Prangschießen
 

An einem Juni-Wochenende in Oberösterreich
Schützenfahnen, Uniformen, Trachten, Märsche, Blasmusik, geschwollene Worte über Heimat, Brauch, Glaube und Kameradschaft, wie urdeutsch sind sie; wie martialisch die zackigen Bewegungen der Hand mit dem Taktstock, wie verbindend die Minuten der Stille bei der Kranzniederlegung.
Wie viele Menschen, die bei einem Schützenfest paradieren, "hatten einen Kameraden", dem sie nachtrauern können, wie viele nehmen die Geleitworte des Bezirkkommandanten, die hochklingenden Aufforderungen der Honoratioren oder die frommen Worte des Landesschützenkurat wirklich ernst?
Und doch: Solch eine Aufführung verfehlt nicht ihre Wirkung. Nicht auf diese Menschen mit ihren grobgeschnittenen, bajuwarischen Gesichtern unter dem Trachtenhut und nicht auf mich. Wir alle spielen die gleiche Rolle, das Sich-versetzen in eine Welt der edlen Gefühle, und sind mitgerissen bei der Ansicht der uniformierten Menschen, die dies alles so ernst zu nehmen scheinen, als hinge ihr Leben davon ab. Sie nehmen sich ernst, scheinen sie auszudrücken, und deshalb darf keine Fröhlichkeit aufkommen, wenn vorher nicht defiliert, marschiert, im Chor gesungen oder an einer Feldmesse teilgenommen worden ist. Ebenso braucht man auch die gleichmachenden grauen, grünen oder blauen Loden­trach­ten­jan­ker, die Hüte und die Ver­zie­run­gen auf den Kniebundlederhosen, um Zugehörigkeit zu demonstrieren. In der Uniform ist man wichtig, man spielt die Rolle derer, die etwas bedeuten, als ob die Schützen noch gestern nicht aus Freude an Spiel und Lärm, sondern um das Vaterland zu verteidigen, geschossen hätten.
Feiern ist hier nicht Lebenslust, es ist Kontrolle, Ritus, Erleben von Gemeinsamkeit, Unterordnung, Verschmelzen in der Gruppe, in Ernst und Pflicht - Feierlichkeit; und gleichzeitig ist es geplante, nach einem festen Schema inszenierte Regie.
Erst wenn man dieses "Feierliche" mit Geduld über sich ergehen gelassen hat, kommt endlich der Auftakt zum "loslassen", der Übergang zum ausgelassenen Teil des Festes, mit Musik, Ge­sel­lig­keit, Trank und - Lärm. Und dann wird geschossen was das Zeug hält, als möchte man all das ausspeien, was bis dahin unterdrückt geblieben war. Es donnert aus den großkalibrigen Prangerstutzen, zuerst langsam, dann schneller, blitzend, rauchend, schnell alles einhüllend. Die Schützen verschwinden sekundenlang in einer gewaltigen Rauchwolke, und es gibt einen so lauten Krach, dass die Erde zu beben scheint und die Magengrube zittert. Beim Schießen ist der Rückstoß so heftig, dass auch robuste Männer, wenn sie sich nicht recht breitspurig aufgestellt haben, ins Wanken kommen. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Als die Schützen aus dem Qualm wieder auftauchen, verbreitet sich ein Geruch von Rauch und Schwefel, der sich mit dem der Bratwürste aus dem Festzelt vermischt. Der Übergang ist fließend. Bald verschwinden Zuschauer und Akteure in der drückenden Hitze des Festzeltes.
Das festliche Schießen mit Böllern, Salutkanonen und Gewehren ist, der örtlichen und zeitlichen Verbreitung und der Anzahl von Anlässen nach, der am weitesten verbreitete aller Lärmbräuche, deren Krönung, gewissermaßen.
Der Brauch, hohe Gäste durch Abgabe von Salutschüssen (aus dem Lateinischen Salutatio = Begrüßung) zu begrüßen und zu ehren, ist im ganzen Abendland seit der Einführung des Schießpulvers nachweislich ver­breitet und fand besonders in den Alpenländern einen fruchtbaren Boden.
Das Salutschießen entstand als eine militärische Ehrerbietung, die noch heute nach festen Regeln und jahrhundertealtem Brauch angewendet wird. Mit dem Begrüßungsfeuer wollte die Besatzung eines Ortes bei der Ankunft eines bedeutenden Gastes das Vertrauen zu dessen friedlicher Gesinnung dadurch ausdrücken, dass sie die zur Verteidigung geladenen Geschütze durch Abfeuern entluden.
Insbesondere in Stadt und Land Salzburg und in den angrenzenden Gebieten Bayerns und Österreichs entstanden, von den dortigen Schützentraditionen hervorgebracht, einzigartige Formen dieses Brauches.
Im Salzburger Flachgau und Tennengau entwickelte sich etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein zu den volkskundlichen Einmaligkeiten zählendes Schießgerät, der Prang(er)stutzen. ein Prachtstück in Form und Ausarbeitung, das in seiner Knallwirkung fast schon an eine größere Salutkanone herankommt. Der älteste erhaltene Stutzen stammt aus dem Jahre 1693.
Unter Prang versteht man seit alters her den Prunk der kirchlichen Feste im Jahreslauf. Die dabei verwendeten Prangstutzen sollen ursprünglich dazu gedient haben, in den Prozessionen das Allerheiligste (die "Prang") zu schützen, In ihrer heutigen Form dienen sie jedoch ausschließlich dem brauchtümlichen Schießen, mit anderen Worten, sie sollen den Glanz der verschiedenen kirchlichen und weltlichen Feiern durch festliches Schießen erhöhen. Die Prangerschützen sind, wie der Obmann der Prangerstutzenschützen in Thalgau von sich gegeben hat, "Ankündiger aller kirchlichen und weltlichen Ereignisse ohne Telefon".
So lassen die Schützen ihre großkalibrigen, kurzen Prangerstutzen dröhnen und erhöhen damit die Festlichkeit; häufig dient die Abgabe der Salven auch der Ehrung und Begrüßung prominenter Per­sön­lich­kei­ten.
Das Wort "Prang" (Prunk, Zierde, Schmuck, Zur-Schau-stellen) widerspiegelt sich auch in der kunstvollen Verarbeitung mancher Stutzen, wahre Meisterwerke der Ziselierkunst und Ornamentik.
Obwohl sich in neuester Zeit der Trend zu leichteren Prangerstutzen (um 15 Kilo) verstärkt, kann so ein (zwischen 50 und 70 cm langes) Gerät auch 20 kg und mehr wiegen. Das Rohr des Stutzen setzt sich aus Sicherheitsgründen aus einem Rohrmantel aus Kanonenbronze und einem Stahlrohreinsatz zusammen. Reine Messing- oder Bronzeguss-Stutzen dürfen in Österreich nicht mehr verwendet werden. Das Kaliber kann, der Größe des Stutzens entsprechend, bis zu 40 mm betragen. Für einen Abschuss braucht man feines und gekörntes Schwarzpulver, eine Kapsel und einen Papierstoppel, der mit einem Ladestock im Rohr verdämmt wird.
Ursprünglich auf ein ganz bestimmtes Gebiet im Flachgau und Tennengau beschränkt, (anderswo schießt man mit dem kleinen Bruder des Prangerstutzens, dem Handböller), schießen die Prangerschützenvereine auch im benachbarten Oberösterreich und Bayern wie Pilze aus dem Boden: Es werden Statuten erarbeitet und der Sicherheitsdirektion der Landeshauptstadt geschickt, Sicherheitskurse absolviert, Gene­ral­ver­samm­lun­gen abgehalten, die Prangerstutzen bestellt, die Gründungsversammlung wird einberufen, bis in das kleinste Detail die Vereinstracht gemeinsam mit dem Schneidermeister zusammengestellt (unglaublich welche Vielfalt sich durch das Variieren von Details in Form und Farbe erzielen lässt!). Nicht zu allerletzt müssen auch Schieß- und Marschübungen durchgeführt werden. Bis endlich das große Gründungsfest mit der Teilnahme zahlreicher örtlichen Vereine, Prangerschützenkompanien aus Oberösterreich und Salzburg, Böl­lerschützenkompanien aus Bayern sowie von verschiedenen farbenprächtigen Bürgergarden stattfinden kann, ist die Choreographie perfekt.
Der Schützenkurat zelebriert eine Feldmesse, die Fahne wird geweiht, es kann losgehen. Von nun an kann zu Prozessionen, Trachtenfesten, Erntedankfesten und Kirchweihfesten ausgerückt werden, wie auch zu Hochzeiten und Sylvesternachts-, Fronleichnams- und Prangtagschießen, zu Bischofschießen (zu dessen Empfang), Hausweihschießen, Sonnwendschießen, Jahrtagsschießen, Schießen bei Heldenehrungen.
Je öfter geschossen wird, desto glanzvoller ist das Fest. "Sauber ham's g'schossen!" wird man dann sagen.
Man nimmt an internationalen Schützentreffen teil, tritt bei Paraden in Reih und Glied mit geschulterter "Donnerbüchse" auf, musiziert, feiert, In anderen Worten, eine weitere Bereicherung im Vereinsleben der Gemeinde ist erreicht.

 
  Mutterer Bummsa  
 

Beschränkt sich der Prangerstutzen im Großen und Ganzen (insgesamt) noch auf sein Ursprungsgebiet, so hat sein kleinerer Bruder, der Handböller eine weit größere Verbreitung erreicht: Die Zahl der Böl­lerschützen, die mit lautem Krach das Brauchtum pflegen, hat sich in den letzten Jahren geradezu ex­plo­sions­artig vergrößert. In Bayern gibt es heute etwa 500 Vereine, Tendenz steigend.
Unglücklicherweise beschränkten sich die Böllerschützen in der Vergangenheit nicht auf ihre Rolle bei Hochzeiten, Prozessionen, Trachtenfesten und Veteranenbeerdigungen, sondern sie trieben mit den Böllern auch viel Unfug. Was zu einer besorgniserregenden Anzahl von Zwischenfällen mit Personen- und Sach­schaden und zum Teil zu schweren Unfällen führte. Aus diesem Grund, jedoch auch zur Abwehr un­zu­mut­baren Lärms (im Sinne des Ausbaus des Umweltschutzes) führte die österreichische Regierung 1974 mit dem Pyrotechnik-Gesetz ein fast vollständiges Verbot des Hantierens mit Böllern ein, welches die für das Böllerschießen geltenden Polizeivorschriften ersetzte. Nur die Prangerschützen als brauchtumpflegende Gru­ppe sind von dem Verbot ausgenommen. Damit aber beim Ausüben des Brauches Unfälle weitgehendst vermieden werden, ist ausschließlich die Verwendung von staatlich geprüften Prangerstutzen (bzw. Hand­böllern) erlaubt.
Nicht viel anders wird auch in Bayern das Böllerschießen mit umfangreichen Sicherheitsvorschriften gesetzlich geregelt. Im Laufe der Jahrhunderte auch mehrmals verboten, setzte es sich aus Freude am Krach­machen immer wieder durch. Interessanterweise ist vieles, was wir über diesen Brauch wissen, auf die dokumentierten behördlichen Verbote und Strafdrohungen zurückzuführen.
Allmählich wurde der Brauch unter behördliche Kontrolle gebracht und domestiziert. Die Böllerschützen selbst müssen heute strenge Voraussetzungen erfüllen: Zuverlässigkeit, körperliche Eignung, Vollendung des 21. Lebensjahres und der durch ein Prüfungszeugnis erbrachte Fachkundennachweis (Sicherheitsregeln bei der Wahl des Standplatzes, beim Laden und Schießen, beim Beförderung und Lagerung des Schwarzpulvers, beim Gehörschutz für den Schützen usw.). Unter anderem muss ein Bedürfnisnachweis erbracht werden. Beispielsweise die Bestätigung eines Kriegervereins über das Böllerschießen bei einem feierlichen Anlass. Im Allgemeinen ist das Böllerschießen nur innerhalb eines Vereins erlaubt. Erlaubt sind in Bayern Böllerkanonen, Standböller und Handböller.

 
  Aperschnalzen  
 

Im Berchtesgadener Land ist die Heilige Nacht alles andere als still. Die sogenannten Weihnachtsschützen, im Gegensatz zu den Salzburger Prangerschützen ausschließlich mit Handböllern ausgerüstet, sorgen für eine stimmungsvolle Lärmkulisse.
Auf ihren Namen legen sie größten Wert. Nur sie und die auf der österreichischen Seite unmittelbar angrenzenden "Weihnachtsschützen Bad Dürrnberg" und ein paar andere dürfen sich "Weihnachtsschützen" nennen.
An diesem Abend herrscht rund um Berchtesgaden, auf seinen Hängen und Bergen, eine unbeschreiblich feierliche Stimmung. Die Weihnachtsschützen sind in ihrer traditionellen Berchtesgadener Tracht gekleidet: graue Lodenjoppe, dunkle Lederbundhose mit Stickgarnitur, graue Stutzen, weißes Hemd, dunkelgrüner Hut mit hellgrüner Borte und Spielhahnfeder.
Gegen 22.00 Uhr begeben sie sich zu den traditionellen, durch beleuchtete Sterne angezeigten Schießplätzen abseits der Ortschaften und beginnen mit vereinzelten Salven aus ihren pistolenartigen Handböllern sich "zu­sam­menzuschießen". Es kracht dann abwechselnd vom Lockstein, vom Obersalzberg oder vom Kalvarienberg her.
Im Ort bereitet man sich inzwischen auf die Mitternachtsmette vor. Scharen von Menschen strömen durch die Straßen und versammeln sich vor der Kirche. Das Hauptaltar der Stiftskirche, in Berchtesgaden wird an diesem Abend von Hunderten von Kerzen erhellt.
Um 23.30 Uhr haben alle Schützen ihre Standorte erreicht. Erst jetzt, wenn die Glocken zur Christmette läuten, beginnt der eigentliche Höhepunkt des Schießens. Beim ersten Glockenschlag vom Kirchturm kracht es schlagartig nahezu ohrenbetäubend los, erhebt sich in halber Höhe der Berge ein Gebrüll wie von feuerspeienden Kanonen, während Reihenexplosionen wie Maschinengewehrgarben ins Tal rattern . Es wird ununterbrochen geschossen: Einzelfeuer, Schnellfeuer, Salven. Es blitzt, raucht, donnert und kracht von sämtlichen Höhen.
Zwischen 3 und 6 Kilo ist so ein Handböller schwer. Man lädt mit Pulver von Zwei-Millimeter-Körnung und verdämmt die Mündung mit einen Kork- oder Holzpfropfen, der mit dem Holzhammer nachgeschlagen wird. Das Zündhütchen wird aufgesetzt. "Fertig!" kommandiert der Hauptmann. "Auf!" Die Fäuste heben sich. Und "Feuer!"
Punkt Mitternacht, wenn der Gottesdienstes beginnt, hört die Schießerei auf und die Leute eilen in die Kirche. Während der Mette werden insgesamt nur sechs Salven geschossen, bei der Elevation der Hostie und bei der des Kelches.
Das ist, alle Jahre wieder, das berühmte Berchtesgadener Weihnachtsschießen. An solch einem Festtag können bei einem derartigen Auftritt über 1000 Schützen beteiligt sein und bis zu 25 Zentner Pulver verschossen werden.
Der große Spektakel beim Christkindl-Läuten in der halben Stunde vor Mitternacht ist der Höhepunkt eines schießfreudigen Brauchtumsjahres. In der Silvesternacht wird zum Abschluss noch das alte Jahr hinaus- und das neue eingeschossen.
Obwohl der Brauch mit Sicherheit viel älter ist, stammt der erste schriftliche Nachweis, ein fürstliches Ratsprotokoll, in dem für das Schießen an Weihnachten und den "drei Raunächten" mit Strafe gedroht wird, aus dem Jahre 1666. Von diesem Jahr an lassen sich die behördliche Verbote des "liederliche Schiessen" bis ins 19. Jh. immer wieder nachweisen.

 
   
 

Diese Auflistung von Bräuchen, bei denen der Lärm ein "unüberhörbarer" Bestandteil ist, kann nur sehr unvollkommen sein. Fängt man erst einmal an nachzuforschen, kommt man auf eine große Anzahl kleinerer und größerer Bräuche, die sich unter diesem Aspekt des "Lärms" einordnen lassen. Sie sind alle freilich viel mehr als nur "Lärmbräuche" und bei den meisten steht die Lärmerzeugung nicht im Vordergrund, vielmehr verschiedenste As­pek­te religiöser, sportlicher oder historisch-dar­stel­len­der Natur.
Will man sich die Frage nach dem ur­sprünglichen Kern und dem geistigen Inhalt dieser "Lärm"-Bräuche stellen, so besteht, als Folge gründlicher wissenschaftlicher Unter­su­chungen, kein Zweifel daran, dass viele von ihnen auf heidnischem Gedankengut gründen. Insbesondere steht fest, dass der Lärm, der bei zahlreichen Festen und Bräuchen gemacht wird, tief in altem Naturglauben verwurzelt ist. Der Lärm fungierte immer schon als Abwehrmittel, denn seit alters her konnte man wilde Tiere und feindlich gesinnte Menschen mit Lärm verscheuchen.
Im Analogieschluss glaubten unsere Urahnen, dass man auch feindselige Naturgeister mit hässlichen Masken und durch Erzeugung von Lärm - mit Geschrei, Trommeln, Rasseln und weiteren Mitteln - abwehren oder verscheuchen könne. Es fällt ja geradezu auf, das viele dieser Bräuche in die dunkle und kalte Jahreszeit fallen, besonders in die so genannten "Raunächte", die lichtärmste, lebenfeindlichste und angsteinflößendste Zeit des Jahres.
Unsere Ahnen waren wohl davon überzeugt, mit den selben Mitteln den Winter verjagen zu können und dadurch das Heller- und Wärmerwerden zu beschleunigen. So wurde der Lärm zu Ritual und Abwehrzauber für die schlimmen Raunächte.
In ähnlichem Analogieschluss dachte man auch, dass Lärm die unter der gefrorenen Erde schlafende Frucht aufwecken und deren Wachstum beschleunigen könne.
Dass man durch Läuten der Kirchenglocken das schlechte Wetter, insbesondere den Hagelschlag, abwehren könne, blieb bis zur Aufklärung fester Volksglaube.
Und was die Glocken nicht erreichen konnten, das erwartete man vom Wetterschießen: Kaum deuteten sich die ersten Ge­wit­ter­zeichen am Himmel an, schon eilten die Bauern zu ihren Böllern oder Prangerstutzen, und bald hörte man es in dem und jenem Hof donnern und krachen. Man nahm wohl an - die Vorstellung, die Menschen wollten die "schauderhaften" Wetter­hexen durch Schießen vertreiben, kann man wohl ins Reich der Märchen verbannen -, dass die durch das Schießen erzeugten Schallwellen in der Lage waren, Gewitterwolken zu zerstören oder zu ver­treiben. Es ist hierzu überliefert, dass Friedrich der Große bei der Ankunft von Kaiser Josef II eine ganze Armee mit allen Kanonen schießen ließ, um die bedrohlichen Gewitterwolken zu ver­trei­ben.
Im Laufe der Zeit hat sich in einem Brauch so manches, oftmals auch widersprüchliches gesammelt, was man nicht mehr auseinanderklauben kann und dessen ursprünglicher Sinn längst abhanden gekommen ist. Wer kann in einer Zeit des Materialismus und der Glaubenslosigkeit noch an Geister und Dämonen bei der Ausübung eines Brauches glauben, wer ist noch davon überzeugt, dass die Ernte besonders gut wird, wenn die Grasausläuter laufen?
Viele Bräuche haben sich zu bloßen Aufführungen und Schaustellungen entwickelt, segr oft zu Veranstaltungen großen Stils, in denen nur in Details Spuren der alten Bedeutung zu erkennen sind. Wie z.B. beim Reverenzschießen zu Ehren von angesehenen Persönlichkeiten, mit dem noch heute der Wunsch verbunden wird, die Schüsse mögen dem Geehrten Glück bringen.
So könnte man darauf verzichten alle diese Bräu­che in allen Einzelheiten und sorgfältig erklären zu wollen und sich nur darauf be­schränken, fest­zustellen, dass auch heute noch im Volksbrauch von Neujahr bis Sylvester leidenschaftlich und mit Begeisterung Lärm gemacht wird.
Denn im Grunde geht es immer um das Gleiche: die Menschen wollen mit tanzen, singen, springen und lärmmachen der Freude und der Lebenslust freien Lauf lassen, und all die Hintergründe und Bedeutungen, die man in der Völkerkunde dem Lärm zuordnet, bringen uns einem Verständnis nur in Ansätzen näher.
Man sollte also nicht in den Fehler verfallen, in all diesen Bräuchen nur eine zur Folklore erstarrte Ar­chäo­logie einer "uralten" Zeit zu sehen, die so weit entfernt ist, dass sie kaum noch nachvollzogen werden kann. Es würde den Bräuchen sehr viel nehmen, nämlich den Grund weiterhin ausgeübt zu werden und die Menschen zu erfreuen.
Es geht um das Festhalten an Überliefertem, den Erhalt der Traditionen und der einheimischen Trachten und um die Treue zur Heimat. Das Spielerische und das Sportliche gilt es zu bewahren und den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu stärken.
Und es ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass solche Identifikationsmöglichkeiten in der heutigen Zeit mehr denn je gebraucht werden, dass merkwürdigerweise fast ohne Eingriffe von außen, eine Wie­der­belebung solchen Brauchtums vor sich gegangen ist.

   
Bräuche
 
Die Christianisierung der heidnischen Bräuche
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Bräuche
 
Der Nikolaus und
seine Buttnmandl
 
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Die geweihten Nächte
 
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