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Bombay
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Ganesha
und der Mond
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Sun-n-Sand Hotel, 12. September
Das Rascheln der Palmenblätter im Wind hört
sich wie Regen an; die Luft ist feucht und warm, aber die Gewitterstimmung
hat sich aufgelöst. Hier am Juhu Beach am Stadtrand von
Bombay scheint die Große Hitze aus Delhi und Agra verflogen
zu sein; wir haben sie hinter uns gelassen wie den gestrigen Stress,
von dem nur eine lähmende
Abgespanntheit geblieben ist.
Durst, anstrengendes Warten auf den drei Stunden verspäteten Flug
in Jaipur, Nicht-schlafen-können auf den unbequemen Sitzen in der
Flughafenwartehalle, dreimaliges Starten und Landen (Jodhpur, Ahmedabad,
Bombay), Ohrenschmerzen, zu kalte Luft im Flugzeug, Hin-und-her-geschüttelt-werden
im Gewitter über Bombay; dann endlich wie eine Erlösung
das Glänzen der nassen Landepiste. Die Liste ließe sich mühelos
fortsetzen.
Nach der Ankunft um zwei Uhr nachts in Bombay haben wir uns, völlig
übermüdet wie wir waren, in ein teures, "Hotel" genanntes
dunkles Loch abschleppen lassen. Nur schemenhaft konnten wir vom Taxi
aus die molochhafte Stadt in der dunklen, schaurigschönen
dampfenden tropischen Luft sehen.
Anders ausgedrückt: Ich habe eine Ruhepause bitter nötig.
Im Schwimmbad tummeln sich ein paar Inder, weiter weg, am verschmutzten
Strand, sehe ich, romantisch verklärt durch die milde, nicht mehr
brennende Nachmittagssonne
und verzaubert von den glitzernden Wellen des indischen Ozeans, die
kleine armselige Menschheit
von überall. Ich liege wie gelähmt im Liegestuhl und versuche,
inmitten
einer Menge Schwyzerdütsch sprechender Gäste, mich vom letzten
Gang aufs Örtchen (mich hat's erwischt) zu erholen. Während
freche Spatzen zwischen meinen Füßen herumhüpfen, greife
ich ab und an zu einem erfrischenden Glas Soda and Lime, vergesse das
flaue Gefühl im Magen und fühle mich wohl - so wenig braucht
der Mensch.
Das Meer sieht der Nordsee an Hollands Küste zum Verwechseln ähnlich.
Gäbe es nicht die entfernte Silhouette der Palmenwäldchen,
oder die warme, streichelnde Luft, wären nicht einzelne Frauen
im schwarzem Chador am Strand entlang zu sehen, sowie die Ponyreiter
und die Kricketspieler auf dem Sand, wüsste man nicht, wo man ist.
Mich fasziniert dieses unauffällige, bescheidene Geschehen am Strand.
Eine kleine, zerlumpte Familie dunkler Hautfarbe hockt am Boden vor
der Hotelterrasse und tut - fast nichts. Der Vater klopft ein paar Takte
auf der Tabla, der Bub schlägt Räder, die Frau streckt
den Hotelgästen ab und zu bettelnd die Hand entgegen. An einer
anderen Stelle lassen zwei Kinder einen Drachen steigen, woanders balgen
sich Hunde und Schweine herum oder wartet ein Kokosnussverkäufer
geduldig auf Kunden. Mein neugieriger Blick wird manchmal als Versprechung
interpretiert. Prompt bietet mir ein fliegender Händler Malachitsteine,
Lapislazuli, Türkise, "Tigeraugen" und Aquamarine zum Kauf an.
Mittlerweile sieht es wieder nach Regen aus. Dunkle Wolken haben sich
am Himmel zusammengezogen, so dass sich die Hochhäuser der entfernten
Bombay-Skyline dramatisch gegen einen kobaltgrauen Hintergrund abzeichnen.
Als ob sie dieses stimmungsvolle Bild vervollständigen möchten,
kreisen Scharen von Krähen wie in einem Hitchkock-Film kreischend
über unsere Köpfe hinweg.
In Ufernähe wartet ein einsames Kamel erfolglos auf zahlende Gäste.
Aber sein geruhsames Leben
täuscht: Schenkt man den lokalen Zeitungen Glauben, so hat das
arme Tier, aus dem fernen Rajasthan in dieses feuchte, ungesunde Klima
verpflanzt, höchstens
noch ein Jahr zu leben.
13. September
Zwei Liegestühle 8 Rupien, Frühstück
90, Getränke 23. Der Wechselkurs der Rupie entspricht derzeit fast
haargenau dem des Österreichischen Schillings, so dass das Umrechnen
nicht schwer fällt.
Und schon wieder vergeht ein heißer Tag mit Nichtstun. Wir liegen
in der Sonne oder verkriechen uns in den Schatten eines Sonnenschirms,
lesen, trinken, versuchen uns zu schonen. Beim Essen ziehen wir, wenn
es irgendwie geht, "continental food" vor - in geringen Mengen.
Wieder rascheln die Palmen, säuselt der Wind, springt ein zutraulicher
Spatz zwischen den Tischen herum, spielen Kinder Baseball am Strand.
Ein abgemagertes Kamel zieht vor dem Sonnenuntergang vorbei. Eine zerlumpte
Frau ruft wieder mit ausgestreckter Hand "hello".
Nur mit größter Mühe raffe ich mich nachmittags dazu
auf, die Umgebung des Hotels auszukundschaften. Jetzt, am Ende des Tages,
fühle ich mich an Körper und Geist recht schlapp und gebe
mich, fast dankbar dafür, dass mir die körperliche Schwäche
einen Vorwand gibt, wieder dem Nichtstun hin. Meine Haut schmerzt von
den ersten Anzeichen eines Sonnenbrandes.
Ich liege in Gedanken versunken auf der Terrasse und schaue in Richtung
Meer: Drei sich in entgegengesetzter Richtung bewegende Wolkenschichten,
verschieden in Farbe und Charakter, bedecken mit einem Schleier den
Himmel. Fast weiß am Horizont, orange und rosa in den höheren
Sphären, und zwischendrin schwarzgrau mit fetzenartigen
Wolken, die nochmals Regen anzukündigen scheinen. Und geradeaus
über meinem Kopf ein Vorhang grauer, wattebauschähnlicher
Beutelwolken.
14. September
Schon beim Frühstück fühle
ich mich, nach einer schweren Nacht mit Rückenschmerzen
und Sonnenbrand, total erschlagen und lustlos.
Die Luft ist eine graue Suppe, der Horizont verschwindet im Dunst. Es
heißt wieder, den Tag im Liegestuhl zu verbringen, in den heißen
Mittagsstunden sogar sich im Zimmer zu verkriechen.
Als ich in den Lift einsteige, grüßt mich der Liftboy freundlich
und drückt auf den Knopf. Dabei denke ich: "Was für ein unnötiger
Beruf", und er, als ob er meine Gedanken lesen könnte, fängt
an, die Tür zu putzen und verschiedene Knöpfe zu berühren,
als wollte er tatsächlich etwas bewerkstelligen - welch ein Überfluss
an Menschen gibt es in diesem Land.
Das Hotel ist das Absteigequartier des Swissair-Personals. In schieren
Mengen lungern sie herum, die hübschen Stewardessen wie die gelangweilten
Piloten und die braungebrannten
Stewards. Von überall her kommt dieses Schwyzerdütsch zu meinen
Ohren, das, wer würde etwas anderes denken, einfach nicht zu Indien
passt. Alles, was sich hier abspielt - was eigentlich? - passiert auf
der kleinen Fläche zwischen Hotel und Strand: unter dem Bambusstangengerüst
des überdachten Restaurants, am Schwimmbassin,
das aber kaum von den Europäern benutzt wird, auf den vielen Holzpritschen
oder an der Bar. Aber diese gelangweilten Luftfahrt-Schickimickis, die,
zurück daheim, herumposaunen werden, was sie überall in der
Welt erlebt haben, setzen keinen Fuß auf den Strand dort unten,
wo der goldene Käfig aufhört und Indien anfängt. Ich
bin dem Einen oder dem Anderen gegenüber sicher ungerecht, ich
bin ja selbst auch Indien-müde, schlapp und lustlos, aber im Großen
und Ganzen ist es, so glaube ich, ein treffendes Urteil.
Unser Abstecher nach Bombay wird für mich mehr zur Qual als zum
Vergnügen. Solange wir bequem im Taxi durch die Stadt kutschieren,
kann ich die Eindrücke noch an mich heran lassen, obwohl sie mich
nicht wirklich tangieren. Sonst schleppe ich mich nur müde von
einer Stelle zur anderen. Was bleibt, sind nur Schnelleindrücke,
flüchtige Momente für die Erinnerung: Bettler, die jedes mal
wenn das Auto anhält, die Hände ausstrecken und uns mit "no
papa, no mama" oder mit "one Rupee, uncle" anreden, Palmen,
üppige Vegetation zwischen den mehrstöckigen Häusern
oder alte vornehme Villen, die jetzt nur noch die Patina der Monsunzeiten
zur Schau stellen.
Ich beobachte die geduldig wartenden Angestellten an den Bushaltestellen
mit ihren über dem Gürtel getragenen Hemden und die Frauen
in Punjabi oder Sari, wobei dieser,
wie es in Goa und in Kerala bei der Landbevölkerung üblich
ist, häufig, wie ein Dhoti, mit einem zwischen den Beinen
hochgezogenen Zipfel gewickelt ist.
Als ich im Vorbeifahren einen Beinlosen sehe, der sich, als wäre
es das Selbstverständlichste
auf dieser Welt, auf einem Skateboard fortbewegt, frappiert mich, wie
schon öfter, dieser Kontrast: einerseits die Erfolgreichen der
Mittelschicht, die sich hochnäsig und "europäisch" geben,
andererseits die Hütten am Stadtrand mit den Gestrandeten und den
Hoffnungslosen, die dennoch ein "normales" Leben zu führen versuchen.
Und im Vorbeifahren wird man immer wieder von Gestankwolken von verfaulenden
Fischen oder verrottendem Gemüse, von Schlamm oder Fäkalien
überfallen, die sich zu einem undefinierbaren Etwas mit dem Rauch
der Räucherstäbchen, der Bidis (selbstgerollten, kurzen
Zigaretten), der Feuerchen am Straßenrand, der farbigen Gewürzehaufen
oder anderer vermeintlicher Wohlgerüchen vermischen.
Ja, Indien hat einen besonderen Geruch. Als ob die feuchte Luft die
Nase mehr zum Riechen befähigte. Dennoch wirkt die Stadt weniger
indisch als gewohnt, viele Viertel wirken - wenn man sich nicht in die
Seitenstraßen verirrt - überraschend vornehm und sauber.
Man sieht nicht nur schreiendgrelle Kinoplakate sondern auch Werbung
für ein "Siddartha Computer Center".
Es fehlen - wenigstens im Stadtzentrum - die Menschenmassen, die Kuli-Rikschas,
die Ochsenkarren, das Gewühl, die Bruchbuden, die stickige, schmutzige
Atmosphäre des Nordens. Bombay ist eine lebendige, dynamische Stadt
mit altenglischem
Kolonialcharakter,
von den Bewohnern aber überbeansprucht und verwahrlost. Eine Stadt
des Geldes (die Hotelpreise sind die höchsten unserer Reise), der
Vitalität, der Hoffnung?
Was macht kunstlichtbeleuchtete Palmen vor der Kulisse eines gewittergrauen
Abendhimmels so faszinierend?
Oh würde es einmal regnen.
15. September, Ganeshas Geburtstag
Die Tage vergehen langsam und schwer. Zu mehr als
im Schatten herumliegen bin ich nicht zu bewegen. Langsam aber sicher
geht mir auch das Schwyzerdütsch auf die Nerven.
Ich erlebe in diesen Tagen Indien mehr aus einem Buch, als aus Indien
selbst. Übelkeit, Sonnenbrand und Müdigkeit haben mich schachmatt
gesetzt - körperlich, denn geistig fühle ich mich ruhig und
klar.
Der Hoteleingang trennt zwei Welten: Im Foyer herrscht die luftarme
Atmosphäre der feinen Leute und die eisige Kühle der Klimaanlage,
auf der Straße erschlägt einen sofort die tropische Schwüle.
Der Himmel ist grau, das Hemd klebt innerhalb von Minuten auf der Haut,
es wird bald regnen.
Es ist unverwechselbares Indien: Müllhaufen, wo sich Schweine und
abgemagerte Hunde tummeln, schmutzige Bananenverkäufer, kleine
Buden, verfallene, ehemals schöne Häuserfassaden, daneben
gleich wieder eine Bretterbude; Kokosnusspalmen und 20 Meter hohe Bambusstauden
in manchen Gärten und an der nächsten Ecke eine vollständig
mit Moos bewachsene alte Mauer. Wieder nehme ich bei meinem Streifzug
allerlei Gerüche wahr, und abermals überwiegt in der Mischung
der Gestank.
Plötzlich und unerwartet vernehme ich aus der Ferne rhythmische
Klänge. Ihnen sofort folgend, begegne ich, in der Nähe eines
Tempels, einer kleinen Menschenmenge: "Tatum, tatatatam, tatum tatatam"
dröhnen die Trommeln, die Trompeten begleitend. Tänzelnd und
springend folgt die kleine Gruppe, die jungen Männer getrennt von
den Mädchen, die unter sich tanzen, einer zwei Meter großen,
rosafarbigen Ganesh-Statue, die langsam durch die Gassen getragen
wird.
Die Burschen haben rot beschmutzte Hemden, Haare und Gesichter. Ab und
zu wirft jemand eine Handvoll rotes Puder in die Luft, wie bei uns Konfetti
im Karneval: sie feiern Ganesh Chaturthi, Bombays beliebtestes
Fest, den Geburtstag des elefantenköpfigen
Gottes des Glücks, des Verstandes und der Fülle.
Die Müdigkeit, die Hitze, die angeschlagene Gesundheit, alles ist
angesichts der freudigen
Überraschung vergessen, und meine Laune ist am Höhepunkt.
Hatte ich doch mit Enttäuschung in Delhi vernommen, dass all die
großen Prozessionen erst am letzten Tag des Festes stattfinden
würden, zu einem Zeitpunkt also, an dem ich bereits wieder zurück
in München sein wollte. Jetzt bin ich - habe ich es mir nicht immer
so gewünscht? - mittendrin.
Und kurz darauf folgt die zweite Wohltat: es beginnt zu regnen.
16. September, Juhu beach
Gegen Abend, als die große Hitze nachgelassen
hat und das harte Sonnenlicht einer sanfteren Stimmung gewichen ist,
bevölkert sich der Strand wieder - fast unauffällig. Kleine
Gruppen von Personen versammeln sich hier und da, als ob sie am Meeresufer
nur die gewohnte allabendliche Entspannung nach dem Arbeitstag suchten
- es fällt nichts ungewöhnliches auf.
Wie immer fährt eine meist leere Pferdekutsche von Zeit zu Zeit
am Strand entlang, wie immer springen Kinder vergnügt in die Wellen,
läuft ein Ponyvermieter, einen Reitunkundigen begleitend, schnaufend
seinem Tier hinterher.
Aber nein, irgend etwas ist doch anders. Etwas, das sich wie ein Gesang
anhört, meine Neugierde weckt und meine entspannten Sinne schlagartig
belebt. Bald stehe ich inmitten einer kleinen Ansammlung und beobachte
eine kleine Gottheitfigur auf dem Boden, einen Blumenkranz um den Hals,
eine vergoldete Krone auf dem Kopf. Ich bin Zeuge eines als Puja
bekannten Hindu-Rituals für Ganesha, oder Ganapati,
wie hier der elefantenköpfige Gott auch genannt wird.
Während Räucherstäbchen die andächtige Stimmung
mit ihrem Duft verstärken und heilige Mantras rezitiert
werden, wird Ganesha, dessen Ruf als Schlemmer sprichwörtlich
ist, mit Blumen, Früchten und Süßigkeiten geehrt. Nach
der Puja wird
die kleine Lehmstatue zum Meer getragen und nach dreimaligem Hochheben
den Wellen übergeben.
Der Gott Ganesha, der Gott der Weisheit, der Verstand, Glück
und Reichtum verleiht, wird nirgends so verehrt wie in Bombay. Man feiert
ihn mit unendlichen Prozessionen, bei denen riesige Kultbilder Ganeshas
und seiner Eltern Shiva und Parvati mitgetragen werden.
Am letzten Abend versammeln sich Millionen von Gläubigen am Strand
von Chowpatty, um die tönernen Figuren den Fluten zu übergeben.
Nun fällt mir auf, dass die Menschenmenge größer geworden
ist auf Juhu Beach. An verschiedenen Stellen sehe ich solche
Grüppchen von vier, fünf bis zwanzig Personen mit ihrer persönlichen
Götterfigur. Hier wird ein Öllämpchen angezündet,
dort Blüten angeboten, etwas Reis oder ein Stück Kokosnuss,
und dann wird die Gottheit mit großer Freude dem Meer übergeben.
Ich selbst werde auch zur Teilnahme eingeladen: ein Gabenteller wird
mir gereicht, und ich biete ihn, leicht in Verlegenheit ob der Richtigkeit
meine Handlung, der Ganesha-Figur an. Dann bekomme ich ein Glöckchen
in die Hand gedrückt, und während ich es monoton hin und her
bewege und läuten lasse, stimmt die Familie in ein Gesang ein.
Als die Puja vorbei ist und ich allmählich aus der andächtigen
Stimmung zurückfinde, fühle ich mich zutiefst bewegt. Ein
Stück Kokosnuss als Prasad (geweihte Speise) wird mir noch
angeboten, dann ein kaltes Getränk.
Überall sind jetzt Menschen zu sehen: Luftballon- und Getränkeverkäufer,
Kindergruppen,
Jugendliche und Ansammlungen von Frauen in bunten Saris.
Auch die Pferdeverleiher
kommen nun zu ihrem Geschäft.
Wie in einem alten Hollywoodfilm
mit Happy-End hat mich Indien, nach einer anstrengenden Woche ohne besonderen
Ereignissen,
und als ich gar nichts mehr erwartet hatte, im letzten Augenblick wieder
fest in den Griff bekommen.
Auch der Himmel hat sich vorgenommen,
mich zu beeindrucken und mich zum Wiederkommen zu bewegen.
So bereitet er seine Wolken für den letzten Auftritt seines Sonnenuntergangs
vor: Zuerst wird der Strand von mildem, gelbem Licht überflutet,
dann werden am Horizont und auf dem Meer zarte Töne in grau und
rosa dazu gemischt.
Und immer wieder werden, unter den freudigen Rufen der Menge, die kleinen
Statuen zum Wasser gebracht, so weit ins Meer wie möglich. Die
Frauen tauchen dabei, wie hier zu Lande üblich, voll bekleidet
in die Fluten, und allen sieht man ihre große Freude an. "Today
happiness", erklärt mir strahlend ein junger Mann, und ich
kann vor Rührung kein Wort mehr äußern, mein Hals ist
wie zugeschnürt.
Etwas später, in der Halbdunkelheit, kreuze ich mit Margit wieder
am Strand auf. Die Stimmung ist jetzt noch ausgelassener, freudiger.
Hier schmettert eine Musikgruppe ihre wilden, an Samba erinnernden Trommelrhythmen
in die Luft, dort mischt sich die mir bekannt-geliebte zuckersüße
Musik aus einem Lautsprecher dazu.
Die Öllichter, die vor den Ganesha-Figuren brennen, sind - zitternde
Lichter in der Dunkelheit
- über den ganzen Strand verstreut, die Palmen winken nur noch
als Silhouette vom Ufer her, und die hässlichen Hotelklötze
sind im Traum verschwunden.
Ich fühle mich 13 Jahre zurückversetzt, als ich zum ersten
Mal auf Chowpatty Beach dieses sanfte, liebevolle, sehnsüchtige
Gefühl erlebte.
17. September
Die letzte Beanspruchung: Um halb zwei (nachts)
lassen wir uns zum Flughafen bringen.
Es gießt. Stellenweise sind die Straßen unter Wasser. Wir
überstehen die übliche lange Flugabfertigungsprozedur, erst
dann kann es los gehen. Steil hinauf fliegt der Vogel in den nassen
Himmel hinein. Nur durch, sage ich mir, während die Maschine steigt
und vom Gewitter durchgeschüttelt wird. Dann schlägt plötzlich
ein Blitz in einen Flügel ein, es gibt einen kurzen Krach, eine
Schrecksekunde. Und dann haben wir nur noch die endlosen Stunden des
Fluges zu ertragen.
Am Morgen sehe ich überall Babys, die teils am Boden in Körben,
teils auf den Sitzen oder auf einem Schoß schlafen. Eines fängt
an zu weinen. Es sind zur Adoption freigegebene
Kinder - ein Bisschen Indien fliegt mit uns.
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