Reise Know-How Kauderwelsch Spanisch für die Kanarischen Inseln
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Botanische Wanderungen Kanarische Inseln:
35 Touren. Mit GPS-Daten
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Kanarische Inseln: Naturreiseführer
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The History of the Discovery and Conquest of the
Canary Islands
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31.
März
Bar Amaya
Nachdem sich der Klüngel einheimischer Männer
mit einem "adios muchachos" sukzessive aufgelöst hat, sitze
ich nun, nur noch von Deutschen umgeben, an einem Tisch und schreibe. Zum wiederholten Mal schlürfe ich einen cafe con leche. Die
Wolken hängen tief und unbeweglich über dem Ort und ich überlege
unschlüssig, ob ich nochmals in den "Märchenwald" soll.
Allmählich macht sich bei mir eine gewisse Reisemüdigkeit breit.
Nicht weil ich mich langweilte oder Sehnsucht nach Hause hätte, nein,
ich bin nur verunsichert. Ich fahre mit dem Auto kreuz und quer durch
die Insel, auf der Suche nach einer neuen Aussicht, einem besonderen Licht,
einem besonderen Ort, aber einmal dort angekommen schaffe ich es nicht,
auch nur für wenige Stunden die Landschaft von innen zu erleben,
sie zu erwandern. Der Tag scheint viel zu kurz zu sein.
Im Bosque del Cedro
Laut Wanderkarte trennen nur wenige Kilometer die
verstreuten Häuser von Los Aceviños vom Dörfchen El Cedro,
meinem Ziel im Zentrum des Nationalparks. Ein dichtes Netz von Pisten
führt dorthin. Man kann den Weiler kaum verfehlen, denke ich, und
bilde mir ein, den Cedro-Bach bereits rauschen zu hören.
Zwei Stunden später: Ich hocke unter einem Felsvorsprung und versuche
– so gut es geht – mich vor dem heftigen Regen zu schützen. Meine
Fotoapparate sind ungenutzt in der Tasche verstaut, meine Jeans bereits
völlig durchnässt, aus der Kapuze tröpfelt es mir in den
Hals. Ich muss gestehen: Meine Laune ist am Tiefpunkt. Und was schlimmer
ist: Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befinde. Die auf
der Karte eingezeichneten Wege scheinen mit der Wirklichkeit nichts Gemeinsames
zu haben, Hinweisschilder sind für die Gomeros offenkundig ein Fremdwort,
und der einzige Wegweiser, den ich fand, hatte mich nur vorübergehend
hoffen lassen: Noch 1300 Meter zu El Cedro, kündigte er an. Aber
der Weg hat nur hinunter, hinunter und nichts wie hinunter geführt.
An den Weggabelungen gab es keine weiteren Hinweise, und die wenigen
Häuser, die ich sah, waren einsam und verlassen. Keinem von den sonst
immer anzutreffenden Wanderern war ich begegnet. Nach etwa drei
Kilometern gab ich schließlich das Zählen meiner Schritte auf.
Flechten
Farne fotografieren
Rote Erde
Jetzt warte ich nur darauf, dass der
graue Landregen, der die bewaldeten Bergrücken umhängt, wieder
abzieht und dass er sich nicht, wie ich es aus Mitteleuropa gewohnt bin,
auf lange Zeit an die Landschaft festklammert. Aber während ich in
der Hocke geduldig ausharre, zieht die Wut, die sich beim Gehen laufend
gesteigert und mir jeglichen Blick für die Schönheit des Waldes
genommen hatte, langsam ab. Die Abgeschiedenheit, in der ich mich befinde,
könnte nicht größer sein. Ein subtiler Respekt für
diese Urwelt schleicht sich allmählich bei mir ein und lässt jeden
Ärger verschwinden. Mit einem Mal ist mein Blick wieder für die
Schönheit dieser Wildnis geschärft, mein Geist offen für
Entdeckungen. Die Wolken, die sich plötzlich als mystische Schleier
entpuppen, als Atem eines geheimnisumwitterten Urwalds, das feine
Geflecht abgestorbener, moosbewachsener Bäume, die ausgedehnten
Flächen meterhoher Farne, die blauen Tupfer der großen Immergrün,
die windgebeugten verkrüppelten Wacholder, die in düsterem
Grün der späten Stunde fast beängstigenden Baumriesen, die
Farbnuancen der wassergetränkten Erde, ja sogar die Form und die Spiegelungen
einer Regenpfütze, alles erscheint mir wie ein unwiederholbares Wunder,
das mir von der großartigen Natur Gomeras geschenkt wird. Es fällt
mir im doppelten Sinn schwer, diese Traumlandschaft zu verlassen. Weil ich
nur mit Mühe die Orientierung wieder gewinne, und weil mich bei der
zunehmenden Dunkelheit der Zauber dieses Walde noch mehr vereinnahmt.
Abends, Bar Central
Zu späterer Stunde ist die Bar halb leer. Die Stammkunden
und die wenigen Touristen im Ort sind bereits heimgegangen. Die Tagesasflügler
aus Teneriffa haben die Insel schon längst mit der Fähre verlassen.
Ich kann mir nichts vormachen: Mein Spanisch ist eine Katastrophe. Im Fernseher
läuft - in allen Bars und Restaurants sind die Geräte immer eingeschaltet
- ein Dokumentarfilm über Tibet. Der Sprecher spricht ein schönes,
langsames, deutliches Spanisch. Trotz allerlei Hintergrundgeräuschen
kann ich es einigermaßen verstehen. Aber die Herrenrunde an der Theke
palavert mit derart horrender Geschwindigkeit über Gott,
Fußball und die Welt, dass ich von Glück sprechen kann, wenn
ich auch nur vereinzelte Worte erkenne. Immerhin wechselt der junge Inhaber
ein paar Sätze mit mir: Spanisch für Anfänger, Kapitel 1,
Lektion 1.
1.
April
Bar Amaya
Der Roque Cano ist zwar frei, aber die Wolken im Hintergrund sehen verdammt
dunkel aus; nur in Richtung Meer sieht man den gewohnten blauen Streifen.
Es ist ausgesprochen kühl heute. In dem zur Straßenfront über
zwei große Flügeltüren offenen Lokal zieht es demzufolge
gewaltig. Der Rentner, der jeden
Tag am Spielautomaten steht, sitzt heute am Tisch nebenan und füllt
seinen Totozettel aus. Als der Lautsprecher eines kleinen Lieferwagens
etwas Unverständliches in den Raum plärrt, geht er hinaus, taucht
aber wenig später mit einem frischen Fisch in einer Plastiktüte
wieder am Schalter auf, wo er einen Totozettel abgibt - auch eine Möglichkeit,
zu Geld für den einarmigen Banditen zu kommen.
Hin und wieder kommen ein paar Touristen mit schweren Wanderschuhen und
riesigen Rucksäcken in den Raum. Sie halten sich aber kaum länger
als für einen Kaffee auf. Nur das deutsche Ehepaar am Nebentisch
sitzt seit einiger Zeit abgespannt und etwas griesgrämig herum und
straft das Wetter mit gelegentlichen skeptischen Blicken.
Sie können sich meines Mitgefühls sicher sein. Leichte, gerade
noch angenehm wirkende Rücken- und Muskelschmerzen versetzen mich
ebenfalls in die "Keine-Lust-was-zu-tun"-Laune.
Dennoch: Zeit zum Weiterfahren!
Agulo
Seit zehn Minuten verweile ich auf diesem Parkplatz
kurz nach dem Agulo-Tunnel und genieße den herrlichen Blick auf
den Ort.
Wenn man bedenkt, dass La Gomera mit seinen etwa 25 km Durchmesser eine
kaum größere Fläche beansprucht als München, aber
auf kleinstem Raum Höhenunterschiede wie zwischen Mittenwald und
der westlichen Karwendelspitze aufweist, und dass sich von den Berggipfeln
mehr als 50 barrancos hinunterwinden, die meisten von ihnen so
einsam und verlassen, dass man sich fernab jeder Zivilisation vermuten
könnte, dann hat man ein wenig von der Faszination dieser Insel erkannt.
In ständigem Bergauf und Bergab, gleich ob man mit Auto oder Wanderschuhen
unterwegs ist, ziehen innerhalb weniger Kilometer die unterschiedlichsten
Landschaften und Vegetationsstufen an den Augen vorbei: trockene, braune
Bergrücken mit spärlichem Bewuchs erinnern an das Spanien der
Westernfilme, wo die Sträucher aus der Ferne wie die Flecken eines
Leopardenfells aussehen; anderswo ähneln tief eingeschnittene Schluchten
mit steilen Wänden sowohl in der Farbe als auch in der Struktur den
eindrucksvollen Canyons des amerikanischen Westen.
Im Norden werden die Täler lieblicher, teils wie Oasen mit Dattelpalmen
bewachsen, teils lieblich grün in tausend Schattierungen, mit Terrassenkulturen,
die an Südostasien erinnern. Nur große, einladende sandige
Strände wie auf Teneriffa fehlen – und es ist wohl nur diesem glücklichen
Zufall zu verdanken, dass die Insel noch nicht Zerstörungen gleichen
Ausmaßes erfahren hat.