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Buena Vista
Social Club
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Havanna. Die besten Zigarren
der Welt
von Pierluigi Zoccatelli
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Havanna,
Samstag, 2. März |
Nur
noch zwei Tage bis zum Ablfug |
Durch
die offene Fensterfront zum Balkon kommt ein frischer
Wind herein. Ich wiege mich müde auf einem
Schaukelstuhl auf der Veranda. Während Lenin
seinen Rausch ausschläft, spielen zwei Kinder
laut im Wohnzimmer, der Kanarienvogel trillert
wie verrückt und die Fische im Aquarium spielen
unentwegt Bildschirmschoner. Der Papagei schaut
uns mit klug wirkenden Augen an. Nach einer Weile
wendet er, als ob er verlegen wäre, seinen
Blick wieder von uns ab.
So ein Schaukelstuhl ist fast wie ein Perpetuum
Mobile, denn jede Bewegung nach vorne erzwingt
eine zurück und diese wieder eine nach vorne,
und auch ohne die bewusste Entscheidung, weiterzuschaukeln,
überwiegt dieses Beruhigende, dieses Einlullende,
dieses Bewahrende, das die Zeit vergehen lässt
und die Gedanken schweben lässt oder sogar
zum völligen Stillstand führt.
Stundenlang verharre ich in diesem quasi meditativen
Zustand. Bald gesellt sich auch Roberto dazu,
später kommt Carolina zum Füttern der
Vögel in den Raum. Auf den Papagei ist sie
nicht gut zu sprechen, denn er sei eifersüchtig,
behauptet sie. In der Früh könne man
ihn öfters hören, wie er "Leninito,
Leninito", oder "Cesar, Cesar"
(Lenins Sohn), krächze. |
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Dennoch habe auch Lenin schlechte Erfahrungen
mit dem eigensinnigen Tier gemacht. Als er eines
Morgens, noch etwas benebelt von einer zu kurz
geratenen Nacht anscheinend für den Papagei
merkwürdig anzusehen war, kniff ihm dieser
den Finger blutig. Worauf Lenin den Käfig
öffnete, den Papagei am Hals packte, ihn
würgte, kräftig durchschüttelte
und laut beschimpfte. Das Dienstmädchen wunderte
sich nicht wenig, wie zerrupft das arme Tier an
diesem Tag aussah.
Die frühe Rückkehr nach Havanna und
das zunehmend feuchte Wetter haben unsere Unternehmenslust
stark gebremst. Das Gefühl, dass jetzt die
Reise zu Ende ist, setzt sich bei uns durch und
wir kommen zur Einsicht, dass es vielleicht besser
gewesen wäre, bis zum Abflugtag noch unterwegs
zu bleiben.
Für sieben Uhr ist ein letztes Treffen mit
Omar vereinbart, der
für Roberto noch Zigarren besorgen wollte.
Der Schwarzmarkt für gefälschte
Markenzigarren blüht, das liest man in jedem
Reiseführer, und der Tourist wird immer wieder
gewarnt, ja nur in den offiziellen Läden
zu kaufen, um nicht Zigarren minderer Qualität
zugeschoben zu bekommen.
Die Schachteln mit ihren Etiketten werden meist
direkt aus der Fabrik mitgenommen, die Zigarren
selbst, so heißt es, stammten aber zu 99
% nicht wie versprochen aus der Tabakfabrik sondern
von einem privaten Hersteller, der meist ganz
andere Qualitätsmaßstäbe
anlegt. Dass diese Zigarren aber aus Bananenblättern
gemacht würden, das soll die Ausnahme sein.
Wir vertrauen jedenfalls auf die Aussagen von
Aldo, dass Omars Quellen absolut zuverlässig
seien. Und als repräsentative Geschenke werden
die so erworbenen Zigarren jedenfalls noch taugen.
Wir beenden den Tag in einer Pizzeria im Vedado.
Auch was das Essen betrift, ist unsere Unternehmungslust
inzwischen stark abgeflaut.
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Havanna,
3. März |
"Buon giorno",
rufe ich auf Italienisch in Richtung Küche.
Keine Antwort. Erst eine Minute danach kommt Carolinas
späte Reaktion: "Scusami",
sagt sie noch halb verschlafen, während sie
mir eine Tasse Kaffee ins Zimmer bringt, "Ich
wusste nicht gleich, wer mir guten Morgen zugerufen
hat".
Es ist bewölkt, die Luft feucht, drückend,
unsere Lust, etwas zu unternehmen, gering. Wir
raffen uns gerade noch auf, zum Pain-de-Paris-Laden
zu gehen, einen
cafe con leche einzunehmenund uns
über die unwahrscheinliche Langsamkeit zu
wundern, mit der wir bedient werden. Der grimmige
Zeitungsverkäufer, der jedes Mal versucht
hat - und das mit geradezu penetranter
Unfreundlichkeit -, uns die Tageszeitung
aufzuschwatzen, würdigt uns heute keines
Blickes.
Danach heißt es wieder schaukeln, schaukeln,
schaukeln, lesen, warten, die Hitze vorbeiziehen
lassen, an kühle Tage in den Bergen denken
(in München soll es derzeit wieder winterlich
sein), wieder warten, lesen und den Lärm
im Geiste wegfiltern, der von allen Seiten auf
uns eindrischt, von der Straße, vom Radio,
vom Telefon und sogar vom Kanarienvogel, der sein
Trillern zu einer erstaunlichen Lautstärke
gebracht hat.
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Zum
letzten Mal in der Altstadt |
Erst gegen drei Uhr - der Himmel ist plötzlich
wieder erstaunlich klar geworden - machen wir
uns noch einmal auf den Weg nach Habana Vieja.
Jeder geht diesmal seine eigenen Wege. Ich schleppe
mich eine Weile, müde und nicht besonders
motiviert, auf Fotopirsch herum, um es schließlich
vorzuziehen, in einem von Arkaden umringten und
mit üppigen tropischen Gewächsen versehenen
Patio ein kühles Bier zu trinken. Ich sinniere
lange und etwas melancholisch vor mich hin, dann
raffe ich mich wieder auf und kehre zu den Plätzen
voller Touristen und professioneller Fotomodellen
(un dollaro por favor) zurück, wo
ich mit Roberto den Treffpunkt ausgemacht habe.
Aber es wird nur noch ein Warten, dass die
Zeit bis zum Abend vergeht. Die wache Aufmerksamkeit,
die ich in den ersten Tagen dieser schönen
Stadt entgegengebracht hatte, ist verloren
gegangen. Und das, obwohl uns die Plaza de Armas
von ihren Sitzbänken im Schatten riesiger
Bäume aus eine Theatervorstellung
ohne Schauspieler bietet, die lebendiger nicht
sein könnte. Es ist, obwohl der Platz völlig
auf Tourismus eingestellt ist, was ihm etwas von
seiner Atmosphäre nimmt, dennoch ein zauberhafter
Ort. Rund
um die kleine Gartenanlage findet man reihenweise
Buchstände, an denen man unter anderem schöne
alte, in Leder gebundene Bücher kaufen
kann. Und von allen Richtung kommt kubanische
Musik auf uns zu.
Im letzten Sonnenlicht erstatten wir
dem Malecon einen letzten Besuch ab. Dann fahren
wir wieder zum Abendessen ins Paladar von Doña
Eugenia, wo wir die gleichen Gerichte wie beim
letzten Mal zu uns nehmen und unseren Abschiedsabend
mit dem gleichen vorzüglichen Weißwein
von damals zelebrieren.
Aber unsere Gedanken sind schon ganz woanders.
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Havanna,
4. März |
Die
Zeichen stehen auf Sturm |
Es
ist verdammt kühl geworden. Ein bleierner
Himmel taucht die Aussicht in eine dumpfe, unfreundliche
Stimmung. Zuweilen tröpfelt es. Die Fenster
von Lenins Wohnung müssen geschlossen bleiben,
denn es weht ein starker, für unseren Abflug
gar nichts Gutes verheißender Wind. Hinter
dem gewaltigen Bau des Hotels National ist ein
schäumendes Meer mit meterhohen Wellen zu
sehen, das außerordentlich beeindruckend
ist, ein Spektakel, das mir unter anderen Umständen
großen Spaß bereitet hätte. Aber
gerade heute? Wenn ich an den bevorstehenden Abflug
denke, wird es mir beinahe etwas mulmig. Werden
die Flugzeuge unter diesen stürmischen Voraussetzungen
überhaupt starten können?
Zu mehr als einem kurzen Spaziergang (und anschließendem
Essen in einem paladar) habe ich keine
Lust. Zumal es mir ohne Windjacke ausgesprochen
kalt ist.
Ich lese, schaukele, schreibe und blicke alle
paar Minuten aus dem Fenster, um zu sehen, ob
der Wind nicht doch noch etwas nachlässt.
Als sich am Nachmittag die Situation noch immer
nicht verändert hat - der Sturm hat sich
alles andere als gelegt -, bitte ich Carolina
darum, am Flughafen anzurufen und sich zu erkundigen,
ob unserer Flug auch planmäßig abfliegen
wird. Sie schmunzelt, aber erfüllt meine
Bitte: Es sind keine Stornierungen vorgesehen.
Überpünktlich bestellen wir uns ein
Taxi und fahren zum Flughafen. In größerer
Entfernung zum Meer scheint es mir fast, als würde
der Wind schwächer wehen. Und als wir dann
in der Abflughalle in der etwa hundert Meter langen
Schlange auf die Gepäckabfertigung warten,
ist alles vergessen. Auffallend sind die vielen
jungen Mädchen in Begleitung älterer,
europäisch aussehender Männer. Sind
es chicas, die es geschafft haben, diesem Land
zu entkommen? Doch auch dieser Gedanke beschäftigt
mich nicht mehr lange, ich denke jetzt nur noch
an zu Hause.
Dann ist es so weit: Um 23 Uhr 35 hebt unsere
Maschine endlich ab.
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