschönigen können - oder vielleicht doch?
Manchmal quält es mich, dass der Tourismus, der so viele schönen
Gegenden zugänglich macht, gleichzeitig diesen auch viel von dieser
Schönheit zerstört.
Im Valle Gran Rey
Bar Restaurante Los Chorros de Epina
Wie bei einer großen Flutwelle überschwemmen
Massen deutscher und holländischer Touristen, soeben von zwei Bussen
ausgestiegen, den Platz vor dem Restaurant. Dieses Lokal kann die Fluten nur portionsweise aufnehmen, und deshalb
staut sich vor seinem Eingang eine lange Menschenschlange, während die Satten
und die Sparsamen sich auf die kleine Terrasse drängen, auf der ich
hoffte, in Ruhe zu essen. Ich nehme nur tapas zu mir, wie zur Mittagsstunde
gewohnt – diesmal vorzügliche salchichas (Bratwürste),
die mit mojo, einer Tunke, die in ihrer roten Variante aus Knoblauch,
roten Paprikaschoten, Essig, Öl und Kräutern besteht, in ihrer
grünen, mojo verde, weniger scharf ist und eher erfrischend
schmeckt.
Leider hindern mich die Hunnen daran, dieses Essen zu genießen.
Sie nehmen die Stühle von meinem Tisch weg, ohne zu fragen, stoßen
im Vorbeigehen fast meinen Wein um und benutzen meinen Tisch als Müllhalde
für leere Gläser, Eisreste, Zigarettenkippen. Eine halbe Stunde später ist wieder Ebbe. Die Massen sind weg. Man
hört wieder die Hähne um die Wette krähen.