Das Meer der Illusionen.
Das Havanna-Quartett: Herbst
von Leonardo Padura
ein packender,
eindringlicher und stiller Krimi
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Die kubanische Frau
Zur Erotik in der weiblichen Gegenwartsliteratur
Kubas
von Katrin Kollenz
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Von Träumen und anderen
Wirklichkeiten. Einblicke in das Leben kubanischer
Frauen
von Madeleine Porr
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Kleine Geschichte Kubas
von Michael Zeuske
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Die Kuba Küche
von Alex Garcia
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Cienfuegos
Dem,
der Havanna kennt, fällt sofort die Gemächlichkeit
auf, die in der Stadt herrscht. Sogenanntecoches (Pferdetaxis), Pferdekutschen, Fahrräder
und eine Minieisenbahn, wie man sie von Vergnügungsparks
kennt, sind gängige Verkehrsmittel, beherrschen
das Straßenbild und geben ihm einen Rhythmus,
der weniger rastlos ist als jener der
Hauptstadt.
In Prospekten und Reiseführern wird Cienfuegos
(die Stadt der hundert Feuer) als Perle des Südens
bezeichnet. Zugegebenermaßen
ist es eine attraktive Stadt: in herrlicher
Lage über schmale Landspitzen verstreut,
die sich in die weite Jagua-Bucht am Eingang zum
karibischen Meer vorstrecken, und mit neoklassizistischen
Prachtbauten und großzügig angelegten
Straßen versehen, an denen der frühere
Reichtum noch anzusehen ist. Die großartigen
im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert
entstandenen Prachtbauten der Zuckerbarone verdankt
die Stadt einer auch heute noch blühenden
Zuckerindustrie.
Zielstrebig sucht Omar nach der casa particular,
deren Adresse wir von Robertos Gastgeber in Viñales
bekommen hatten. Und weil das Haus sehr günstig
in der Nähe des Malecon (so werden
die Strandpromenaden im
karibisch-spanischen Raum meistens genannt) gelegen
ist, sagen wir gleich zu.
Unsere beiden Zimmern liegen zurzeit völlig
im Dunkeln.
Stromausfall oder Stromsperre? Man versichert
uns, dass jeden Augenblick der Strom wiederkom men
würde. Es könne sich nur um Minuten
handeln. So bleibt uns nichts anderes übrig,
als unser Gepäck abzustellen und uns ein
wenig die unmittelbare Umgebung anzusehen.
Keine zehn Minuten treiben wir uns am Malecon
entlang, da tauchen schon zwei schwarze Mädchen
auf, die uns, vorerst aus einiger Entfernung,
freundlich anlächeln, dann deutlich eine
Erwartungshaltung einnehmen. Worauf Roberto kurz
ein Gespräch anknüpft.
Kubanische
Frauen
Die Mädchen, die so direkt auf die männlichen
Touristen zugehen, sind manchmal erstaunlich hübsch,
öfters auch noch sehr jung und dermaßen
provozierend und aufreizend angezogen, dass sie
fast automatisch erotische Gedanken provozieren.
Die Anmache ist aber meistens so offensichtlich
käuflicher Natur, dass einem der Flirtansatz
sehr bald im Hals stecken bleibt.
Viele Touristen kommen gerade wegen dieser käuflichen
Liebe nach Kuba, die sie in ihrer Fantasie zu
einem erotischen Abenteuer hochstilisieren, damit
sie sich ein wenig wie Hemingway oder unserer
Mann aus Havanna fühlen können.
Das, was unzähligen kubanischen Frauen im
Kopf herumgeht, kann auf ein Phänomen zurückgeführt
werden, das vielen Entwicklungsländern zu
Eigen ist: Der Mann aus einem entwickelten Land
wird als eine Möglichkeit gesehen, der Armut
und der Trostlosigkeit des Lebens zu entfliehen.
Aldos Frau hatte uns beispielsweise von einer
28-jährigen Freundin erzählt, die nur
zu gerne einen 40- bis 50-jährigen Ausländer
geheiratet hätte.
Und weil die Hoffnung auf eine Heirat meistens
unerfüllt bleibt, begnügt sich die junge
Frau vielleicht mit einer Einladung zum Essen,
einem Drink in der Disko oder auch nur mit ein
paar Dollar-Scheinen. Sie
nimmt sich etwas, was sie in ihrem "System"
nicht so leicht bekommen kann - einen Anteil am
schönen Leben. Und weil die Kubaner im Allgemeinen
auch freizügiger in sexuellen Dingen sind,
endet so eine Begegnung mit einem Ausländer
dann meistens im Bett.
Wo fängt Prostitution an? Ist es eine Frage
der sozialen Klasse? Sind alle Kubanerinnen wirklich
so freizügig, oder gibt es auch hier so etwas
wie eine doppelte Moral? Auf der einen Seite die
Frauen, mit denen man ein schnelles Abenteuer
hat, wofür man ge ge be nenfalls
bezahlt, auf der anderen die novia (Verlobte),
die selbstverständlich keusch und treu zu
sein hat? Quien sabe (Wer weiß)?
Omar, Sohn von Landarbeitern aus der Gegend von
Pinar del Rio, geht laut eigener Aussage mehrmals
in der Woche in eine Disko, um dort Frauen aufzureißen,
er schwört aber gleichzeitig hoch und heilig
auf seine novia, die natürlich häuslich
und treu sein soll.
Cienfuegos
ist nicht Havanna
Vieles
hier versteht man besser, wenn man die wirtschaftliche
Situation der Menschen betrachtet. Wie diese wirklich
ist, merkt man an vielen kleinen Details. Der
Inhaber unserer casa empfiehlt uns, einen Mann
zu beauftragen, die ganze Nacht vor dem Haus zu
sitzen, um unser Gefährt zu bewachen. Und
das für 2 Dollar (!). Wir stimmen zu. Und
tatsächlich, als ich gegen 22 Uhr zur zurück
komme, sitzt ein älterer Herr auf der Haustreppe
und bewacht unser Gefährt. Er lächelt
mich freundlich an und fragt mich, ob er das Auto
vielleicht auch reinigen soll. Was für ihn
eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit
wäre.
Als endlich wieder Licht in unseren Zimmern ist,
packen wir das Nötigste aus, duschen, rasieren
uns, wechseln die Hemden und schlendern schließlich
eine Weile gemächlich auf dem von prächtigen
Säulengängen flankierten Prado,
übrigens der längsten Flaniermeile Kubas,
oder schauen aufs Meer vom Malecon, der
die direkte Fortsetzung des Prado ist.
Es ist wirklich eine einnehmende Atmosphäre,die
die Stadt ausstrahlt. Aber sobald wir ein Restaurant
oder ein Café suchen, merken wir, dass
nicht viel von dem, was Havanna so interessant
und lebendig mach, auch in Cienfuegos zu fin den
ist - es herrscht absolut Langeweile.
Als wir Promenade und Seitenstraßen
bereits zum x-ten Mal auf- und abgegangen sind,
entscheiden wir uns schließlich für
das Restaurant "La Verja", das mich
zwar durch seine Kolonialarchitektur
beeindruckt, sich aber von der kulinarischen Seite
- wie sich später herausstellt - als völliger
Reinfall entpuppt. Aber die vier älteren
Herren, die mit Bongos, Gitarre, Bass und Trompete
bewaffnet, uns beide und die einzigen zwei weiteren
Gäste mit lateinamerikanischen Rhythmen beschallen,
hören sich gut an (sofern man sie hören
kann, denn von nebenan dringt laute Diskomusik
herein), und das stimmt mich milder.
Nach dem Essen treibt sich Roberto noch etwas
herum und landet schließlich in einer Disko,
während ich am Malecon entlang bummle
und nachdenklich junge Leute vor einer Diskothek
im Freien beobachte und eine Zeit lang der lauten
aber doch anregenden Musik lausche. Ich fühle
mich dabei ein wenig einsam und verirre mich deshalb
vorübergehend in trüben Gedanken. Weswegen
ich kurz entschlossen zur casa particular
zurückkehre.
Cienfuegos,
23. Februar
Ein
Regentag
Ein
starker Wind und dicke graue Wolken lassen nichts
Gutes ahnen. Hatten wir kurz noch mit dem Gedanken,
baden zu gehen, liebäugelt, werden wir sehr
bald davon abgebracht. Wir haben gerade noch die
Zeit, eine Stippvisite in eine Seitenstraße
des Prado zu machen, da fängt es bereits
an zu tröpfeln. Minuten später regnet
es schon stärker, und in null Komma
nichts bricht ein tropischer Regenguss aus, der
uns bis auf die Haut durchnässen würde,
wären da nicht die rettenden Arkaden des
Prado.
Und doch ist dieser Regen eine Schau, die sehenswert
ist. Wassermengen schießen auf die Straße,
Straßen verwandeln sich in Flüsse.
Es sieht so aus, als ob der Regen nicht wie gewöhnlich
in Tropfen oder Schnüren niederginge, sondern
als ganzer Regenvorhang, der wie auf einer Bühne
auf- und zugeht und die gegenüberliegende
Straßenseite immer wieder verhüllt.
Währenddessen gurgelt das Wasser mit Wucht
aus den Regenrinnen und schäumt anschließend
mit Hochgeschwindigkeit die Rinnsteine entlang.
Die Gelassenheit, mit der zwei Männer, die
nassen Hemden an der Haut klebend und die Schuhe
knöcheltief in der Pfütze, einen Pferdewagen
entladen, die scheinbare Seelenruhe, mit der vom
Regen überraschte Rad- und Motorradfahrer
weiter fahren, die Autos, die an manchen Stellen
meterhohe Spritzer erzeugen und das plötzliche
Dunkelwerden dieser meist lichtüberfluteten
Stadt - es ist ein Spektakel, der nur aus der
Kaffeehaus- Perspektive schöner sein könnte.
Daran hindert uns leider genau dieser Regen. Denn
bis zur nächsten Café schützen
uns die Arkaden nicht. Es heißt warten.
Zeitweise hellt es auf und der Niederschlag reduziert
sich auf ein klägliches Tröpfeln, aber
kaum raffen wir uns auf, um unseren Erkundungsrundgang
fortzusetzen, schon setzt der Regen wieder ein.
Schließlich, uns von
Regenpause zu Regenpause fortbewegend, landen
wir in der Bar Palatino am Parque José
Martí. Am Rande dieses großen
palmenbewachsenen Parks mit einem hübschen
Musikpavillon in der Mitte findet man die imposanteste
Architektur. Es ist die beste Lage der Stadt.
Überragt wird der Platz von der Kathedrale,
und an der Nordseite erhebt sich das Teatro
Tomas Terry, vielleicht das bezauberndste
Theater aus Kubas Kolonialzeit.
In der Bar Palatino sitzt man im Freien und doch
im überdachtem Bereich hinter Kolonnaden,
und nur gelegentliche jineteros (Schlepper)
können einen daran hindern, völlig zu
entspannen und die Stelle zu genießen.
So deklarieren wir den Tag kurzerhand zum Entspannungstag,
geben uns den Nichtstun hin und warten in aller
Ruhe darauf, dass der Regen aufhört. Zwei
Zeichner beobachten uns dabei vom Nebentisch und
versuchen, uns klammheimlich zu konterfeien. Wir
merken es zwar, aber lassen sie tun. Und da uns
das Ergebnis (eine Karikatur) gut gefällt,
endet alles in Wohlgefallen - für einen Dollar
pro Portrait.
Als der Regen nachlässt, schlendere ich eine
Weile allein
durch die Stadt; die Luft dampft noch, in der
Hafengegend riecht es nach Moder, es fehlt das
Straßengewimmel von Havanna, alles ist eine
Stufe gedämpfter: Man sieht weniger Oldtimer,
mehr Fahrräder und zahlreiche Pferdetaxis.
Bis zu acht Personen, Kleinkinder nicht inbegriffen,
können auf so einem Wagen eng zusammengepfercht
Platz nehmen. Gemächlich trabende
Pferden ziehen ihn den Prado, und seine Fortsetzung,
den Malecon entlang. Der stadtnahe Teil dieses
Boulevards ist von billigen Cafeterias
und Diskotheken gesäumt, aus denen permanent
laute Musik quillt, während weiter
unten, im ehemaligen Nobelviertel
Punta Gorda eine Handvoll
verfallener Villen provinzielle Trostlosigkeit
und Träume von alten Zeiten suggerieren.
Abends essen wir in unserer casa particular,
es gibt zarten Fisch vom Grill mit Reisbeilage
und gebratenen Kochbananen als Garnierung,
Tomaten- und Gurkensalat. Zum Trinken wird ein
Krug mit frischgepresstem, mit Wasser verdünnten
Orangensaft auf den Tisch gestellt, als Nachspeise
gibt es aufgeschnittene Orangen und
Ananas. Wenn man bedenkt, dass ich tagsüber
höchstens ein bocadillo (belegtes
Brötchen) zu mir nehme, und Roberto oft völlig
aufs Essen verzichtet, ernähren wir außerordentlich
leicht und gesund.