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Reise durch Cuba ( Kuba)
von Karl-Heinz Raach
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Lonely Planet Kuba (Deutsche Ausgabe)
von Brendan Sainsbury
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Havanna. Die besten Zigarren
der Welt
von Pierluigi Zoccatelli
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Viñales,
21. Februar |
Morgenspaziergang |
Um
acht Uhr ist die kleine Stadt
bereits voll erwacht, das Licht ist knallhart
und kündigt einen heißen Tag an. Von
der Hauptstraße sind es nur ein paar
Schritte in eine Nebenstraße, und schon
bin ich auf dem Land, mit gackernden, freilaufenden
Hühnern, an Pfosten in Hinterhöfen
festgebundenen Schweinen, guajiros
(Landarbeitern), die langsam auf ihrem Pferd
oder Maultier vorbeireiten und Kindern in Schuluniformen,
die eilig zum Bus laufen.
Pinien säumen die Hauptstraße, Bananen,
Palmen, Flamboyantes und Kastanien erzeugen ein
üppiges, tropisches Ambiente, fast so wie
ich es mir vorgestellt habe, Weihnachtssterne
wachsen sparrig und
mannshoch vor den armseligen Behausungen, die
sehr stark an "Onkel Toms Hütte"
erinnern.
Am Dorfrand gibt es - Erbschaft der Amerikaner
- einen Baseballplatz. Davor steht in
dieser frühen Stunde eine Gruppe älterer
Menschen, die nach den Anweisung eines Trainers
ihre Morgengymnastik machen. Dieser
kleine zauberhafte Morgenspaziergang
hat meinen Wunsch, hier länger zu verweilen,
noch verstärkt. Doch zu zweit muss man Kompromisse
schließen, und für die zwei Wochen,
die uns zur Verfügung stehen, haben wir uns
eine Menge vorgenommen.
So fangen wir damit an, das ganze touristische
Pensum zu absolvieren, das uns der Reiseführer
für diese Gegend vorschlägt: Die bizarre
Mogotes-Landschaft aus der Nähe bewundern,
die Cueva del Indio in einer unterirdischen
Bootsfahrt erkunden, das Mural Prehistorico,
ein überdimensionales Felsengemälde,
das prähistorischen Felsmalereien nachempfunden
ist, wenigstens aus der Ferne in Augenschein nehmen,
und schließlich eine fabrica de tabaco
(Zigarrenfabrik) in Pinar del Rio besichtigen.
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Abstecher
nach Pinar del Rio |
Für "nur"
fünf US-Dollars kann man den tabaqueros
zuschauen, wie sie die Deckblätter nach Größe
und Farbe sortieren, die Zigarren rollen, schneiden,
etikettieren, prüfen.
Man kommt sich vor wie in einem Zoo. Während
die Arbeiter und Arbeiterinnen in langen Reihen
von Bänken wie in einer Schulklasse bei ihrer
Arbeit sitzen, bewegen sich Scharen von Touristen
zwischen den selben, knipsen nach Belieben, ohne
die Fotografierten auch nur zu fragen - man hat
schließlich fünf Dollar bezahlt! -,
marschieren durch die Räume,
ohne ohne sich wirklich die Zeit zu nehmen, die
ganzen Arbeitsabläufe zu beobachten oder
sich diese erläutern zu lassen.
Ich kann es natürlich auch nicht lassen,
die eine oder andere Person auf meinen Film zu
bannen, versuche aber, mein Gewissen wegen dieser
nicht gerade würdevollen Vorgangsweise zu
beruhigen, indem ich die Betroffenen freundlich
anlächle und sie mit einigen Münzen
entschädige. Monedas ist ohnehin das
am häufigsten gehörte Wort in diesen
Räumen. Vermutlich verdienen die Fotogensten
unter ihnen mehr durch Trinkgelder als mit ihrem
Arbeitslohn.
Nach dem Fabrikbesuch fährt uns Omar zu einer
der bekanntesten Tabakfarmen in Kuba, die von
Alejandro Robaina. Hier in der Gegend von San
Luis widmet sich seine Familie bereits seit 1845
dem äußerst schwierigen und anspruchsvollen
Job des Tabakanbaus. Nicht umsonst gilt heute
"Don Alejandro Robaina", Sohn des "Maruto
Robaina", als Kubas bester und mit nun 94
Jahren auch ältester Tabakfachmann.
Laut Grandma International "The world's best
tobacco grower" - eine Legende.
Wer von uns sich bisher große, weite Tabakfelder
im Freien vorgestellt hat, der wundert sich jetzt
darüber, dass die Führung in einem
von einem Gaze ähnlichen Stoff überdachten
Feld beginnt. Man erklärt uns, dass zur Produktion
der großen, dünnen Blätter für
die Zigarrendeckblätter über den Feldern
große Baldachine aus feinem lichtdurchlässigen
Gewebe errichtet werden. Diese filtern etwas von
der Sonnenkraft heraus, was den Blättern
einen zarteren Geschmack gibt.
Bei den dafür verwendeten großblättrigen
Stämmen werden vor der Blüte die Blütenstän
oben an der Pflanze entfernt, damit sich das Wachstum
auf die Blätter konzentriert.
Die Blätter werden dann, sobald sie einen
bestimmten Reifegrad erreicht haben, zeitlich
gestaffelt von Hand geerntet. Man hängt
sie in der Folge in Trockenspeichern auf,
wo sie an der Luft, über einem Feuer oder
mittels Trocknungsautomaten getrocknet werden;
jede Tabaksorte welkt, färbt sich und trocknet
so auf spezielle Weise, um jeweils das erwünschte
Aroma zu erzielen.
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Zurück
in Viñales |
In
der Villa Heriberto angekommen, bin ich mir zuerst
nicht sicher, ob es sich um die richtige casa
particular handelt. Die dickliche alte Frau mit
feinem Oberlippenbart und traurigem, fast beleidigten
Blick, die im Haus herumschleicht, scheint mir
überhaupt keine Ähnlichkeit mit der
freundlichen Frau zu haben, die mir gestern Abend
begegnet ist. Aber ich muss gestehen, ich erinnere
mich nicht mehr genau an
ihr Aussehen. So grüße ich verlegen
aber freundlich und ernte dabei ebenfalls nur
ein verlegenes, fast abweisendes Lächeln.
Inzwischen hat Roberto entgegen der
Absprache mit unseren Gastgebern das Abendessen
wieder in seiner casa bestellt, was mich noch
etwas mehr in Verlegenheit bringt. Tatsächlich
fragt mich etwas später die traurige Gestalt,
jetzt mit sehr vorwurfsvollen Blick, warum wir
denn drüben essen würden, wo sie doch
alles schon hier vorbereitet habe.
Die Wogen glätten sich erst als die Tochter
- in ihr erkenne ich jetzt die freundliche Frau
von gestern - von der Arbeit zurückkehrt
und nach langem Palaver mit der Nachbarin mit
dieser eine Übereinkunft findet.
So können wir schließlich ohne Gewissensbissen
unser Abendessen genießen, das im Übrigen
eine fast identische Kopie des gestrigen Essen
ist; Gurken, Tomaten, Reis, Bohnen etc., nur der
Hummer wird diesmal von pollo (Hühnchen)
ersetzt.
Wie das Abendessen entpuppt sich auch der Abendspaziergang
als ein Duplikat des gestrigen. Merkwürdigerweise
kann ich ihn aber heute mehr genießen. Vielleicht
liegt es am lauen Abend, an der Sternennacht,
am Halbmond, der auf dem Rücken liegt, an
der wirklich guten Musik, die von den zwei Lokalen
herausströmt, oder vielleicht bin ich auch
nur ausgeruhter. Ich kann aber auch nicht ausschließen,
dass es die zwei Mojitos sind (Cocktails
aus weißem Rum, Zucker, Zitronensaft, Eis
und Pfefferminzblättern), die mir zu einer
gelasseneren Stimmung verholfen haben.
Es sind die selben in Dunkelheit getauchten Nebenstraßen,
es ist die selbe Hauptstraße, es sind die
gleichen Menschen, die hin und her schlendern
oder nur gelangweilt herumstehen. Ich erkenne
den einen oder anderen sofort. Wieder sehe ich
die Schwarze mit dem prallen Hintern. Aber heute
erscheint mir die primitiv wirkende Frau nur als
das, was sie wirklich ist: eine einfältige
Dorfschönheit, die im Leben keine Chance
bekommen hat, und die durch ein wenig Sex, Musik
und menschlichem Kontakt, sich das zu nehmen versucht,
was sie kann - vielleicht auch nur ein paar Dollar
von den Touristen.
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