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22. August | |||||||
Weiterreise | |||||||
Ich
wache sehr früh auf. Vielleicht war es das Bellen des Höllenhundes
(des hässlichen schwarzen Köters des Hauses) oder auch das heftige
Klatschen des Regens, der bereits früh in der Nacht eingesetzt hat,
ich weiß es nicht. Ich hoffte nur insgeheim, dass der Regen die
Luft kräftig reinigen würde. Und tatsächlich, als sich
die Wolken (wenn auch nur vorübergehend) verziehen, ist die Luft
plötzlich klar. Jetzt, denke ich frohen Mutes, kann es endlich losgehen.
Und es geht auch los. Zum einen beläuft
sich die Hotelrechnung plötzlich auf ein Vielfaches des Erwarteten
– was nur zwei Schlüsse zulässt: entweder hat mein Polnisch
noch Lücken oder der Hotelier ist ein Schlitzohr –, und zum anderen
regnet es weiter auf eine Landschaft, die kein Deut aufregender werden
will. Auf der Landstraße ist die Zeit nicht stehen geblieben. Und
ich kann es nicht fassen, dass es hier am Ende der Welt nicht auch nach
dem Ende der Welt aussieht. Immerhin begegne ich wieder einem Pferdegespann
(es ist mein zwölftes) und es gibt auch während der Fahrt ein
paar weitere Details, die mich hoffen lassen: einen Storch, der hoch über
meinem Kopf fliegt, schnatternde Gänse mitten auf der Straße
und die dunklen Regenwolken, die zusammen mit dem Wind und den fallenden
Blättern eine magische Herbststimmung zu erzeugen beginnen. Ein bisserl
wenig, freilich, um dafür tausend Kilometer gefahren zu sein. |
Wenig später im Restaurant | |||||||
Tum-tum, tum-tum, tum-tum dröhnt es immer noch aus allen Lautsprechern. Bei meinem ersten Bummel auf dem Marktplatz haben mich diese Töne fast erschlagen. Ich hatte zwar die Wahl zwischen Sonnenschirmen mit Pepsi-, Coca-Cola- und jenen mit Bierreklame, ich konnte auch frei zwischen Pizza, Hot Dog oder Hamburger wählen – was zur schlechtesten Pizza meines Lebens führte, ein mit Ketchup übergossenes, mikrowellhalbaufgetautes Irgendwas –, aber ich hatte nicht die Freiheit, mich diesem Techno-Lärm zu entziehen, denn es dröhnte von überall gleichermaßen laut auf mich zu. Hier im Restaurant ist das Volumen wenigstens auf ein erträgliches Maß reduziert, so kann ich mich in Ruhe dem Essen widmen. Leider habe ich meinen Polen-Reiseführer im Hotel gelassen und muss deshalb die Speisekarte selber entziffern. Polnisch für Anfänger: Was wird wohl Zupa pomidorowa z ryzem sein? Diese erste Übung ist noch kinderleicht. Es ist Tomatensuppe mit Reis. Aber was bedeutet die Überschrift Dania z wieprozowiny? Wieprozowiny ähnelt dem tschechischen veprovy, was „schweinern“ bedeutet, also haben wir es mit Hauptgerichten vom Schwein zu tun, klar. Zeberka duszone hingegen könnte Kassler sein (gedünstetes Rippchen), denn auf Tschechisch heißt gedünstet dueny und ebirko ist das Kotelett. Bei Dania s cieleciny wird's schon schwieriger. Also Hauptgerichte aus - was fehlt noch? - ach ja, Kalbfleisch. Unter diesem Oberbegriff steht auf der Speisekarte weiter unten Sznycel cielecy po wiedensku z jaikiem. Ist auch leicht zu übersetzen: Schnitzel gebraten auf Wiener Art (also tatsächlich vom Kalb) aber jaikiem? Frage ungelöst. Leichter wird es wieder bei Karp panerowani, müsste panierter Karpfen sein. Es wird immer schwieriger. Zupy barszcz czysty verstehe ich noch zur Hälfte (heißt nicht die saure russische Suppe Borszt?). Aber, Dania jarskie placek? Ohne Wörterbuch muss ich kapitulieren. |
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