Višegrad |
" ... An dieser Stelle, wo die Drina mit der ganzen Schwere ihrer grünen und überschäumten Wassermasse aus dem scheinbar geschlossenen Gefüge der schwarzen und steilen Berge hervorbricht, steht die große, gleichmäßig geschnittene, steinerne Brücke mit ihren elf weitgespannten Bögen ..." Mit diesen Worten beschreibt der jugoslawische Schriftsteller Ivo Andric, der 1961 für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur erhielt, in seinem 1945 veröffentlichten, berühmten historischen Roman Die Brücke über die Drina die Mehmed-Paša-Sokolović-Brücke in Višegrad (Bosnien).ardinen wurden in die mediterranen Länder, hauptsächlich nach Italien, exportiert. |
Der Auftraggeber und Bauherr der Brücke soll der Janitscharen-Großwesir Sokollu Mehmed Pascha gewesen sein, der aus einem Dorf in der Nähe vonVišegrad stammte und als Kind in die Knabenlese kam. Damit ist die Jahrhunderte alte Gepflogenheit im Osmanischen Reich gemeint, dass man christliche Jugendliche aus ihren Familien verschleppte und zwangsislamisierte, um sie später im Militär- und Verwaltungsdienst des Reiches einzusetzen, vor allem in der Elitetruppe der Janitscharen. |
Die Drina |
Mit dem Bau der Brücke wurde 1571 begonnen. Die Pläne entwarf der osmanischen Baumeister Sinan (1489-1588). Die Brücke ist 180 Meter lang und sieben Meter breit, sie besteht aus elf Spitzbögen und wird von zehn Pfeilern getragen. Die Brücke steht unter Denkmalschutz. Sie wurde im Jahr 2007 in die Liste der UNESCO- Welterbe-Stätten aufgenommen. Die Brücke über die Drina ist mit ihren einzigartigen, eleganten Proportionen charakteristisch für den Architekturstil der klassischen osmanischen Periode. 1914, bei Anbruch des Ersten Weltkrieges wurden drei Bögen der Brücke von der abziehenden österreichisch-ungarischen Besatzung zerstört. Im Jahr 1940 wurde die Brücke wieder rekonstruiert. Die Schäden, die die Brücke während des Zweiten Weltkriegs erlitt, wurden 1951 behoben. Heute ist die Bausubstanz wieder bedroht, und zwar durch die Aufstauung des Flusses bei Peručac, den Perućačko Jezero. |
Die Brücke über die Drina |
Die türkischen Brücken waren so gebaut, dass sich in ihrer Mitte ein großer Pfeiler befand, auf dem sich die Brücke zu einer größeren Plattform verbreiterte, die wie ein "Sofa" aus Stein aussah, auf dem sich Jung und Alt traf. Diese sogenannte Kapija war für viele kleine Ortschaften der Mittelpunkt des Stadtlebens, um bei einem türkischen Kaffee Neuigkeiten auszutauschen, nicht viel anders als es heutzutage in Cafés und Gaststätten üblich ist. In Ivo Andrics Worten: "... Die Leute begannen wieder, sich auf dem Sofa aufzuhalten und dort die Zeit im Gespräch, in Geschäften oder in müßigem Träumen zu verbringen. In den Sommernächten sangen dort die jungen Burschen in Gruppen oder saßen als Einzelgänger und erstickten ihren Liebeskummer oder jenen unbestimmten schmerzenden Wunsch nach Reisen in weite Fernen, nach großen Taten und ungewöhnlichen Erlebnissen ...". Die Brücke diente den wechselnden Herrschern in der Stadt auch als Kontrollpunkt an der Straße von Sarajevo nach Serbien. |
Die Kapija |
Die Drina ist der größte Nebenfluss der Save, die über die Donau ins entfernte Schwarze Meer fließt. Sie bildet auf einem großen Teil ihres Laufes die Grenze zwischen Bosnien- Herzegowina und Serbien. Geschichtlich stellte der Fluss lange Zeit die natürliche Grenze zwischen dem Weströmischen und dem Oströmischen Reich dar, später die Grenze zwischen den Gebieten mit orthodoxen und katholischen Glauben. |
Die Brücke über die Drina |
Diese Gegensätze, sowie der spätere Einfluss des Islam während der Herrschaft des Osmanischen Reiches, prägten und prägen bis heute die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse entlang des Flusses. Das Nebeneinander der Völker war hier nicht immer friedlich und unproblematisch. Immer wieder gab es Kriege. 1914-15, während des Ersten Weltkriegs, fanden heftige Schlachten zwischen den österreichisch-ungarischen und den serbischen Truppen statt. Nach dem Zerfall Jugoslawien, während des Bosnienkriegs 1992-1995, bekämpften sich die von nationalistischen Gruppierungen angeheizten drei großen Volksgruppen (Serben, Kroaten und Bosniaken) und die Auseinandersetzungen wurden von ethnischen Säuberungen begleitet. |
Der Friedhof von Visegrád |
Den (orthodoxen) Friedhof von Višegrad zu besuchen ist beklemmend: Ordentlich angereiht und mit kleinen weißen Kreuzen versehen präsentieren sich die Gräber dem Besucher. Bei näherem Hinsehen merkt man, dass fast alle Grabsteine neben den kyrillischen Aufschriften ein und das selbe Sterbedatum aufweisen - 1992. |
Die Drina |
Die heute unabhängige Republik Bosnien und Herzegowina ist nach dem Ende des Bosnienkriegs aus der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowina hervorgegangen und hat fast noch die selben Grenzen, die sie 1878 auf dem Berliner Kongress erhielt, als sie unter österreichisch-ungarische Verwaltung gestellt wurde. Die Republik besteht seit dem Abkommen von Dayton aus zwei weitgehend autonomen Gliedstaaten (einer Art Kantonen): der (kroatisch-bosnischen) Föderation Bosnien und Herzegowina und der (serbischen) Republika Srpska. |
Die Stadt Višegrad gehört heute der Republika Srpska an, die knappe 49% des Staatsgebiets von Bosnien und Herzegowina umfasst, hauptsächlich den Norden und Osten Bosniens und den Osten der Herzegowina. Spätestens seit 1961, als Ivo Andric den Nobelpreis erhielt, wurde die Stadt Ziel für Touristen aus aller Welt. Und dennoch sieht man heutzutage kaum Touristen in der Kleinstadt. Das Erbe der Balkankriege? |