Reisebericht Pyrenäen
 
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  Juni 2003
  - Auf Spurensuche
  Dienstag, 17 Juni 2003
  - Belfort, Franche-Comté
  Mittwoch, 18. Juni
  - Frühstück im Hotel Vauban
- Murat, Montaignes du Cantal
  Donnerstag, 19. Juni
  - Frühstück im 'Le Grand Café'
- Wanderung in der Auvergne
  Freitag, 20. Juni
  - Auf zu den Pyrenäen
- Bagnèrs de Bigorre
  Samstag, 21. Juni
  - Frühstück in Bagnères
- Nachmittag in Lourdes
- Fest der Musik in Bagnères
  Sonntag, 22. Juni
   - Nach Cauterets
  Montag, 23. Juni
  - Pont d'Espagne, Lac de Gaube
  Dienstag, 24. Juni
  - Zum Col d'Aubisque
- Nach Eaux-Bonnes
- Laruns, Val d'Ossau
  Mittwoch, 25. Juni
  - Nach Pau
- Weiterfahrt nach Biarritz
- Hässliches Biarritz
- Schönes St. Jean de Luz
  Donnerstag, 26. Juni
  - Frühstück in St. Jean de Luz
- Weiterfahrt nach Spanien
- In Pamplona
- Vaquillas in Pamplona
- In den Bergen Navarras
- San Salvador de Leyre
  Freitag, 27. Juni
  - Frühstück im Kloster
- Zum Balneario de Panticosa
- Zurück nach Frankreich
- Oloron Ste. Marie
  Samstag, 28. Juni
  - Nach Bagnères de Luchon
- Spurensuche
- In Superbagnères
  Sonntag, 29. Juni
  - Wanderung zum Lac d'Oô
- Das Fußballspiel
  Montag, 30. Juni
  - Wieder nach Lourdes
- Das Phänomen Lourdes
- Die Lichterprozession
  Dienstag, 1. Juli
  - Detektiv spielen in Arrens
- Auf die Rückreise
  Dienstag, 1. Juli
  - Die letzten Etappen
   
   
Zurück nach Frankreich

Ich kann nicht wirklich begründen weshalb, aber ich habe den Entschluss gefasst, wieder zurück nach Frankreich zu fahren. Kaum habe ich allerdings den Col du Portalet passiert, schon trifft mich das Bewusstsein meines Fehlers wie ein Schlag. Da ist sie wieder: die schöne, grüne, dicht bewaldete, von dunklen, rauschen­den Wildbachen durchflossene, wild zerklüftete französische Pyrenäenlandschaft, aber sie ertrinkt im Nieselregen, unter tief hängenden, schweren Wolken. Weg sind die frühlingshaften, leichten, milden, in Sonnenlicht getauchten spanischen Ebenen, Hügel und Berge.
Aber jetzt wieder zurück fahren, wieder Kilometer um Kilometer wie ein Wahnsinniger über die Straßen brettern, und dann doch nicht den Ort finden, in dem ich das Wichtigste aller meiner Reisen zelebrieren kann? Entspannt sitzen, die Aussicht und das Geschehen beobachten und dabei Wein, Kaffee oder anderes zu mir nehmen, damit nicht nur über die äußeren Sinne, sondern auch von innen ein warmes Wohlsein in mich schleicht?

Oloron, Bar Brasserie de la Poste

Bei fast jeder meiner Reisen kommt einmal der Zeitpunkt, an dem ich mir, frei nach Bruce Chatwin, die schicksalhafte Frage stelle: "Was tue ich hier?". Was habe ich hier zu suchen? Welcher Teufel hat mich geritten, dass ich in diese von Russ und Vernach­lässigung grau gewordene Stadt gekommen bin? Dass ich in einem miesen Ho­tel­zimmer ohne Fenster gelandet bin? Dass ich mich wegen des Nieselregens ärgere und meine Art zu Reisen wieder einmal infrage stelle?
Glücklicherweise verhelfen mir, wenn ich in so einer trüben Stimmung bin, bereits ein paar Schlucke Wein und ein gutes Essen wieder zur inneren Ruhe. Und bei objektiver Betrachtung ist Oloron auch Oloronalles andere als hässlich. Die Stadt ist relativ gut in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten und sie hat durch ihre Lage auf unterschiedlichen Höhen und durch den malerischen, sie durch­fließenden Fluss Mave einige ansehnliche Aussichten zu bieten. Sie hat nur das Pech, auf meine Unlust gestoßen zu sein, sich gerade jetzt in einem nachteiligen Licht zu präsentieren und ein paar herunter­ge­kom­mene Ecken zu haben. Wobei es para­doxerweise gerade das Verfallene und das in der Zeit Stehengebliebene sind, die die Stadt für mich interessant macht. Denn sie schaf­fen es auf wunderbare Weise, mich ins Milieu von Dickens' Romane zu versetzen und mich über die erbärmliche Situation der Arbeiterklasse im England des 19. Jahrhunderts und über die Frühzeit des Kapitalismus mit seinen gesellschaftlichen Umbrüchen und wirtschaftlichen Veränderungen grübeln zu lassen, als rauchende Schornsteine noch als Zeichen von Fortschritt galten.

Samstag, 28. Juni
Aufwachen in Nach-Hause-fahren-wollen-Stimmung

Lustlos frühstücke ich, lustlos packe ich meine Koffer und begleiche die Rechnung. Das Wetter ist immer noch trüb und eine melancholische Birmingham-im-Smog-Atmosphäre beherrscht den Ort. Seltsamerweise ge­reicht diese Tristesse in meinen Augen eher zum Vorteil als zum Nachteil der Stadt - als würde sie meinen Blick stärker auf deren Patina fokussieren. Ich stelle auch mit Erstaunen fest, dass es in der Altstadt kaum moderne, klotzige, aus der Reihe tanzende und ins Ensemble nicht harmonisch ein­gegliederte Neubauten gibt. Sogar die vom Kommerz üblicherweise arg mitgenommenen Erdgeschosse der Häuser an der Hauptstraße sind hier mit großem Augenmaß in Geschäfte umgewandelt worden. Andrerseits ist der starke Verfall kaum zu übersehen. Abseits des Zentrums herrscht ab­bröckelnder Putz, Russ und Tristesse. Ist das der Preis dafür, dass hier keine Verschandelung durch "Modernisierung" stattgefunden hat?

Nach Bagnères de Luchon (zur Route)

Ich will weiter. Weg vom tief hängenden grauen Himmel. Weg von Düs­ter­keit und Trostlosigkeit. So fahre und fahre ich auf der Autobahn in Richtung Osten (zum Mittelmeer hin) und schiele dabei immer wieder auf den Him­mel in der unaus­gesprochenen Hoffnung, dem Atlantiktief zu entkommen.
Bei Montréjau schließlich, fest dazu entschlossen, gegebenenfalls einen wei­teren Abstecher nach Spanien zu machen, zweige ich nach Süden ab. Und da fällt mir plötzlich ein Verkehrsschild mit dem Name eines Ortes auf, der mir irgendwie bekannt vorkommt - Luchon. Beim raschen Durchstöbern der alten Fotos stoße ich auf eines, auf dem Vater zu sehen ist, wie er lässig und lächelnd vor einem Hotel Bellevue steht. Der Ort, so ist in der Bild­un­terschrift zu lesen, heißt Luchon, genauer gesagt Bagnères de Luchon. Der Reiseführer nennt ihn die "Perle der Pyrenäen". Ich habe es sofort im Ge­fühl: Es bahnt sich eine Wende an. Und wie es nur allzu oft mit schlechten Nachrichten geschieht, kommen diesmal gleich mehrere gute zusammen. Der Himmel hellt auf, die Sonne kommt hervor, der Dunst löst sich auf und der Tag mausert sich peu a peu zu einem wunderschönen Sommertag.

 
(Auf das Logo klicken, um
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  © 2004 - Bernd Zillich