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17. März 2014 |
Buenos Aires |
Ich hatte wieder ein Zimmer im Hotel Dorà gebucht, aber diesmal nur für eine Nacht, denn ich hatte keine große Lust auf die Stadt der „Guten Lüfte“ und vor allem die Absicht, die Zeit meiner Reise besser zu nutzen. Als ich aber gegen Abend bis zum „Obelisco“ spaziere – der 67 Meter hohe Obelisk von Buenos Aires ist eines der auffälligsten Wahrzeichen der Stadt – überrumpeln mich die laue Luft, das klare, sich bereits ins Blaue wandelnde Licht, die Menschen auf der Straße, die aussehen, als würden sie vor lauter Leben explodieren, und die jungen Frauen, die alle mit großem Selbstbewusstsein ein paar Pfunde mehr zur Schau tragen. Sie locken mir Tränen der Rührung aus den Augen. Bereits am Nachmittag, als ich noch halb benommen vom langen Flug auf der Avenida Florida (kurz „Florida“) bummelte, auf der dem Fremden alle zehn Meter das Wort „cambio“ (Geldwechsel) zugeflüstert wird, und jeder Zweiter versucht, einen in eine Tangoshow oder in eine „parilla“ (Grill-Restaurant) zu locken, hatte mich das „Zuhause"-Gefühl langsam, unmerklich aber sicher erfasst. |
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Am „Obelisco“ |
Der Palisanderholzbaum (Jacaranda mimosifolia) mit seinen filigranen doppelgefiederten Blättern, der im Frühjahr mit seinen zartlila Blüten ganze Straßenzüge verzaubert, ist in dieser Jahreszeit längst unauffällig. Dafür, dass es Herbst ist, blühen noch zahlreiche andere Bäume, so der Tipubaum (Tipuana tipu), auch als Gelbe Jacaranda bekannt, mit seinen leuchtenden gelb-gruen Schmetterlingsblüten oder der Florettseidenbaum (Ceiba speciosa), der wegen seines flaschenartigen Stammes „Palo borracho“ genannt wird, was wörtlich „besoffener Baum“ bedeutet. Seine herrlichen rosafarbenen Blüten erinnern ein wenig an die Passionsblume. |
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Jacarandá (Frühlingdaufnahme) |
18. März |
Im Busbahnhof Retiro |
Als ich einen Kaffee und eine „medialuna“ (ein Hörnchen) bestelle, fragt mich der Kellner, ob ich nicht lieber eine „promocion“ (ein günstiges Angebot) mit „café con leche y tres medialunas“ (Milchkaffee mit drei Hörnchen) vorziehen möchte. Zu meinem Erstaunen bin ich wegen des starken Gefühls der Vertrautheit, das mich dabei überfällt, einen Augenblick lang sehr gerührt. |
Diese Vertrautheit basiert auf das Wiedererkennen von Mustern, von Situationen, von Selbstverständlichkeiten, die nur für jene solche sind, die lange Zeit im Lande verbracht haben: In das Hinterzimmer eines Handyladens in der Avenida Lavalle gehen, um Euros günstig zu wechseln; dem Bediensteten, der die Koffer in den Gepäckraum des Busses verstaut, unauffällig ein paar Pesos zustecken, am Flughafen nicht gleich aus der Halle rennen, um ein Taxi zu bestellen, sondern an einem Schalter eine Fahrkarte für den weit günstigeren Bus von Manuel Tienda Leon kaufen, wohl wissend, dass man trotzdem bis vor die Tür des Hotels gefahren wird. Vertrautheit bedeutet, dass man weiß, dass es für längere Strecken günstiger ist, ein „remise“ (einen Chauffeur-Dienst) zu bestellen, für kürzere ein Taxi. |
Vertrautheit ist auch, einen „mate cocido“ zu trinken, zu wissen, dass ein „chop“ ein Bier vom Fass ist, und ein „balon“ ein Liter desselben ist; in den bequemen Fernbussen nicht zu erwarten, dass das Abendessen vor 22 Uhr serviert wird. Es ist ein wenig, wie zu Hause zu sein, wenn man weiß, was geschieht und wie man sich benimmt. Vertrautheit heißt auch, „bomberos“ (Feuerwehrmänner) nicht für Bombenleger zu halten, und nützliche, häufig vorkommende Wörter des täglichen Sprachgebrauchs zumindest zu verstehen, und zwar in derlokalen Aussprache, die sich vom reinen „castillano“ oft erheblich unterscheidet. |
19. März |
Nach Bariloche |
Bis der Fernbus des Unternehmens „Via Bariloche“ gegen Mittag, nach mehr als zwanzig Stunden Fahrt, im „Valle Encantado", ankommt, dem verzauberten Tal am Rio Limay vor den Toren Bariloches, übermannt mich wegen der Schönheit der Landschaft, der kräftigen Farben und der ultraklaren Luft eine tiefe Rührung – schon wieder! |
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Am Río Limay |
In Bariloche angekommen lasse ich mich von einem Taxi für umgerechnet nur vier Euro zur etwa vier km entfernten Hostaria Güemes fahren, bescheiden, aber ruhig gelegen und mit einem angenehmen Ambiente. Ich schalte um auf Entspannung: Nachmittags ist als Erstes ein Besuch in Catis Andenkenladen „Fitz Roy“ fällig, dann folgt – traditionsgemäß – ein Aufenthalt im „Cafe del Turista" bei „cafe con leche“ und dem Lesen der Tageszeitung „La Nacion". |
20. März |
Akklimatisierung |
Das kleine Städtchen San Carlos de Bariloche (kurz „Bariloche") liegt auf 893 m am Fuße der Anden und direkt am Ufer des Sees Nahuel Huapi, der zu den größten Seen Argentiniens gehört. Die Luft ist klar, aber es weht ein eiskalter Wind. Da ist ein dicker Pullover unverzichtbar. Zu Mittag feiere ich mit Cati und Juan unser Wiedersehen in einem guten Steak-Restaurant mit einem herrlichen Blick auf den See, dessen von einer starken Brise gekräuselte Oberfläche mit kleinen, kurzen Wellen mit weißen Schaumköpfen zur perfekten Willkommensaussicht für mich wird. |
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Windiger Tag am Nahuel-Huapi-See |
Und ich wäre nicht ich, würde ich nicht den Nachmittag in einem Café verbringen, zur Abwechslung diesmal im renommierten „Frantom". |
21. März |
El Valle Encantado |
Es musste sein: Ein Auto mieten, um das „Verzauberte Tal“ zu sehen, die faszinierende Landschaft, die ich gar nicht oft genug erleben kann. Die Strecke entlang des Río Limay führt in eine Welt von fantastischen, von der Erosion geformten Felsen, die äußerst bizarre Formen aufweisen, und deshalb aussagekräftige Namen bekommen haben, wie: „El Dedo de Dios“ (Der Finger Gottes), „El Centinela del Valle“ (der Wächter des Tales), „El Tren Expreso“ (Der Schnellzug), „El Castillo Encantado“ (das Verzaubertes Schloss) und viele mehr. |
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El Valle Encantado |
Wieder, wie zuletzt im Herbst 2011 erreiche ich Confluencia, den Zusammenfluss des Río Limay mit dem Río Traful, 67 km von Bariloche entfernt. Auch diesmal fahre ich die kurze Strecke bergaufwärts zur „Hostería Gruta de las Virgenes", von der man eine Aussicht genießen kann, die ohne zu übertreiben, als die Krönung der Strecke bezeichnet werden kann. |
22. März |
Flaute |
Auf dem Cerro Campanario bei Strudel und „cafe con leche": Die Faszination dieses magischen Ortes will heute nicht wirklich greifen. Keine Wolke am Himmel, ein leichter Dunst über der Landschaft. Irgendetwas fehlt mir, um die Begeisterung früherer Begegnungen mit dieser Aussicht aller Aussichten wieder zu wecken. Der Nahuel-Huapi-See ist heute spiegelglatt. Kein Windhauch ist zu spüren. Die Berge verflachen im gleichmäßigen Licht des frühen Nachmittags. Diese „Flaute“ des Gefühls liegt vermutlich nur an meiner Erwartungshaltung, denn ich erinnere mich überdeutlich an sinnliche Momente dramatischen Lichtes und an Erfahrungen mit einem stürmischen Wind, gegen den ich mich mit aller Kraft stemmen musste, um überhaupt aufrecht stehen bleiben zu können. Selbst die riesigen übersüßen Torten locken mich kaum noch, ich denke zu sehr an deren Kalorieninhalt. |
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