16. August | |
In Retz | |
Seit langem hatte ich diese Stadt auf meiner Wunschliste. Ein Foto des weltbekannten Graffitohauses fehlte noch in meinem Portfolio. Und jetzt stehe ich hier, mitten auf dem riesengroßen, in dieser Mittagsstunde fast leeren Marktplatz und bewundere ihn. Zweifelsohne, ein Juwel. Und sogar das Licht meint es gut mit mir. Die Sonne ist fast völlig im weißen Dunst verschwundenund hat nicht mehr die Kraft, die für Aufnahmen so ungünstige harte Schatten zu werfen, während der nördliche Himmel noch Reste von Blau aufweist, die dem wuchtigen Rathaus einen Kontrast bringenden Hintergrund liefern. Interessant, wie viele Parallelen die Stadt zu ihren vernachlässigten
Schwestern im Böhmerwald, auf der anderen Seite der Grenze, zeigt.
Am meisten fällt der große, von barocken Bürgerhäusern
eingerahmte quadratische Hauptplatz auf, und das hochragende, imposante
Rathaus, das, von allen Seiten gut sichtbar, in dessen Zentrum steht. |
Im Grenzgebiet | |||||||
Manchmal hängt meine Stimmung doch von seltsamen Zufällen ab. Ich fahre durch die nahezu ebene Landschaft südlich von Retz. Die etwas schwermütige Arie aus einer Oper „Richarda Wagnera“ – ich höre einen tschechischen Sender und die Endung „a“ kennzeichnet das tschechische Genitiv – harmoniert erstaunlich gut mit der unendlichen, trockenen Ebene rund um mich. Welkende Sonnenblumen, Weinreben auf flachen Hügeln, abgeerntete Kartoffelfelder, gelbbraune von der Sonne getrocknete Wiesen oder Stoppelfelder unter einem Himmel, der immer weißer wird, Tendenz grau. Eine Eisenbahn fährt, halb leer, in einiger Entfernung zur Straße. In den Dörfern reiht sich ein flaches, meist gelb gestrichenes Haus an das andere. Spätsommer in einer ein wenig trostlosen, melancholischen Landschaft. |
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