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Frutillar |
Etwas verdrossen wegen des schlechten Wetters fahre ich auf der Ruta 5 in Richtung Süden, in der vagen Absicht, meinen letzten Abend in Chile – morgen läuft die Chile-Genehmigung für mein Mietauto aus – im Nationalpark Puyehue zu verbringen, mir eine cabaña in den Termas Aguas Calientes zu mieten und, bei etwas Glück, morgen noch eine Wanderung in der „selva valdiviana“ einzulegen, was mir die letzten beiden Male wegen des schlechten Wetters verwehrt blieb. |
Auf der Höhe von Osorno angekommen, bin ich noch sehr unentschlossen. Denn bei diesem Wetter ist die Option „Regenwald“ nicht wirklich verlockend. Liegt doch schon in diesem Wort selbst das Problem! Schließlich nimmt mir ein kleines Wunder die Entscheidung ab: Die graue Wolkendecke reißt innerhalb kürzester Zeit auf, und ein unwahrscheinlich klares Licht taucht die Landschaft in Gold. Es ist ein Spiel aus Schatten und Licht, das mich derart fasziniert, dass ich instinktiv beschließe, wieder zum Lago Llanquihue zu fahren. Mein Ziel ist der kleine Ort Frutillar, denn dieser wurde mir von meinen Freunden Cati und Juan heiß empfohlen. |
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Jetzt wird meine Autofahrt aber– es ist bereits später Nachmittag – zum Rennen um die letzten Sonnenstrahlen des Tages am See, denn ich kann mir nichts Wünschenswerteres vorstellen, als dieses besondere Licht am Seeufer zu genießen.
Ich schaffe es nicht ganz. Nachdem ich ein Zimmer im Hotel „Rose am See“ (Name auf Deutsch) gefunden und rasch mein Gepäck abgeladen habe, hat bereits die „blaue Stunde“ den Ort in Besitz genommen. Was mein Erlebnis nicht geringer macht! |
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Die blaue Stunde am Seeufer |
29. März |
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts besiedelten deutsche Einwanderer –die Meisten von ihnen aus Hessen und Schlesien – die Gegend um den Lago Llanquihue. 1853 gründeten sie die Hauptstadt Puerto Montt, im Jahr 1856 das Städtchen Frutillar. Am Baustil und an den Straßennamen des Ortes ist auch heute noch das „Deutsche“ deutlich zu erkennen. |
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Am Llanquihue-See |
Der Ort ist geprägt von kleinen Häusern mit Holzdächern und gepflegten Gartenzäunen. Frutillar nutzt, neben der Landschaft, die als „Chilenische Schweiz“ gilt, seine deutsche Vergangenheit auch als zusätzlichen Magnet für den Tourismus. |
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Kunst an der Uferpromenade |
Zahlreiche kleine Hotels und Pensionen (Hotel Serenade de Franz Schubert, Salzburg Hotel, Hotel Amadeus, Hotel Frau Holle, Hotel Casa de la Oma, Cabañas Edelweiss, Hospedaje Von Bischoffshausen, Hosteria Winkler) tragen deutsche Namen, wie auch Cafes und Restaurants (Tante Lilian, Kuchenladen, Casita del Kuchen, Guten Appetit, El Viejo Tiroles) , die zum Teil auch deutsche Speisen auf der Speisekarte aufführen. |
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Hotel Frau Holle |
Zumindest gilt das für die Kuchen. „Kuchen“ ist zum chilenischen Wort geworden. „El kuchen“ wurde hier im Süden von den deutschen Einwanderern eingeführt, und wurde zur Tradition. Auf den Speisekarten der Cafés findet man sowohl die Begriffe „Obstkuchen“ („kuchen de fruta“) als auch „Apfelkuchen“ („kuchen de manzana“). Man darf allerdings nicht erwarten, dass die Inhaber von Pensionen, Gasthäusern und Cafés die deutsche Sprache noch beherrschen. Das gilt höchstens für die ältere Generation. |
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Casita del Kuchen |
Heute ist es leicht bewölkt, die Luft aber immer noch sehr klar. Der Ort ist wirklich ein Schmuckstück. Mein kleiner Morgenspaziergang lässt mich den „deutschen“ Charakter an vielen Details erkennen. Ein Hotel mit einer Fachwerkfassade, ein Puppenhaus, Kuckucksuhren. Sehr schade nur, dass ich weiterfahren muss. |
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Lutheranische Kirche |
Jetzt in der Nachsaison wäre Frutillar der ideale Ort zum Ausruhen und die zahlreichen sportlichen und sonstigen Möglichkeiten der Gegend – dazu zähle ich auch die Kuchen – zu genießen. Diese Seenregion wirkt wirklich sehr heimatlich auf mich. Wie eine chilenische Schweiz oder ein chilenisches Salzkammergut, mit zahlreichen kristallklaren Seen, den beeindruckenden schneebedeckten Anden als Kulisse – die Vulkane sind die exotische Ausnahme – und dunklen Wäldern, die zum Wandern einladen. |
Nationalpark Puyehue |
Über die Panamericana fahre ich in Richtung Osorno und weiter über Entre Lagos den Lago Puyehue entlang nach Aguas Calientes, einem Ort etwas abseits der Hauptstraße, der wegen seiner Thermalbäder bekannt ist. |
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Am Lago Puyehue |
Unterwegs werden meine schlimmsten Befürchtungen leider wahr, denn je mehr ich meinem Ziel näher komme, umso stärker prasselt der Regen aufs Autodach.Wie auch bei meiner ersten Reise nach Aguas Calientes, kann ich die Enttäuschung nicht dadurch kompensieren, dass ich im herrlichen Ambiente des Hotel Termas Puyehue Kaffee und Kuchen zu mir nehme, denn das ist nur den Gästen des Hauses reserviert. Obwohl die Übernachtungspreise dieser Luxusherberge ins Astronomische gehen, ist das Haus immer ausgebucht. Vor vielen Jahren, als die Preise noch annehmbar waren, gönnte sich meine Tante einmal im Jahr von Bariloche aus einen Aufenthalt in dem Hotel. |
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Cabañas in Aguas Calientes |
So bin ich gezwungen, in der Cafeteria des nahe gelegenen Hüttendorfs ein bescheidenes Mittagsmal zu mir zu nehmen. Freilich würde ich mich gerne einige Tage in einer der cabañas einquartieren, um – auf dem Rücken eines Pferdes? – die ursprüngliche Natur des Nationalparks erleben zu können. Verschoben ist nicht aufgehoben! |
Der Wald ist hier noch dichter, noch dunkler, noch unheimlicher als in Huilo Huilo. Ganze Wände von Bambusgewächsen machen ihn undurchdringlich. Genauer betrachtet passt das Ambiente der cabañas eher zu diesem Umfeld als die dünne Luft des Fünfsternehotels. Mein Naturerlebnis wird also nur ein Erlebnis vom Autofenster aus. Als der Regen – ich befinde mich fast schon wieder auf argentinischen Boden – in ein schwaches Tröpfeln übergeht, versuche ich einmal, einen kurzen Spaziergang durch das Dickicht des Regenwalds, zwischen Bambusbüschen und moosüberwucherten, verschlungenen Bäumen zu unternehmen – vergebens. |
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Undurchdringlicher Urwald |
Zurück in Argentinien |
Erst in Villa La Angostura komme ich, im Restaurant Viejos Tiempos (Alte Zeiten), zum ersehnten Kaffee, genauer gesagt, trinke ich einen mate cocido. Hier in Argentinien ist es zwar kühl, und große Wasserpfützen bezeugen, dass es auch hier geregnet hat, aber es scheint wieder die Sonne! |
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